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Abschied von Udo
Von Jörg 26.02.2019 um 16:12 Uhr | melden
Liebe Ingrid, lieber Peter, liebe Gudrun, lieber Bernd, liebe Verwandte, liebe Freundinnen und Freunde meines alten Freundes Udo,
Words dont come easy to me
How can I find a way to – say Good Bye
Udos Familie hat mich gebeten, heute einige persönliche Worte zu sagen. Udo und ich waren Freunde. Kennengelernt haben wir uns in der Schule. Das war in den 70er-Jahren. Udo aß gerne Mon Cherié. Und wenn er zu uns nach Hause zu Besuch kam, sagte meine Mutter immer: „stell die Süßigkeitenschale weg, sonst ist sie wieder leer, wenn Udo gegangen ist.“
Ich habe die Süßigkeitenschale nicht weggestellt. Im Gegenteil. Ich habe mich gefreut, wenn Udo sich bei uns wohlgefühlt hat. Zumal ich, bevor er vom Dellplatz kommend die Grünstraße raufkam, schon lange am Fenster gestanden hatte, bis er endlich auftauchte. Gefühlt haben wir jeden Nachmittag nach der Schule miteinander verbracht.
Words dont come easy
Remembering is the only way for me to say Good Bye.
Udos Zuhause war so vollkommen anders als meins. Er hatte Geschwister, ich nicht. Er hatte einen Papa, ich nicht. Und er hatte eine Mutti, die kochte, da war und sich sorgte – ich nicht. Unsere Welten waren unterschiedlich. Unsere Interessen die gleichen. Wir durchpflügten die Stadt und die angrenzenden Stadtparks mit unseren Fahrrädern, oft nur mit einem einzigen Klapprad aus dem Jelichschen Keller an der Neuen Marktstraße, eines davon hatte eine gelbe Lampe - buntes Licht!
Well, Im not a light or music man
Melodies are so far my best friend
But my words are coming out strong
Boy, I reveal my heart to you and
Hope that you believe its true cause
Words dont come easy to me
How can I find a way to - say Good Bye.
Bei unserer Konfirmation, als wir alle feierlich vorne um den Altar zum Abendmahl versammelt standen, erzählte Udo mir einen Witz. Er handelte von großen Nasen und dem Bürgermeister von Rüsselsheim. Es war die Zeit, die wir heute wohl die unbeschwerteste nennen. Schule, ok, aber nur das Nötigste. Mädchen? Interessierten mich damals noch nicht, Udo gar nicht! Viel wichtiger: Freiheit, Zeit, Rumfahren und viel, viel Lachen. Unglaublich viel Liebe zum Detail und handwerkliche Kunst steckte Udo in die Ausgestaltung seiner Kellerbar. Buntes Licht aus einem dreiteiligen Disco-Turm und ein vorsichtiges Geständnis, sich mehr für Jungs zu interessieren, aber nicht für mich. Alles klar!
Dann wurde es politisch. Udo nahm mich mit zu den Falken, der Sozialistischen Jugend Deutschlands. Ich erinnere mich an Hinterzimmer im Duisburger Rotlichtmilieu, das Drehen an alten Röhrengeräten auf der Suche nach Musik, die uns interessierte, und an grundlegende Diskussionen zum Nato-Doppelbeschluss: „Petting statt Pershing. Und: Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt.“
This is just a simple song
That Ive made for you on my own
Und dann bauten Udo und seine Eltern in Homberg ein Haus. Für mich war das wie die Vertreibung aus dem Paradies. Denn mit einem Schlag waren unsere nachmittäglichen Erkundungstouren zu Ende. Udo bekam ein Mofa, ich nicht. Also machte ich mich oft mit meinem Fahrrad auf nach Homberg über die Friedrich-Ebert-Brücke und erinnere ein Graffiti an einem Abbruchhaus im Ruhrorter Hafen: „Ganz unten, dennoch!“
Theres no hidden meaning you know when I
When I say I miss you Udo
Please believe I really do
Words – von F.R. David haben wir wohl 10.000 Mal gehört, sehr laut und immer wieder. Vornehmlich dann, wenn Ingrid und Peter nicht zu Hause waren. Die neue Kellerbar mit dem verheißungsvoll blinkenden Licht eines Geldspielautomaten, den Udo mir mit seinem geschäftstüchtigen Verhandlungsgeschick abgerungen hatte, wurde zum Ort unzähliger schöner Feiern. Im Alltag gingen wir da längt sehr getrennte Wege. Seine ganze Leidenschaft gehörte seiner Schlossergilde bei der Demag, seiner zweiten Ausbildung als Energieanlagenelektroniker und Zug um Zug seinem professionellen Lichteqipement.
Trotzdem fanden wir immer wieder Zeit, unsere Freundschaft zu pflegen. Er zuckte nicht mit der Wimper, als ich ihn bat, mit mir eine ganze Nacht hindurch unseren alten Mercedes aufzumoppen. In der Werkshalle bei Steinhoff wienerten wir Stunde um Stunde, hörten laut Musik und lachten uns kaputt. Davon habe ich noch Fotos. Als ich bei der Bundeswehr war, fuhr er mich an einem Sonntag die ganze Nacht hindurch zu meiner Einheit nach Landsberg am Lech in Bayern. Mit dem Zug hätte ich umsonst fahren können, so aber konnten wir uns die ganze Fahrt unterhalten und viel lachen. So war Udo, er war ein Freund, der nicht auf Zeit oder Geld sah, wenn sich die Gelegenheit bot, wertvolle Zeit miteinander zu verbringen. Danke, Udo.
Words dont come easy to me
How can I find a way to - say Good Bye
Udo war ein Waghals, einer, der bei aller Vorsicht gerne auch mal alles auf eine Karte oder ein Gaspedal setzen konnte. Einmal haben wir nachts mit Freunden Pizza geholt und Udo fuhr so rasant in die Kurve, dass unsere Pizza gegen die Windschutzscheibe flog. Wir haben uns kaputtgelacht. Ich erinnere mich gerne und gut daran, obwohl das alles nun schon gefühlte 2000 Jahre her ist.
In den letzten Tagen habe ich die vielen Kommentare in Udos Facebook-Chronik und auf der Gedenkseite gelesen. Sie erzählen von guten und tiefen Freudschaften, von Trauer und Fassungslosigkeit über einen viel zu frühen Tod.
Mein Freund Udo ist nicht mehr. Euer Freund Udo ist nicht mehr. Udo ist nicht mehr.
In unseren Erinnerungen und Geschichten aber lebt ein gutes Stück von ihm weiter, seine Leuchtkraft zur Freundschaft. Eine dieser Geschichten habe ich erzählt. Viele weitere tragt Ihr in Euren Herzen. Sie erzählen von Udo Jelich, einem guten Sohn, Bruder, Neffen und Freund.
Words dont come easy to me
But so can I find a way to - say Good Bye, Udo.
