Wir konnten nicht richtig Abschied nehmen
Wir konnten nicht richtig Abschied nehmen – Trauerbewältigung ohne Leichnam
Der Beginn des Trauerprozesses ist im Normalfall das Abschied nehmen vom verstorbenen Menschen. Dieses Ritual führt vor Augen, dass der Tod Realität ist, dass falsche Hoffnung und Leugnen zwecklos sind. Man sieht den Leichnam ein letztes Mal, man bezeugt, wie er der Erde oder dem Feuer übergeben wird, ein Schlussstrich wurde gezogen, der den Beginn der nächsten Phase kennzeichnet.
Nun gibt es jedoch Fälle, in denen kein Leichnam vorhanden ist. Dies kann bei einer frühen Fehlgeburt der Fall sein, wenn das Krankenhaus den Fötus selbst entsorgt. Auch eine Naturkatastrophe oder ein Unglück können es verhindern, dass sterbliche Überreste für eine Bestattung zur Verfügung stehen. Desweiteren steht für den Abschied kein Leichnam zur Verfügung, wenn der verstorbene Mensch seinen Körper als Körperspende für medizinische Zwecke zur Verfügung gestellt hat oder verschollen ist und für tot erklärt wurde.
Für die Hinterbliebenen ist jedoch das Ritual der Bestattung sehr wichtig, um Abschied nehmen zu können und sich mit der Realität des Todes ab zu finden. Was kann man also tun, wenn kein Leichnam für eine Bestattung zur Verfügung steht?
Bestattung ohne Leichnam
Wenn aus den oben genannten Gründen oder anderen kein Leichnam bestattet werden kann, so kann man das Ritual des Abschiednehmens dennoch durchführen. Dabei hat man verschiedene Möglichkeiten.
Traditionelle Bestattung mit einem leeren Sarg oder einer leeren Urne
In vielen Fällen ist es möglich, auch ohne Leichnam eine Grabstätte zu erwerben und eine normale Bestattungsfeier abzuhalten, nur dass Sarg oder Urne dabei leer bleiben. Die Feier und die Zeremonie werden aber genau so durchgeführt, so dass der Trost des Rituales seine Wirkung entfalten kann.
Für manche Trauerenden ist jedoch das Bewusstsein zu stark, dass der Verstorbene nicht mit seinen sterblichen Überresten physisch anwesend ist – sie empfinden diese Form der Bestattung als Lüge und können keinen Trost daraus schöpfen.
Trauerfeier mit einem Bild und ohne Grabstätte
Deshalb entscheiden sich manche Angehörige dafür, statt eines leeren Sarges oder einer leeren Urne für die Trauerfeier ein Bild des Verstorbenen als zentralen Mittelpunkt für die Feier zu nehmen. Wenn die Feier beendet ist, kann die Trauergemeinde dann an einer Gedenkstätte des Friedhofs ihre Blumen und letzten Gaben ablegen; ein spezielles Grab gibt es dann oft nicht.
Trauerfeier mit virtueller Grabstätte
Das Internet verändert auch unsere Trauergewohnheiten, und so hat es sich in vielen Fällen eingebürgert, zusätzlich oder anstatt eines physischen Grabes eine virtuelle Grabstätte im Internet zu schaffen, die den benötigten Anlaufpunkt darstellt. Die Trauerfeier kann dabei in der Realität oder auch im Internet statt finden; die Entscheidung hängt sicher davon ab, wo die gewünschten Teilnehmer räumlich angesiedelt sind.
Private symbolische Bestattung
Manche Hinterbliebenen wählen auch ein ganz persönliches Ritual. Sie bestatten dann symbolisch den Verstorbenen, indem sie zum Beispiel einen Gegenstand, der dem Verstorbenen lieb und teuer war, an seiner Statt an einem bedeutsamen Ort beisetzen. Diese symbolische Grabstätte kann dann für die spätere Zeit die Trauerstätte sein, an der man des Verstorbenen gedenkt und sich seiner erinnert. Allerdings ist es an diesen symbolischen Grabstätten oft nicht möglich, eine Gedenktafel oder ähnliches aufzustellen.
Innerer Abschied ohne äußere Bestattung
Eine andere Möglichkeit ist es, eine gemeinsame Feier für den Abschied zu gestalten, bei der jeder Teilnehmer einen ganz privaten inneren Abschied vollzieht. Jeder der Trauergäste bekommt im Rahmen dieser Feier die Gelegenheit, sich den verstorbenen Menschen an dem Ort vorzustellen, an dem er ihn am glücklichsten wähnt. Das erlaubt dem Einzelnen, seine persönliche Glaubensvorstellung und sein ganz individuelles Abschiedsritual ein zu bringen und so einen inneren Ort der Erinnerung und Begegnung zu schaffen, an den sie zur Zwiesprache jederzeit zurück kehren können.
Reise zum Sterbeort
Manche Menschen ziehen es allerdings vor, ihren Abschied am Sterbeort zu vollziehen. So besuchen sie vielleicht die Stätte des Unglücks, an der der Verstorbene umgekommen ist, weil das der letzte Ort war, an dem er oder sie physisch präsent war. Für die Hinterbliebenen ist das dann die letzte Ruhestätte, auch wenn sie nicht spezifisch gekennzeichnet ist.
Wofür soll man sich entscheiden?
Da es verschiedene Möglichkeiten gibt, den Abschied auch ohne Leichnam zu gestalten, kann man sich vorher zwei Fragen stellen, die die Entscheidungsfindung erleichtern können.
Brauche ich einen speziellen Ort der Erinnerung?
Wem es tröstlich erscheint, einen ganz speziellen Ort zur Begegnung und Erinnerung zu haben, der sollte sich dafür entscheiden, eine Grabstätte zu kaufen oder einen privaten Ort zu definieren oder zu schaffen, an dem für ihn der verstorbene Mensch präsent ist. Dort kann man dann seine Liebe zeigen und seinen Verlust betrauern, das Grab schmücken und pflegen und sich den Trost eines besonderen Ortes gönnen.
Möchte ich gemeinsam Abschied nehmen?
Wenn man das Ritual des Abschieds gemeinsam zelebrieren möchte, so bietet sich eine Trauerfeier mit leerem Sarg oder einem Bild des Verstorbenen an, auch eine gemeinsame Reise zum Sterbeort kann ein tröstlicher Abschied sein.
Wer lieber allein Abschied nehmen möchte, kann auch in seiner Phantasie oder in der Realität verschiedene wichtige Stationen aufsuchen, die eine innige Verbindung zum Verstorbenen haben. So kann man Schritt für Schritt einen ganz privaten Abschied vollziehen.
Es ist sicher sehr schwierig, ohne den Leichnam würdig Abschied zu nehmen, aber die verschiedenen Möglichkeiten, die es dennoch gibt, können helfen, diesen schmerzlichen Schritt trotzdem zu gehen. Und auf jeden Fall wird der Verstorbene in den Herzen seiner Angehörigen und Freunde weiter leben, egal, ob man seinen Körper bestatten konnte oder nicht.
Oliver Schmid ist Gründer von Gedenkseiten.de, seit 2009 Internet-Unternehmer und Experte für Inbound Marketing mit Hauptsitz in Friedrichshafen.
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