Robin
Bosch

von Robins Mama am 23.11.2013 - 06:53 Uhr | melden

Für Robin Bosch von Robins Mama
Diese Kerze wurde am 22.11.2013 um 20:05 Uhr entzündet

In einem Hof spielten zwei Kinder ein lustiges Spiel. Sie dachten sich eine ganz besondere Sprache aus, in der sie miteinander reden konnten, ohne dass andere Leute eine Silbe davon verstanden.

„Brif, braf“, sagte der Erste. „Braf, brof“, antwortet der Zweite. Und dann lachten beide ganz toll.

Im oberen Stockwerk des Hauses saß ein alter Herr auf dem Balkon und las seine Zeitung.
Im Haus gegenüber lehnte eine alte Frau zum Fenster hinaus, die weder gut noch schlecht war.
„Was sind das nur für dumme Kinder, die zwei da unten“, sagte die Frau.
Aber der alte Herr war nicht ihrer Meinung: „Das finde ich nicht.“
„Sagen Sie nur nicht, dass Sie verstanden hätten, was sie eben gesagt haben.“
„Doch, ich habe alles verstanden.
Der Erste sagte: „Was für ein herrlicher Tag heute.“ Und der Zweite antwortete: „Morgen wird´s noch viel schöner.“

Die alte Frau rümpfte die Nase, schwieg aber still, weil die Kinder unten im Hof wieder angefangen hatten, sich in ihrer Geheimsprache zu unterhalten.

„Maraschi, barabaschi, phiffirimaschi“, sagte der Erste; „bruf“, antwortet der Zweite.
Und wieder brach ihr tolles Gelächter los.

„Wollen Sie das auch verstanden haben?“, rief die alte Frau erbost ihren Nachbarn zu.
„Sicher“, antwortete der alte Herr lächelnd. „Der Erste hat gesagt: „Wie sind wir doch froh, dass wir auf der Welt sind!“ Und der Zweite hat ihm geantwortet: „Die Welt ist ganz wunderbar!“

„Aber ist sie wirklich wunderbar, die Welt?“, bohrte die alte Frau weiter.

„Brif, bruf, braf“, antwortete der alte Herr.

Gianni Rodari


Liebster Robin,

heute Nachmittag hatten wir Besuch und uns wurde ein schöner Kalender geschenkt. Als erstes fand ich diese Geschichte.

Nicht mehr aufhören konnte ich vor Schmunzeln und habe mir die Situation lebhaft vorstellen können.
Natürlich hatten meine Personen gleich einen Namen und ihr dazugehöriges Gesicht.
Allerdings hätte ich das Wort „alte“ beim Herrn gestrichen und durch „lebenserfahren“ oder „freundlichen“ Herrn ersetzt.
Da ich die Geschichte nicht selber geschrieben habe, wollte ich sie auch nicht aus dem Zusammenhang reißen oder ändern…

In meinen Ohren höre ich es schon klingeln:
„Christiane – schöne Geschichte – a b e r – nichts für eine Gedenkseite!“

Weißt Du Robin…? Mir gefällt sie und ich hoffe sehr – der Person, für die ich sie ausgewählt habe – auch!

Und bei Dir bin ich mir sowieso sicher – Du lachst da oben mit…
„Marutschi, omfutschi, dadeitschi, bambeitschi“.

Das heißt: „ Lass sie nur reden, Hauptsache wir haben Sonne im Herzen – zumindest für diesen Augenblick!“

Ein helles Licht für Dich mein Sohn – lieb und vermiss Dich! Mir fehlen auch unsere verrückten Späße! Späße die aus Nichts entstanden sind… einfach nur so…, weil uns grad danach war…

NACHTRAG VON ROBINS MAMA: 23.11.13 um 5.15 Uhr

Er ist doch kein Gott von Toten, sondern von Lebenden; denn für ihn sind alle lebendig. Lk 20,38

Lieber Robin,
die Geschichte hat mir gestern sehr viel Freude bereitet und jetzt, wo ich im Bett lag, spürte ich eine leichte „Unruhe“. Sicherlich ist die Geschichte noch nicht für Jedermann geeignet!
Eine Mama, die ihr Kind vor 5 Monaten verloren hat, empfindet in dieser Phase schwerlich Freude, kann keine wunderbare Welt erkennen (es gibt auch Ausnahmen "4-3")… aber auch bei mir klappt das nach 10 Monaten noch nicht allzu oft… jedoch hin und wieder und für diese Momente bin ich so unendlich dankbar. Und gestern trumpfte die Freude…und dafür schäme ich mich nicht!

