Von Wolfgang Herdlitschka 20.04.2020 um 17:15 Uhr | melden
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˜"*°•˜ EIN HELLES LICHT ♥ ¤˜•°*"˜
˜"*°•˜ FÜR IHREN MARTIN ♥ ¤˜•°*"˜
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Liebe Frau Duda,
ich habe mir lange überlegt, ob ich Ihnen diese Zeilen
schreiben soll. Ich lese jeden Tag die Zeilen, die Sie
Ihrem Martin schreiben und ich möchte Ihnen sagen,
dass ich Sie sehr, wirklich sehr gut verstehe.
Auch wenn die „Schicksale“ unserer lieben Verstorbenen
nicht unbedingt vergleichbar sind, so ist offensichtlich
unsere Trauer vergleichbar – so zumindest sehe ich es.
Im Vergleich zu Ihrem Martin durfte meine Mutter einen
großen Teil ihres Lebens leben, aber schon bei meinem
Vater hat das ganz anders ausgesehen, er hat mit noch
nicht einmal 56 Jahren den Kampf gegen diesen teuf-
lischen Kampf verloren – und er wollte doch auch noch
so gerne leben und sein Leben noch eine Zeit lang ge-
niesen. Sowohl mein Vater, als auch meine Mutter sind
zu einem Zeitpunkt gestorben, als es für jeden von ihnen
wieder bergauf ging, als sich alles wieder langsam zum
Guten gewendet hat – beide haben aber keine Chance
gehabt, diese positive Entwicklung lange zu genießen
und da finden die „Schicksale“ unserer Verstorbenen
wieder zueinander.
Ich kann auch sehr gut nachfühlen, wie schlimm es für
Sie war und ist, Ihren Martin so vollkommen überraschend,
ohne die Möglichkeit des Abschieds an den Tod verloren
zu haben. Man kann ganz sicher nicht sagen, dass es
einfacher sei, wenn man einen lieben Angehörigen in
seinen letzten Monaten, Wochen, Tagen, Stunden, Mi-
nuten und Sekunden vor dem Tod begleiten kann. Aber
plötzlich mit dem Tod eines lieben Menschen konfrontiert
zu werden, der gerade noch da gewesen ist, das ist wirk-
lich hart und dafür gibt es auch keinen Trost, ganz egal
wieviel Zeit vergeht, dieser Schmerz bleibt und brennt
sich in die Seele – unauslöschbar!
Sie und Ihr Martin hatte das Leben noch vor sich, hatte
Träume, Ziele – und all das liegt nun in Trümmern vor
Ihnen! So ähnlich empfinde ich für meine verstorbenen
Eltern, auch sie hatte noch Träume, Ziele – kleine nur,
aber sie wollten noch leben und noch viele schöne
Jahre bei Ihnen Lieben sein, ihre Enkel aufwachsen
sehen und so vieles andere mehr. Mir ist es zeitlebens
immer wichtig gewesen, dass es den Menschen, die
mir im Leben wichtig sind gut geht und als ich dann
sowohl bei meinem Vater als auch bei meiner Mutter
hilflos mit ansehen musste, wie dieser verfluchte
Krebs sein teuflisches Werk verrichtete, da ist bei
mir innerlich so ziemlich alles zerbrochen, was nur
zerbrechen kann. Und ich glaube, Sie fühlen da so
ähnlich wie ich.
Der Tod meiner Mutter ist nun schon 3 ½ Jahre her
und der meines Vaters etwas über 25 Jahre, aber
der Schmerz, das Heimweh, die Sehnsucht, die sind
immer da und die werden auch bleiben und dieses
„nie wieder“, auch das ist immer da und wird auch
bleiben und mir jeden Tag auf`s Neue das Herz
zerquetschen.
Ich glaube, Ihnen geht es so ähnlich, auch Sie wissen
um diese „Endgültigkeit“, an die Sie jeden Tag Ihr
Verstand erinnert, aber gleichzeitig schreit auch
jeden Tag Ihr Herz ein „NEIN“, schreit ein „ich kann
und will das nicht akzeptieren“. Sicher meinen es
Menschen in Ihrer oder meiner Umgebung nicht
böse, wenn sie davon Reden, dass die Zeit alle
Wunden heilt, dass es unseren Verstorbenen sicher
gut geht, dort wo sie jetzt sind, oder dass das Leben
weitergeht.
Ich weiß nicht, ob „das Leben“ für einen weitergeht,
für mich ging und geht nur die Zeit weiter, ob man
das noch Leben nennen kann – ich weiß es nicht!
Auf jeden Fall ist es nicht mehr das Leben, das man
einmal geführt hat.
Ich weiß, dass meine Zeilen keinen Trost darstellen,
aber ich glaube auch, dass es für Trauernde wie uns
keinen wirklichen Trost gibt, dass nichts mehr „gut“
wird, denn dafür bräuchten wir die Menschen, die
uns jetzt fehlen, um die wir jetzt trauern – doch das
wird in diesem Leben nicht mehr geschehen und
dieses Wissen macht es nochmals merklich schwerer
mit alldem zurecht zu kommen, was geschehen ist.
Liebe Frau Duda, auch wenn Sie meine Zeilen nicht
wirklich trösten können und ich aus meiner eigenen
bisherigen Erfahrung nur sagen kann, dass mit der
Zeit die Trauer nur „anders“ aber niemals besser wird,
so wünsche ich Ihnen, dass es Ihnen gelingt, mit
Ihrer Trauer – irgendwie – zurecht zu kommen, Ihr
Leben weiterzuführen, so wie es ganz sicher Ihr
Martin gewollt hätte, auch wenn ich weiß, wie ver-
dammt schwer das alles ist und auch für den Rest
des Lebens so bleiben wird.
Ich glaube, Menschen wie wir haben zu viel Empathie
um „anders“ zu trauern, um so zu trauern, wie es
„die Gesellschaft“ von uns erwartet und so „irritieren“
wir unsere Mitmenschen, weil wir ganz offensichtlich
von dieser „Trauer-Norm“ abweichen und leider geht
man dann Trauernden wie uns sehr oft dann ganz
einfach aus dem Weg, um sich einfach nicht mehr
mit der Trauer auseinandersetzen zu müssen. Ich
bin froh, wenigstens eine verständnisvolle Frau zu
haben, die mich zumindest darin unterstützt, dass
sie mich trauern läßt, so wie ich es für angemessen
halte und solange ich eben brauche und wenn es
bis an mein eigenes Lebensende sein sollte. Doch
letzten Endes ist man mit seiner Trauer doch allein,
ganz egal, wie viele Menschen um einen herum
sind und wie sehr sie einen unterstützen.
In tiefer Verbundenheit,
Wolfgang Herdlitschka