Von Andreas Steinhardt 24.10.2023 um 15:43 Uhr | melden
Zur Gedenkkerze ein Gedicht von Hugo von Hofmannsthal. Wilhelm verreise nicht viel - ehrlich gesagt erinnere ich mich nur an einen Reisebericht. Mein Großvater wollte im Prinzip nie fort von seinem Haus, seinem Garten, seinem gemütlichen Platz unter dem alten Kirsch- und auch Apfelbaum.
"Ich war einmal am Wörthersee" oder: " Mensch, was war es schön am Wörthersee" - ich kann gar nicht sagen, wie oft mir Wilhelm von seiner
(vermeintlich einzigen) größeren Reise nach Kärnten erzählte. Es muß meinen Opa schwer beeindruckt haben. Dieses eine Mal reichte ihm
offenbar für das ganze Leben. Ihm fiel immer etwas anderes ein, was er denn unten in Österreich in jenen zwei Wochen seines Lebens alles sah und erlebte. Er war ganz kein junger Mann mehr, schon Rentner, und wurde von seiner jüngeren Tochter, meiner Tante, in diesen Urlaub mitgenommen.
Wie schön bodenständig dieser Mann doch war! Einmal zum Wörthersee und zurück - und Wilhelm hatte ein Leben lang etwas
zu erzählen...
Bei Interesse lesen Sie doch einmal im Netz die Legende der Entstehung des Wörthersees - vielleicht kann man dann folgende,
etwas irritierenden Verse des österreichischen Dichters auch
besser einordnen...
Reiselied
Wasser stürzt, uns zu verschlingen,
Rollt der Fels, uns zu erschlagen,
Kommen schon auf starken Schwingen
Vögel her, uns fortzutragen.
Aber unten liegt ein Land,
Früchte spiegelnd ohne Ende
In den alterslosen Seen.
Marmorstirn und Brunnenrand
Steigt aus blumigem Gelände,
Und die leichten Winde wehn.
Hugo Laurenz August Hofmann, Edler von Hofmannsthal,
*01. Feb. 1874 in Wien, +15. Juli 1929 in Rodaun, seit 1938
zu Wien. Hofmannsthal war österr. Schriftsteller, Dramatiker,
Lyriker und Mitbegründer der Salzburger Festspiele.