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Von Heike mit Christian im Herzen 28.04.2015 um 19:54 Uhr | melden
Ein lieber Gruß in den Himmel.
Lied des Verfolgten im Turm
Der Gefangene:
Die Gedanken sind frei,
Wer kann sie erraten?
Sie rauschen vorbei
Wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
Kein Jäger sie schießen;
Es bleibet dabei,
Die Gedanken sind frei.
Das Mädchen:
Im Sommer ist gut lustig sein
Auf hohen wilden Heiden,
Dort findet man grün Plätzelein,
Mein herzverliebtes Schätzelein,
Von dir mag ich nit scheiden.
Der Gefangene:
Und sperrt man mich ein
Im finstern Kerker,
Dies alles sind nur
Vergebliche Werke;
Denn meine Gedanken
Zerreißen die Schranken
Und Mauern entzwei,
Die Gedanken sind frei.
Das Mädchen:
Im Sommer ist gut lustig sein
Auf hohen wilden Bergen;
Man ist da ewig ganz allein,
Man hört da gar kein Kindergeschrei,
Die Luft mag einem da werden.
Der Gefangene :
So sei es, wie es will,
Und wenn es sich schicket,
Nur alles in der Still;
Und was mich erquicket,
Mein Wunsch und Begehren
Niemand kanns mir wehren;
Es bleibet dabei,
Die Gedanken sind frei.
Das Mädchen:
Mein Schatz, du singst so fröhlich hier
Wies Vögelein in dem Grase;
Ich steh so traurig bei der Kerkertür,
Wär ich doch tot, wär ich bei dir,
Ach, muß ich denn immer klagen?
Der Gefangene :
Und weil du so klagst,
Der Lieb ich entsage,
Und ist es gewagt,
So kann mich nicht plagen!
So kann ich im Herzen
Stets lachen, bald scherzen;
Es bleibet dabei,
Die Gedanken sind frei.
»Des Knaben Wunderhorn«
(1806 - 1808), alte deutsche Lieder, gesammelt von Achim von Arnim und Clemens Brentano
http://www.aphorismen.de/gedicht/64610
Herzliche Grüße
Heike