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von Hans Berens am 03.06.2021 - 15:44 Uhr | melden
Es war ein tragisches Unglück. Zu diesem Urteil kam 2009 die Staatsanwaltschaft im Fall Jenny Böken, die im September 2008 auf der “Gorch Fock” über Bord gegangen und gestorben war. Aber ihre Eltern hatten nie an einen Unfall geglaubt.
Eine 2017 in der ARD ausgestrahlte Dokumentation und der Film Tod einer Kadettin nährten die Zweifel. Die Familie hatte durch die Mitarbeit an der TV-Produktion gehofft, dass sich Zeugen melden, die bisher geschwiegen haben. Sie äußerten, dass sie die damaligen Ermittlungen als “schlampig geführt” empfinden. Sie warfen der Marine sogar aktive Vertuschung und mehreren Personen Falschaussagen vor.
Die ARD-Dokumentation:
Es wurden drei Möglichkeiten untersucht, die zum Tod der Kadettin geführt haben könnten: Selbstmord, Unfall oder Mord. Besonders der letzte Fall schien möglich, da Böken mit ihrer Art offenbar schwer in die Gruppe passte und als Besserwisser und Außenseiter galt.
Im Film wurden auch mögliche Verfehlungen der Marine deutlich. Böken erhielt vor dem Dienst auf der “Gorch Fock” eine Beurteilung, die sie als nicht geeignet auswies. Bei der Musterung war sogar auf den Belastungstest verzichtet worden. Politisch soll es wichtig gewesen sein, einen höheren Frauenanteil zur Marine zu bekommen.
Neuer Zeuge
Im September 2018 meldete sich dann tatsächlich ein neuer Zeuge bei der Familie, der eine eidesstattliche Versicherung abgegeben haben soll, der zufolge es um Mord geht. Laut Vater Uwe Böken soll der Zeuge von einer Vorgeschichte inklusive Vergewaltigung mit möglicher Schwangerschaft gesprochen haben, die zu dem Verbrechen führte. Dazu passe unter anderem, dass in der Lunge der geborgenen Leiche kein Wasser gefunden wurde. Sie könnte also schon vor dem Sturz gestorben sein.
Nun hat die Staatsanwaltschaft in Kiel allerdings die Ermittlungen nach einem Jahr erneut eingestellt. Man habe den Angaben der Zeugin nicht geglaubt, heißt es vom Staatsanwalt. Laut den Ermittlern beruhendie Angaben im Wesentlichen auf Hörensagen. Die Zeugin sei zwar im Jahr 2008 Bundeswehr-Angehörige gewesen, habe aber weder bei der Marine gedient, noch auf der “Gorch Fock”.
Sie gab offenbar nur wieder, was drei Marinesoldaten ihr gegenüber behauptet haben, die während des Vorfalls auf dem Schulschiff Dienst taten. Diese hätten behauptete, dass Böken gewaltsam zu Tode gekommen sei. Bei der Überprüfung dieser Aussage habe es allerdings Widersprüche zu den Angaben einer anderen Zeugin gegeben.
Die Eltern gaben sich mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Sie halten die Staatsanwaltschaft in Kiel für befangen. Ihrem Antrag, Kiel den Fall zu entziehen, wurde allerdings nicht stattgegeben.
“Es war fürchterlich”
In einem ausführlichen Interview mit SegelReporter beschrieb damals der Autor und Segler Jan von der Bank die Zustände an Bord der “Gorch Fock”. Er fuhr selber vier Monate auf der Bark zur See und schrieb zufällig gleichzeitig an dem Gorch-Fock-Roman “Hundewache”.
Er war nach dem Erlebnis auf dem Schulschiff desillusioniert. “Wenn ich später jemandem erzählt habe: ‘Ich war auf der Gorch Fock und bin über den Atlantik, durch den Panamakanal und bis Acapulco gesegelt’, dann haben die immer leuchtende Augen gekriegt und gesagt ‘Was für eine tolle Reise!’. Aber das war es nicht! Es war fürchterlich!
Ich habe damals Tagebuch geführt über all die blöden Erlebnisse mit dem festen Vorsatz, später niemals auf diese romantische Verklärerei hereinzufallen und zu sagen: “Ach, im Nachhinein war’s doch ganz schön!” Die Leute sehen immer nur das tolle weiße Schiff und dieses sorgsam gepflegte Klischeebild vom “Botschafter in Weiß”… Aber das ist eine riesige Lüge… Ich habe das Schiff damals tatsächlich nur noch “die schwimmende Lüge” genannt.”