Den Personen habe ich nun mal „Namen“ gegeben und bin einige unserer Lebensstationen durchgegangen.
Ein „aufmerksamer“ Leser unserer Gedenkseite hat gut hingehört, dass sich vieles im Hintergrund abspielt…

Jetzt sollte man sich vorstellen, da ist Kai, 19 Jahre, ein sehr guter Freund von Dir – Ihr hattet Träume, die Ihr verwirklichen wolltet. Gemeinsam Abi machen, danach ein Jahr nach Australien und dann mal schauen… Studieren oder doch in einen sozialen Beruf oder gleich Manager??? Kai wollte Grundschullehrer werden, damit endlich auch mal die Kleinen in den Genuss einer „männlichen“ Bezugsperson kommen. Weder im Kindergarten noch in der Grundschule hattet Ihr einen männlichen Ansprechpartner… immer Frauen… war nicht schlecht… aber das wolltet Ihr gerne für die nächste Generation ändern!
Am Abend Deines Todes wart ihr verabredet, morgens erreichte ihn die Hiobsbotschaft – Du bist tödlich verunglückt, die Welt steht still, unfassbar…Schock…
Sein Leben ist seit diesem Tag nur noch dunkel. Er empfindet keine Freude - in der Clique fühlt er sich allein - über einstmalige Witze kann er nicht mehr lachen… Freude, Sinn des Lebens sind ihm abhanden gekommen… letzte Woche hatte er ein Gespräch mit dem Lehrer um sein Abi abzubrechen… Warum auch, wozu auch??? Düstere Gedanken, Lebenssinn verloren – früher warst Du da Robin und hast ihn in solchen Phasen aufmuntern, aufbauen können… jetzt fühlt er sich allein gelassen… alles düster!

Was hattet Ihr als Sechsjährige einen Heidenspaß, wie die 2 Jungs in der Geschichte. Biff, baff, buff… Mein Gott konntet Ihr unbeschwert, freudig lachen… Die alte Frau Schmidt, die noch gut zu Fuß war hatte dafür kein Verständnis. Sie lehnte schon früh morgens im Fenster und schaute, was der Tag wieder „Negatives“ zu bieten hatte…
Herr Wiese dagegen, der durch die heftigen Rheumaschübe tagelang nicht auf die Straße runter konnte, erfreute sich seines Lebens – ihm gelang es mühelos aus allem das Positive zu ziehen und bewahrte sich diese Freude von jeher auch noch auf seine alten Tage… Jeden Morgen beim Aufstehen dankte er zuerst einmal dem lieben Gott für den neuen Tag, freute sich auf seine erste Tasse Kaffee und wenn er sein Frühstück dann noch bei Sonnenschein umgeben von quirligem Vogelgezwitscher auf der Terrasse einnehmen konnte, dann musste das ein sagenhafter wunderschöner Tag werden, dafür allein schon hat sich das Aufstehen gelohnt…

Die Mädchen spielten Gummitwist vor unserer Türe. „Kann ich mitspielen und auch mal hüpfen?“ Da hüpften sogar die Mädchenherzen höher als der zehnjährige Robin das fragte. Kai stand etwas abseits… „Robin macht aber auch alles mit und wie sie alle über ihre Backen grinsen und was sie für einen Spaß haben – Gummitwist – mmhh!“
Das entging auch der alten Frau Schmidt nicht. „Früher hatten wir noch wahre Jungs, die haben Fußball gespielt und sich in Mädchensachen nicht eingemischt. Mein Gott, wohin soll das mit der heutigen Jugend noch führen?“ Herr Wiese entgegnete der kopfschüttenden Frau: „Früher mussten wir in dem Alter hart arbeiten, mit dem Vater aufs Feld, was hätte ich drum gegeben, wenn mich die Mädchen mitspielen ließen – auch beim Gummitwist!“

