Trauerbeflaggung
Die Flagge ist ein uraltes Herrschaftssymbol und stand früher nur angesehenen und mächtigen Personen zur Verfügung. Die ersten Flaggen wurden schon vor mittlerweile siebentausend Jahren eingesetzt und haben sich seitdem vom persönlichen Symbol zum Symbol einer Nation weiterentwickelt, wie es zum Beispiel die deutsche offizielle Flagge ist.
Der Gebrauch der Flaggen hat sich im Lauf der Zeit dann ausgeweitet, so dass nicht mehr nur Kriegsherren oder Könige, sondern auch wirtschaftliche Vereinigungen wie Handelshäuser oder Gilden ihre eigenen Flaggen führten. Dies ist bis heute so geblieben, haben doch viele Vereine ihre eigene Fahne, die bei bestimmten Anlässen gehisst und begeistert geschwenkt wird. Und auch vor dem Eingang großer Unternehmen flattert die Unternehmensflagge stolz im Wind.
Die Flagge als Erkennungszeichen
Seit alters her wurden Flaggen viel bei kriegerischen Auseinandersetzungen eingesetzt, denn sie erlaubten es, schon auf große Distanz Freund und Feind zu unterscheiden. Dieses war zu Land und zu Wasser wichtig, auf See vielleicht am wichtigsten. Denn die Schiffe waren nicht so schnell manövrierfähig, und wurde ein Gegner zu spät als solcher erkannt, konnte das tödliche Folgen haben – daher der Spruch „unter falscher Flagge segeln“, der besagt, dass man sich mit einer falschen Flagge an den Gegner angeschlichen hat, bis man ihn angreifen konnte.
Aus der Seefahrt stammt auch der Brauch, die Flagge auf Halbmast zu setzen, was heute als Trauerbeflaggung üblich ist. Er soll entstanden sein, so sagt eine Interpretation, um die Kapitulation anzuzeigen und der Flagge des Todes den Siegerplatz frei zu machen. In der Tat war es üblich, dass ein Schiff zum Zeichen der Kapitulation die Segel strich. Dies war jedoch ein aufwändiger und zeitraubender Prozess, während dessen sich das Schiff weiter unter Beschuss befand. Es ging schneller, die Flagge auf Halbmast zu setzen, um die Kapitulation zu signalisieren, so dass sich dieser Brauch einbürgerte.
Den obersten Platz auf der Fahnenstange bekam dann die Flagge des Siegers. So hat sich im Lauf der Zeit das Setzen der Flagge auf Halbmast als ein Zeichen des Respekts gegenüber Höhergestellten etabliert und wurde irgendwann auch dazu genutzt, einem verstorbenen Menschen durch das Hissen der Flagge auf Halbmast die letzte Ehre zu erweisen.
Trauerbeflaggung in Deutschland
Eine offizielle Trauerbeflaggung wird in Deutschland vom Innenminister des Bundes oder der Länder angeordnet. Standardmäßig werden die Flaggen auf Halbmast gesetzt am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus – das ist der 27. Januar – sowie am Volkstrauertag, der immer zwei Sonntage vor dem ersten Adventssonntag begangen wird. An beiden Tagen gedenkt man der unzähligen Toten und Opfer der Kriege vergangener Zeiten.
Im Einzelfall können zu bestimmten Ereignissen bundesweit oder örtlich beschränkt Trauerbeflaggungen angeordnet werden. So wurden in Nordrhein-Westfalen die Flaggen auf Halbmast gesetzt, um der Opfer der Love Parade zu gedenken; zu Ehren des erschossenen Staatsanwaltes Turck wurde in mehreren Bundesländern die Trauerbeflaggung angeordnet.
Die Anlässe zur Trauerbeflaggung sind jedoch sehr vielfältig. Sie wird auch angeordnet, um ein sichtbares Zeichen des Mitempfindens zu geben. So kann eine Stadt ihrer europäischen Schwesterstadt ihr Mitgefühl bekunden, wenn sie wegen der Opfer einer Katastrophe trauert. Aber auch zu wichtigen Daten wie dem Beginn des Mauerbaus wird regional oder bundesweit die Trauerbeflaggung angeordnet. Weitere Anlässe sind das Ableben von Staatsoberhäuptern oder anderen wichtigen Personen, die sich um das Gemeinwohl verdient gemacht haben, oder andere historische Ereignisse.
