Tod und Trauer im Internet
Und, wie viele Deiner Facebook-Freunde und Twitter-Follower sind tot? Was passiert mit ihnen – löschen, ignorieren oder entfreunden? Was soll mit Deinen Social Media-Profilen passieren, wenn Du mal nicht mehr bist? Das sind Fragen, mit denen wir uns bislang glücklicherweise selten beschäftigen mussten. Aus Rücksicht auf uns und unsere Angehörigen sollten wir ihnen nicht mehr länger ausweichen. Lasst uns zu diesem Thema Gedanken machen, austauschen und Öffentlichkeit herstellen. Kurzum: Lasst uns eine Blogparade “Tod und Trauer im Internet” starten!
Mit diesen Worten haben Birgit Aurelia Janetzky und Jörk Eisfeld-Reschke am 15.10.2012 zu einer Blogparade zum Thema „Tod und Trauer im Internet“ aufgerufen. Gerne möchte ich mich hier mit einigen Gedanken beteiligen.
Der Tod und die eigene Sterblichkeit sind für viele Menschen Tabuthemen geworden, die sie so gut wie möglich aus ihrem Leben und Denken verbannen wollen. Umso härter trifft es sie dann, wenn sie zum ersten Mal mit dem Tod konfrontiert werden – Angst und Hilflosigkeit sind neben der Trauer dominante Emotionen. Angst vor dem eigenen Tod, Schmerz über den Verlust eines geliebten Menschen, Hilflosigkeit angesichts der Situation. Viele suchen dann Trost und Unterstützung, und das tun sie dort, wo sie auch sonst Hilfe finden können – im Internet.
Wie hat sich die Trauerarbeit durch und mit Social Media verändert?
Lange Zeit war er aus dem Bewusstsein verdrängt und ins Abseits von Krankenhäusern und Heimen geschoben worden – aber jetzt wird der Tod wieder öffentlich wie noch nie. Jeder kann eine Gedenkseite besuchen, sich das Profil eines verstorbenen Menschen ansehen, seine Gedanken und Gefühle anderen mitteilen und auch an ihren Gedanken teilhaben.
Man trauert nicht mehr still und im Verborgenen, sondern geht mit seinen Gefühlen online an die Öffentlichkeit. Es scheint leichter zu sein, seine Trauer in einem Blogpost zu äußern, als sie persönlich auszusprechen. Für viele Menschen ist es wohl ein Trost, dass sie auf diese Weise ihre Trauer bekunden können und auch an den Gedanken und Gefühlen anderer teilhaben können. Man ist mit seinem Schmerz nicht allein, man kann ihn teilen und aus den Anmerkungen der anderen Trost und Hoffnung schöpfen.
Allerdings besteht die Gefahr, dass Mitgefühl und Empathie sich auf Tweets und Blogposts reduzieren und die echte menschliche Kommunikation auf der Strecke bleibt. Sicher ist es einfacher, sein Beileid in ein paar kurzen Zeilen im Internet auszudrücken, als dies von Angesicht zu Angesicht zu tun, aber die Gegenwart eines mitfühlenden Menschen, der einem eine Schulter zum Ausweinen anbietet, ist dadurch eben nicht zu ersetzen.
Welche Chancen oder Gefahren seht ihr, wenn Menschen das Internet in Zeiten der Trauer nutzen?
Die Chancen der Trauer im Internet liegen sicherlich darin, dass man für seine Emotionen ein Ventil hat und sich anderen mitteilen kann. Gefühle, über die man sprechen kann, sind leichter zu ertragen; der Austausch schenkt etwas Erleichterung.
Man lernt auch die Gedanken anderer Menschen kennen und findet den einen oder anderen wahrscheinlich tröstlich und hilfreich. So kann eine virtuelle Gemeinschaft entstehen, die sich gegenseitig hilft und unterstützt.
