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Von Julia denkt an Dich 16.06.2017 um 18:24 Uhr | melden
Seien Sie herzlich gegrüßt da oben!
(habe mich nun dazu entschlossen, wieder in der ehrenden Respektform zu Ihnen zu sprechen)
Wissen Sie, sehr verehrte Frau Seidel, manchmal erscheint es mir so absurd, ja fast lächerlich, meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Denn wen interessiert schon, was ich - was wir alle hier - über Ihr Schicksal denken...
Der Erdball vibriert weiter, das Leben tobt und spuckt die meisten Leute in unserer Gesellschaft abends müde und desinteressiert ins Bett. Nur wer entweder in dieser Richtung studiert, arbeitet oder ohne Beruf dasteht, findet bei vorausgesetztem Interesse die Zeit, sich anderen Leben zu widmen. Ich gebe zu, dass ich mir viel mehr Gedanken um andere mache, als es mir gut tut. Wie viele Chancen ich dadurch für mein eigenes Leben schon verpasst habe, möchte ich lieber gar nicht wissen. Aber für mich ist es eine Herzensangelegenheit, intensiv an Verstorbene zu denken, deren Lebensschicksale mir irgendwann "begegnet" sind und mich berührt haben. Mir selber gibt es so viel, grundlegende und einflussreiche Entscheidungen im Leben bekannter Persönlichkeiten nachzufühlen, so auch Ihre finale Entscheidung im Sommer 2012, liebe Silvia Seidel.
Mein Leben besteht aus Phantasien, Gedanken und Gefühlen, soweit meine Erinnerungen zurück reichen. Bereits im Kindergarten war ich als die "Träumerin" bekannt. Diese "verfluchte Gabe" hat kaum jemand ernsthaft wahrgenommen oder als etwas Positives angesehen. Im Gegenteil: "Sie ist halt noch nicht soweit wie die anderen.". Dabei hatte ich immer das Gefühl, weiter zu sein...Ich habe mich noch nie wirklich frei gefühlt. Manche Eindrücke fasse ich in Worte, andere bleiben in mir verborgen.
In der letzten Zeit habe ich leider eher selten an Sie gedacht, liebe Silvia Seidel.
Denn mit einer Wiederholung des Filmes "Mädchen in Uniform", aus dem Jahre 1958, ist mir nach meiner Eigenforschung einer Nebendarstellerin ein anderes bewegendes Schicksal dieser Schauspielerin sehr, sehr nahe gegangen: Sabine Sinjen. Nach den 50-er Kitschjahren hatte sie alles daran gesetzt, um vorwiegend am Theater ernsthafte Charakterrollen zu spielen. Ihre Bemühungen lohnten sich; und trotz kitschig orientierter Agenten und ungeheuerlicher Krankheit, welche sie plötzlich befallen hatte und ihr zehn Jahre nach der Erstdiagnose letztendlich das Leben kostete, wurde Sinjen zu einer großen und bekannten Bühnenschauspielerin.
Ich kann mir vorstellen, dass Sie sie gekannt oder einfach bewundert haben, liebe Silvia Seidel. Auch Sabine Sinjen mochte es in ihren "süßen" Film-Jahren immer weniger, von allen in den Himmel gelobt zu werden für etwas, das sie gar nicht sein wollte und auch nicht war. Ein Satz aus ihrer Autobiographie ist mir in lebhafter Erinnerung geblieben: "Ich setzte mich auf eine Bank und las Zeitungsartikel über Sabine Sinjen und wunderte mich, über wen die sprechen."
Liebe Silvia Seidel. Ob es nun an der hundsgemeinen Presse lag, am tief verwurzelten Ereignis mit Ihrer Mutter, oder einfach an Ihrer Krankheit, die unter allen Umständen irgendwann ausgesprochen wäre: Es tut mir leid, dass Sie offenbar so einsam gewesen sind und, im Gegensatz zu Sabine Sinjen mit einer anderen grausamen Krankheit, keinen Halt in Partner, Familie und Freunden gefunden haben.
Sie sollen wissen, und vielleicht hören/lesen Sie tatsächlich, dass mir und sicherlich einigen anderen Menschen auch, viel daran liegt, Depressionen zu enttabuisieren, aufzuklären, und Modefloskeln wie "Oh, heute regnet es, ich bin ja so depressiv (...)" ein Ende zu setzen. Denn Depressionen sind bitterer Ernst. Das ist das Einzige, was wir für Sie noch tun können.
Wir vergessen nicht...