Regeln für die Trauerbeflaggung
Das offizielle Protokoll für eine Trauerbeflaggung ist sehr streng und regelt im Einzelnen, welche Fahnen wie und in welcher Reihenfolge auf Halbmast zu setzen sind. Die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Trauerbeflaggung schreibt vor, dass morgens die Flagge zuerst bis zur Mastspitze gehisst wird und dann auf etwas mehr als die halbe Masthöhe gesetzt wird. Am Abend wird die Flagge auch wieder erst bis zur Mastspitze hochgezogen und erst dann eingeholt. Grundsätzlich müssen offizielle Fahnen über Nacht eingeholt werden, es sei denn, sie werden angestrahlt.
Diese Regeln gelten für die offiziellen Fahnen, die bei einer Trauerbeflaggung eingesetzt werden. Hat man eine Hausflagge gehisst, so wird diese eigentlich nicht auf Halbmast gesetzt, sondern mit einem Trauerflor versehen. Grundsätzlich kann jeder Bürger eine Flagge verwenden und sie auch als Trauerbeflaggung nutzen, solange es sich nicht um die offizielle Dienstflagge handelt.
Diskussionen um die Trauerbeflaggung
In Deutschland wird grundsätzlich das Thema der Beflaggung und auch der Trauerbeflaggung immer wieder kontrovers diskutiert. Eine stolz gehisste Flagge wird regelmäßig als Symbol für rechtsgerichtete Tendenzen interpretiert, darum ist in Deutschland das Hissen der Flagge an Privathäusern sehr selten – besonders im Vergleich zu Staaten wie den USA, die offen zu ihrem Nationalstolz stehen, und in denen sehr viele Bürger ihre Flagge im Vorgarten hissen. Ausnahmen gibt es natürlich auch: Zu sportlichen Ereignissen wie einer Fußballweltmeisterschaft wimmelt auch Deutschland vor fröhlich knatternden Fahnen, und das ganze Land erstrahlt in Schwarz-Rot-Gold. Aber sie verschwinden schnell wieder, wenn das Ereignis vorbei ist.
Streit und Kontroversen gibt es immer wieder, wann eine Trauerbeflaggung angeordnet werden soll. Wenn ein ausländischer Staatsmann gestorben ist, der aber unter seinem Regime die Menschenrechte missachtet hat, so ist das Lager gleich gespalten, welchem Aspekt man den Vorrang einräumen soll: der Funktion oder der Ethik und Moral. Daher geben Trauerbeflaggungen immer wieder Anlass zu heftigen Diskussionen in Politik und Gesellschaft.
Trauerbeflaggung – ein starkes Symbol mit emotionaler Wirkung
Vielleicht sind die Diskussionen im Umfeld einer bestimmten Trauerbeflaggung ja deshalb so heftig, weil starke Emotionen mit im Spiel sind. Die Flagge auf Halbmast sagt ja symbolisch aus, dass eine Region oder eine ganze Nation ihr Haupt senkt im Gedenken an einen Menschen oder Anlass und so öffentlich sichtbar ihren Respekt erweist. Und auch der ritualisierte Vorgang des Hissens der Flaggen hat eine emotionale Kraft, der sich die Beobachter schwer entziehen können.
Der Symbolwert der Flagge ist selbst bei den Gegnern einer Beflaggung dennoch – manchmal unbewusst – vorhanden und tritt dann in Extremfällen schnell zum Vorschein. Wenn man im Fernsehen sieht, wie eine hasserfüllte Gruppe fanatischer Gegner auf der eigenen Landesflagge herum trampelt, so jagt das fast jedem einen Schauer über den Rücken, denn sie treten symbolisch auf einen selbst.
Sicher zieht es wegen dieser symbolischen und emotionalen Wirkung auch der ein oder andere Familienangehörige in Betracht, dem verstorbenen Menschen zu Ehren eine Trauerbeflaggung zu hissen. Das ist natürlich jedem selbst überlassen, bedenken sollte man dabei allerdings immer die Reaktionen des Umfeldes, die dadurch provoziert werden. Denn die starke Symbolkraft und das zwiespältige Verhältnis, welches viele Bundesbürger mit dem Thema Nationalstolz und Staatssymbole haben, kann im ein oder anderen Fall sicher zu Missverständnissen oder Verstimmungen führen, die gerade bei dem traurigen Anlass besonders unwillkommen sind.
Irene Becker studierte Romanistik (Französisch, Spanisch) und Wirtschaftwissenschaften an der WWU in Münster, machte eine mehrjährige psychologische Ausbildung in Deutschland, der Schweiz, England und den USA, schreibt Bücher und ist seit 1994 selbstständig im Bereich Beratung, Personalentwicklung, Training und Coaching.
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