Zudem bietet das Internet die Gelegenheit, die Erinnerungen an den verstorbenen Menschen lebendig zu halten. Man kann die Posts noch einmal lesen, sich die Fotos und Videos ansehen und so glückliche Momente noch einmal erleben. Das Internet vergisst nichts, und so kann man sicher sein, dass diese Erinnerungen jederzeit wieder abgerufen werden können.
Allerdings liegt darin auch eine große Gefahr. Wenn man sich gerade zu Beginn der Trauerarbeit diese Erinnerungen immer wieder ansieht, so macht man es sich selber schwer, den Verlust des Menschen endgültig zu akzeptieren und los zu lassen. Man verliert sich in der virtuellen Welt, wo der Mensch noch zu leben scheint, und möchte diese Illusion nicht mit der harten Wirklichkeit tauschen.
Deshalb kann es schnell passieren, dass man in seiner Trauerarbeit fest steckt und in der Phase des Ignorierens und der hoffnungslosen Sehnsucht verharrt. Der tägliche Besuch auf den Seiten kann zur Sucht werden, die Rückkehr in das normale Alltagsleben ohne den verlorenen Menschen wird verweigert.
Daher sollte man gerade in der ersten Zeit nach dem Todesfall seine Besuche auf den Seiten des verstorbenen Menschen etwas limitieren. Wenn man dann in einer späteren Phase der Trauerarbeit den Tod akzeptiert und als Faktum in sein Leben integriert hat, ist man besser gerüstet, sich wieder intensiver mit seinen Erinnerungen zu beschäftigen.
Wie schätzt ihr das Potential, die Vor- und Nachteile von Webdiensten ein, mit denen Nachrichten nach dem Tod versendet werden?
Das Potenzial solcher Nachrichtendienste (Facebook, Twitter, Google+ uvm.) liegt sicher in der großen Reichweite, die sie haben. Auf diese Weise kann man schnell und unkompliziert eine Vielzahl von Menschen von dem Todesfall informieren. Oder der verstorbene Mensch kann an alle seine Freunde eine letzte Botschaft richten und ihnen noch etwas Tröstliches mitteilen.
Allerdings bedeutet das natürlich, dass man sich aktiv mit dem Tod und der eigenen Sterblichkeit beschäftigen muss. Verdrängen ist dann nicht mehr möglich, sondern man muss sich mit der Tatsache, dass man sterben wird, aussöhnen. Menschen, die dieses geschafft haben, sind jedoch sehr inspirierende Vorbilder, von denen man sich trösten und ermutigen lassen kann.
Brauchen wir jetzt alle ein Testament für unseren digitalen Nachlass?
Es ist sicher eine sinnvolle Maßnahme, rechtzeitig darüber nach zu denken, was mit dem eigenen digitalen Nachlass geschehen soll. Viele Menschen sind in den unterschiedlichsten virtuellen Räumen unterwegs, von denen die Angehörigen zum Teil gar nichts wissen (und womöglich auch nichts erfahren sollen). Deshalb liegt es in der eigenen Verantwortung, ihnen zumindest alle notwendigen Daten zur Verfügung zu stellen, damit sie entscheiden können, wie sie mit den Accounts verfahren möchten.
Noch einfacher ist es für die Hinterbliebenen sicher, wenn man diese Entscheidungen selber trifft und in der Tat eine Art Testament für seinen digitalen Nachlass verfasst. Auf jeden Fall sollte man alle wirtschaftlichen und finanziellen Accounts, die man im Internet hat, offenlegen und bestimmen, wie damit verfahren werden soll. Lässt man sie einfach weiter bestehen, so läuft man Gefahr, dass diese Accounts möglicherweise einmal missbraucht werden.
So versetzen Sie das Facebook-Konto in den Gedenkmodus
Mit diesem Formular können Sie das Konto in den Gedenkmodus versetzen: facebook.com/help/contact.php?show_form=deceased
Wenn das Konto eines Verstorbenen in den Gedenkzustand versetzt wird, kann dessen Profil nur noch von bestätigten Freunden angesehen werden. Beachten Sie bitte, dass Facebook zur Wahrung der Privatsphäre des Verstorbenen die Anmeldeinformationen für dieses Konto nicht herausgeben kann. Facebook kommt jedoch der Anforderung von engen Verwandten nach das Konto vollständig zu löschen.
