Von Andreas Steinhardt 03.02.2024 um 21:42 Uhr | melden
Zur Gedenkkerze ein Gedicht zum Februarbeginn von Erich Kästner.
Sind sie dem Winter schon überdrüssig? Können Sie regen, Schnee
und Kälte kaum mehr ertragen?
Die Karnevals- oder Faschingswoche steht bevor, Wieverfastelovend ist nicht weit. Dazu vielleicht passend diese folgenden Verse von Kästner.
Aber der Frühling? Nun, er lässt noch auf sich warten. Die Jecken bei uns im Rheinland erwartet zumindest zum Rosenmontag trockenes und kaltes Wetter.
"Bloß keinen Regen" - so höre ich noch meine Großmutter Theresia - beim Umzug sollte es doch wenigstens trocken sein...
Der Februar
Nordwind bläst. Und Südwind weht.
Und es schneit. Und taut. Und schneit.
Und indes die Zeit vergeht
bleibt ja doch nur eins: die Zeit.
Pünktlich holt sie aus der Truhe
falschen Bart und goldnen Kram.
Pünktlich sperrt sie in die Truhe
Sorgenkleid und falsche Scham.
In Brokat und seidnen Resten,
eine Maske vorm Gesicht,
kommt sie dann zu unsren Festen.
Wir erkennen sie nur nicht.
Bei Trompeten und Gitarren
drehn wir uns im Labyrinth
und sind aufgeputzte Narren
um zu scheinen, was wir sind.
Unsre Orden sind Attrappe.
Bunter Schnee ist aus Papier.
Unsre Nasen sind aus Pappe.
Und aus welchem Stoff sind wir?
Bleich, als sähe er Gespenster,
mustert uns Prinz Karneval.
Aschermittwoch starrt durchs Fenster.
Und die Zeit verläßt den Saal.
Pünktlich legt sie in die Truhe
das Vorüber und Vorbei.
Pünktlich holt sie aus der Truhe
Sorgenkleid und Einerlei.
Nordwind bläst. Und Südwind weht.
Und es schneit. Und taut. Und schneit.
Und indes die Zeit vergeht,
bleibt uns doch nur eins: die Zeit.
Erich Kästner, * 23.02.1899 in Dresden,
+ 29.07.1974 in München