Thomas Noetzel

Thomas
Noetzel

12.11.1957
Münster
-
03.02.2022
Stadtallendorf

stimmungsbild

Gedenkseite für Thomas Noetzel

Nach langer, sich stetig verschlimmernder schwerer Krankheit ist Prof. Dr. Thomas Noetzel am Donnerstag, den 03.Februar 2022 im Alter von 64 Jahren verstorben.

Mit Thomas Noetzel verliert die politische Theorie und Ideengeschichte eine ebenso hochgebildete wie luzide Gelehrtenpersönlichkeit. Was Ideengeschichte ist und was die Politikwissenschaft und die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften ganz allgemein an ihr haben, zeigt sich im Leben und im Werk von Thomas Noetzel. Seine Interessen waren umfassend, seine Kooperationen und Projekte immer wieder überraschend.

Mit seiner Forschung über politische Gefühle von der Macht der Liebe über die Ermüdung als Zeitgeist bis hin zum Populismus als Affekt war Thomas Noetzel im fachwissenschaftlichen Diskurs der Politikwissenschaft ebenso zu Hause wie in der interdisziplinären Kooperation. Sein jugendlicher Berufswunsch, Psychoanalytiker zu werden, war in der Politikwissenschaft (um mit Hegel - einer späten Liebe von Thomas Noetzel - zu sprechen) gut "aufgehoben". Mit der Systemtheorie von Niklas Luhmann und Ulrich Oevermann hat er Studierende und Kolleg*innen traktiert - auch das wird fehlen.

Man konnte mit ihm reden. Davon haben sich seit seiner Berufung auf den Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte am Institut für Politikwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg im Jahre 2002 Politikwissenschaftler*innen, Philosoph*innen, Theolog*innen, Ethnolog*innen, Kulturwissenschaftler*innen, Kunsthistoriker*innen und Medienwissenschaftler*innen in Vorlesungen, Seminaren, Workshops, Tagungen, Podiumsdiskussionen und Rundfunkinterviews in den letzten zwanzig Jahren oft überzeugen können.

Akademiker und Intellektueller zugleich, bewegten Thomas Noetzel die Fragen von Forschung und Lehre ebenso wie die Entstehung, Wandlung und Wiederkehr politischer Ideen und Begriffe in der Debattieröffentlichkeit des Alltags. "Multiperspektivität" war das Schlüsselwort und die Botschaft seiner Wortmeldungen. Reflexion war für ihn Vergnügen und Verantwortung zugleich. Verwerfungen der politischen Kultur und deren Bedrohung durch Antisemitismus, Rassismus und jede andere Art von Ausgrenzung haben Thomas Noetzel bis zuletzt beschäftigt und zu Interventionen stark herausgefordert. Mit Thomas Noetzel geht ein Denker, dessen gelebte Einheit von wissenschaftlichem und politischem Engagement nicht gehen darf.

Portal Ideengeschichte (2010 von Thomas Noetzel in Kooperation mit Jörg Probst gegründet) ist als Plattform für Ideengeschichte als interdisziplinäre Politikforschung eine Art Vermächtnis dieses Denkstils. Gemeinsame Diskussionen und die Lebhaftigkeit der Reflexion sind auf die schönste Weise integrativ. Portal Ideengeschichte bleibt bei sich selbst, wenn sie dieser von Thomas Noetzel gelebten Multiperspektivität die Treue hält.

Mit Thomas Noetzel nehmen wir Abschied von einem engagierten Wissenschaftlern und von einem liebenswerten Menschen. Er war Kollege und Freund, Professor und Partner, Vorgesetzter und Vertrauter. Die persönlichen Begegnungen in Seminaren und im privaten Kontakt, in der Runde mit Studierenden und Kolleg*innen und zuletzt in Videokonferenzen bleiben unvergessen.

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