Entfernung des Kontos: Unmittelbare Familienangehörige können die Entfernung der Konten von Verstorbenen beantragen. Dadurch wird das Konto vollständig von Facebook entfernt, damit es niemand sehen kann. Facebook wird das Konto weder wiederherstellen noch Informationen über seine Inhalte herausgeben, es sei denn dies ist gesetzlich erforderlich. Sollten Sie eine Entfernung des Kontos von Facebook beantragen, aber kein unmittelbarer Familienangehöriger sein, wird Ihre Anfrage nicht bearbeitet. Allerdings wird das Konto in den Gedenkzustand versetzt.
Weitere Informationen hier: facebook.com/help/?page=842
Ob man seine sozialen Seiten weiter bestehen lassen möchte oder sie lieber löscht und seine Angehörigen bittet, später eine eigene Gedenkseite einzurichten, muss natürlich jeder selbst entscheiden. Für die Community ist es auf jeden Fall wichtig, dass sie weiß, dass der Accountinhaber verstorben ist – wie auch immer man dies auf der Seite kenntlich macht.
Ein Testament für das digitale Erbe
Jörg Eisfeld-Reschke hat diesen Schritt bereits getan. Auf seinem Blog hat er einen Testament - Abschnittt zum Digitalen Erbe verfasst. Ausführlich geht er darauf ein, was mit seinen Internetseiten und Online-Profilen geschehen soll. Auch das seine Erben auf die Schutzdauer der Urheberrechte an seinen Werken verzichten und sie gemeinfrei zur Verfügung stellen wird erläutert. Jörg Eisfeld-Reschke stellt ebenso klar, dass anlässlich seines Todes seine Familie und Freunde zu einer Spende zugunsten einer gemeinnützigen Organisation aufrufen sollen.
Zu ergänzen sei hier noch, das dieses Testament in der aktuellen Form vermutlich ungültig ist. Das Testament muss handschriftlich verfasst werden und mit einem Datum, dem Ort der Erstellung und der eigenen Unterschrift versehen sein. Erst dann ist das Testament rechtswirksam.
Mein Vorschlag: Formulieren Sie ein Testament für den digitalen Nachlass auf Ihrem Blog, drucken Sie dieses anschließend aus und schreiben Sie es handschriftlich ab.
Außerdem ist Folgendes zu beachten: Damit Menschen, gleich ob sie Ehe- oder Lebenspartner sind, in ihrem Namen für Sie handeln können, also einen berechtigten Zugriff auf z.B. Internetseiten, Online-Profile usw. haben, muss jemand konkret bevollmächtigt werden. Tipp: Diese Vollmacht sollte bei einem Notar erstellt werden, um die höchstmögliche Rechtssicherheit herzustellen (Dies ist keine Rechtsberatung).
Weitere Gedanken zum Thema "Tod und Trauer im Internet":
- Wir gehen – die Daten bleiben (www.herr-e-aus-b.de)
- Digitaler Nachlass in sozialen Netzwerken (www.beileid.de)
- Der digitale Tod (www.ihk-nuernberg.de)
- Das digitale Erbe (www.brandeins.de)
- Tod und Trauer im Internet (convelakultur.wordpress.com)
- Tod und Trauer in Zeiten des Internet (berlinmachtgluecklich.wordpress.com)
- Datenschutz endet mit dem Tod – Umgang mit dem digitalen Nachlass
- Digitales Leben nach dem Tod? (server-haben-rechte.de)
- Mein Testament - Das öffentliche Testament von Oliver Schmid
Oliver Schmid ist Gründer von Gedenkseiten.de, seit 2009 Internet-Unternehmer und Experte für Inbound Marketing mit Hauptsitz in Friedrichshafen.
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