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Von Sophia 27.03.2020 um 12:48 Uhr | melden
Liebe Elena,
vor fünf Jahren wurde klar, dass der Copilot das Flugzeug, in dem du und 148 weitere Menschen auf dem Weg nach Düsseldorf waren, abischtlich zum Absturz gebracht haben muss. Die Medien berichteten rund um die Uhr darüber und konnten es glaube ich selbst nicht fassen, genauso wie ich und viele andere Menschen, die schockiert vor dem Fernseher saßen. Das Entsetzen war überall greifbar,
Ich möchte dir heute dazu ein Erlebnis von mir erzählen, was ich bisher noch nicht erzählt hatte. Ich habe lange gezweifelt, weil ich die genauen Umstände deines Todes eigentlich nicht groß thematsieren will, aber ich muss es einfach mit dir teilen.
Am Freitag, den 20. März 2015 war ein sonniger Tag und ich war in der Schule, in einer 2. Klasse im Praktikum. Es war ziemlich warm für den März und die Kinder konnten sich in der sechsten Stunde nicht mehr gut konzentrieren, also beschloss die Lehrerin kurzerhand mit der Lehrerin der Parallelklasse, auf den Spielplatz schräg gegenüber zu gehen. Die Kinder spielten fröhlich miteinander, es gab keinen Streit, und so konnten wir drei Begleitpersonen daneben stehen und uns unterhalten.
Die eine Lehrerin fragte die andere, wie weit denn ihr Neffe (ich glaube, dass es der Neffe war, es kann aber auch eine andere Beziehung gewesen sein) mit seiner Pilotenausbildung wäre.
Er hat sie abgebrochen, antwortete sie darauf, er hatte zu viel Angst.
Wie ärgerlich, meinte die erste Lehrerin erstaunt, jetzt hat er doch so viel Zeit und Geld in diese Ausbildung investiert. Hätten seine Eltern ihm denn nicht geraten, weiterzumachen?
Die andere Lehrerin zuckte mit den Schultern. Naja, was willst du machen, erwiderte sie, wenn er Angst hat, sollte er das nicht machen... und dann sagte sie diesen Satz... Das ist ja dann auch gefährlich.
Ich weiß nicht mehr, wie weit ich den Gedanken in dem Augenblick weitergedacht hatte. Das Gespräch war dann vorbei und wir haben uns wieder den Kindern zugewendet. Ich habe nicht mehr dran gedacht, auch dann nicht, als mich vier Tage später die Meldung von der Flugzeugkatastrophe in Frankreich erreicht hat.
Aber als ich hörte, dass der Copilot schuld sein soll an dem Absturz, da traf mich die Erinnerung an dieses Gespräch wie ein Blitzschlag.
Ich möchte nicht sagen, dass diese beiden Piloten miteinander vergleichbar sind, auf keinen Fall.
Ich möchte auch nicht um Verständnis für den Copiloten werben, im Gegenteil. Angst hat nichts mit Mord zu tun.
Ich glaube auch nicht, dass dieses Erlebnis diese große Trauer in mir ausgelöst hat, es ist nur ein Aspekt von sehr vielen, und dein Verlust an sich spielt in meinem Kopf eine viel größere Rolle als die Tat.
Aber ich frage mich nun rückwärts betrachtet doch, ob bestimmte Ereignisse vorherbestimmt sind und ob Menschen, die von diesem Ereignis in besonderem Maße getroffen sein werden, vorab einen Hinweis darauf bekommen. Ob es so etwas wie Präkognition gibt, dieses Wort haben wir einmal im Reliunterricht gelernt und ich habe nicht verstanden, was das sein soll. Manchmal hadere ich sehr damit und denke, ich habe vier Tage vor dem Unglück gewusst, dass nicht alle Piloten flugtauglich sind. Ich hätte es verhindern müssen.
Ich frage mich auch, ob du, deine Mitschüler oder andere Menschen in diesem Flugzeug Dinge erlebt haben, denen ihr damals wenig Bedeutung beigemessen habt, von denen ihr jetzt im Nachhinein aber sagen könntet, das war eine Vorausdeutung. Oder eure Lieben.
Man muss natürlich aufpassen, denn mir ist auch bewusst, mit der nötigen Fantasie, von der ich vielleicht manchmal etwas zu viel habe, kann man für sich vieles als Vorausdeutung interpretieren.
Liebe Elena, ich hoffe du hast so wenig wie möglich nicht kommen sehen was passieren wird, sondern konntest dein Leben so lange wie möglich unbeschwert genießen. Ich hoffe auch, dort wo du jetzt bist, geht es dir gut und du bist nicht traurig oder haderst mit dem was passiert ist. Auch wenn du sicher so gerne bei deiner Familie und deinen Freunden wärst... glaub mir, wir sind bei dir, wir denken an dich jeden Tag.
Deine Sophia