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Von Lisa 14.10.2016 um 12:27 Uhr | melden
Ein schweifender Blick durch das karge Zimmer.
Sie wirft die kleine Tasche achtlos auf das Bett.
Der Mantel ist klamm von dem leichten Regen.
Die Haare hängen strähnig im Gesicht.
Zeit zu gehen...
Von draußen schallen die Geräusche der Nacht
in das kleine Zimmer.
Ein Auto fährt vorbei, als sie das Licht im Bad anmacht.
Prüfend ist der Blick in den Spiegel,
während das Wasser in das trübe Glas sprudelt.
Zeit zu gehen...
Der Duft von Regen steigt in ihre Nase,
als sie die Gardine zur Seite zieht,
um auf die Straße zu blicken.
Ein Liebespaar geht an dem kleinen Hotel vorbei,
ohne etwas von der Frau oben am Fenster zu bemerken.
Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht.
Zeit zu gehen...
Bitterer Geschmack verbreitet sich in der Mundhöhle
und Tränen schießen in ihre Augen.
Noch zweimal schlucken...
Noch einmal...
Geschafft!!
Ruhig durchatmen, langsam bis 10 zählen..
Das Herz rast, die Hände zittern
und Gedanken schießen durch den Kopf.
Regentropfen rinnen die Scheibe herunter.
Zeit zu gehen...
Sie setzt sich an den kleinen Tisch im Zimmer.
Die Oberfläche ist zerkratzt und zeigt
längst vergangene Zeiten der Vergangenheit.
Sie nimmt den Block, der auf dem Tisch liegt
und den Kugelschreiber, der ihr soviel bedeutet.
Müdigkeit steigt in ihr hoch.
Die Zeit rückt näher...
Zeit zu gehen...
Frisches Make up und roter Lippenstift.
Ein letzter prüfender Blick in den Spiegel.
Die Haare sind getrocknet und fallen in Locken
auf die schlanken, weißen Schultern.
Sie fährt sich mit den Fingern durch.
Sie dreht sich um und löscht das Licht.
Zeit zu gehen...
Das Kleid ist leicht zerknittert,
als sie es aus der Tasche zieht.
Sie betrachtet es und erinnert sich.
Die Augenlider werden schon schwer.
Schnell umziehen, es bleib nicht mehr viel Zeit...
Zeit zu gehen...
Die Kerzen brennen und wohlige Wärme
breitet sich in dem kleinen Zimmer aus.
Das war die letzte Kerze...
Zufrieden bläst sie das Zündholz aus
und nimmt den Hauch von Schwefel war.
Sie legt ihre Musik in den CD Player
und fühlt sich wohl.
Keine Zeit mehr...
Zeit zu gehen...
Die gestreiften Vorhänge sind zu.
Das Bett ist aufgeschlagen.
Müde, nur noch müde...
Sie legt sich hin und beobachtet
das flackernde Licht der Kerzen,
der Herzschlag wird ruhiger...
ihre Hände werden kalt.
Sie schließt die Augen.
Die Zeit ist jetzt gekommen...
Zeit zu gehen...
Draußen geht die Sonne auf,
und ein neuer Tag beginnt.
Der Nachtportier übergibt
den Bericht der Nacht.
Es war eine ruhige Nacht,
in diesem Hotel am Rande der Stadt.
Er nimmt seine Mütze vom Haken,
tritt vor die Tür und denkt:
Zeit zu gehen...
© Antje Schridde
In Gedanken an Silvia Seidel...