Von Andreas Steinhardt 10.02.2024 um 15:32 Uhr | melden
Zur heutigen Gedenkkerze ein Gedicht von Erich Kästner, passend zum Karneval, zum Fasching.
Sind Sie jeck? Lieben Sie die "tollen Tage?" Oder ist es Ihnen ein Greuel? Darf man bei der derzeitigen politischen und wirtschaftlichen Situation überhaupt fröhlich sein? Feiern? Lassen wir nun auch unsere Geburtstage, Weihnachten, Ostern ausfallen oder gönnen wir uns ein paar Tage, ein paar Stunden Freude, Erholung vom trüben Alltag?
Wilhelm mochte den Fasching, feierte ihn in dem Wirtshaus um die Ecke und daheim. Ich erinnere mich auch daran, mit meinem Opa hiesige Karnevalszüge besucht zu haben. Er trug einen ganz kleinen roten Hut wie ein knallbuntes Hemd und ein auffällig gestreiftes Sacko. Es erinnert (e) sehr an Hans Süper aus Kölle, die Jecken unter uns wissen wer das war...ich kenne seinen Neffen sogar persönlich.
Der Februar (Karneval)
von Erich Kästner
Nordwind bläst. Und Südwind weht.
Und es schneit. Und taut. Und schneit.
Und indes die Zeit vergeht
bleibt ja doch nur eins: die Zeit.
Pünktlich holt sie aus der Truhe
falschen Bart und goldnen Kram.
Pünktlich sperrt sie in die Truhe
Sorgenkleid und falsche Scham.
In Brokat und seidnen Resten,
eine Maske vorm Gesicht,
kommt sie dann zu unsren Festen.
Wir erkennen sie nur nicht.
Bei Trompeten und Gitarren
drehn wir uns im Labyrinth
und sind aufgeputzte Narren
um zu scheinen, was wir sind.
Unsre Orden sind Attrappe.
Bunter Schnee ist aus Papier.
Unsre Nasen sind aus Pappe.
Und aus welchem Stoff sind wir?
Bleich, als sähe er Gespenster,
mustert uns Prinz Karneval.
Aschermittwoch starrt durchs Fenster.
Und die Zeit verläßt den Saal.
Pünktlich legt sie in die Truhe
das Vorüber und Vorbei.
Pünktlich holt sie aus der Truhe
Sorgenkleid und Einerlei.
Nordwind bläst. Und Südwind weht.
Und es schneit. Und taut. Und schneit.
Und indes die Zeit vergeht,
bleibt uns doch nur eins: die Zeit.
Erich Kästner, * 23.02.1899 in Dresden,
+ 29.07.1974 in München