„Heut Abend grillen wir am Wasserwerk?“ Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer unter den Jugendlichen und so fanden sich bei uns im Hof sieben Mofa- und Rollerfahrer mit ihren Mädchen ein. „Was für ein Spektakel! Kann ich noch nicht mal um sechs meine Ruhe hier haben – müssen die sich immer Cliquen, Haufenweise treffen. In dem Alter saß ich friedlich bei meiner Großmutter und habe Socken gestrickt!“
„Schade, bei uns daheim hatte nur der Fritz ein Mofa. Er wohnte zwei Kilometer entfernt auf dem Aussiedlerhof. Ich musste am Abend zu Fuß dahin laufen und dann haben wir ein Töurchen über die Serpentinen gemacht und uns den Fahrtwind durch die Haare wehen lassen. Das waren aufregende Zeiten! Die Jugendlichen da unten machen das schon richtig, sie leben ihre Träume aus, genießen die Gemeinschaft, halten zusammen, so jung und unbeschwert kommen die nicht mehr zusammen…“

Robin - unser Leben wurde zeitweise durch eine griesgrämige alte Frau Schmidt und einen freundlichen hilfsbereiten Herrn Wiese begleitet und dadurch viel bunter…
und hätte Frau Schmidt etwas weiter gesehen, dann wäre ihr Deine Fußballkarriere nicht entgangen…

Unser Leben war tatsächlich zeitweise „WUNDERBAR“ und wir haben es in vollen Zügen genießen können – GottseiDank. Auch Kai konnte sein Leben, seine Jugendlichkeit genießen und jetzt fehlt der Sinn und ich bin sicher, in der obigen Geschichte findet er wieder neue Ansatzpunkte, Erinnerungen, Mut, Hoffnung seinem jungen Leben etwas „Wunderbares“ abzugewinnen…

Wir sind für uns und unser Leben selber verantwortlich! Wir dürfen traurig sein und wir dürfen uns freuen. Manchmal überwiegt der eine Teil mehr, aber wir brauchen uns für keinen dieser Bereiche zu schämen!

Höhen und Tiefen sieht unser Lebensweg vor – Leiden gehört zum Menschsein und wir können ihm nicht entrinnen. Wir haben die Freiheit das Leiden anzunehmen, durchzugehen und daran zu wachsen… Aus eigener Erfahrung weiß ich, wenn ich mich gegen den Schmerz sperre wird das Leiden nur noch quälender… weitergekommen bin ich dadurch nicht! Passivität, Schwermut hat uns noch nie gutgetan, und Oberflächlichkeit auch nicht ….

Unser Schöpfer hat uns nie ein sorgenfreies Leben versprochen, er nimmt uns den Schmerz nicht – aber er trägt uns hindurch, wenn wir ihn lassen… und ich lasse ihn, die Hand habe ich dankend ergriffen.
Robin, Du hast Dein Kreuz getragen … und für Kai hat unser Schöpfer einen anderen Lebensweg vorgesehen, nach dem er sich freudig – ohne Schuldgefühle – ausstrecken darf…

Das jetzige Leben, nachdem mir mein geliebtes Kind genommen wurde – ist außerordentlich schwierig. GottseiDank habe ich den Willen und bekomme die nötige Kraft diesen schweren aber nicht ausweglosen Weg weiter zu gehen. Das Leben ist tatsächlich für mich „unfair“ und dennoch bleibe ich nicht in der Not allein, ich versuche Wege zu finden um den richtigen Trauerprozess zur HEILUNG zu gelangen. Unser Optimismus, unsere positiven Werte, unser Glaube hilft und stützt uns, mich… daran zweifle ich nicht… Noch stehe ich weit am Anfang… Angst vor dem Ende habe ich jedoch nicht!
Der Herr ist mein Hirte! Darauf vertraue ich weiterhin! Er wird auch mich heilen und dafür bete ich! GottseiDank!