Pränatale Diagnostik - Konsequenz Abtreibung?
Die Medizin macht unaufhaltsam Fortschritte, und so entwickelt sich auch das Gebiet der Diagnostik immer weiter. Ein spezieller Bereich ist die pränatale Diagnostik, die mit immer mehr Verfahren aufwarten kann. Ist der Ultraschall heutzutage ein weit verbreitetes Verfahren in diesem Bereich, so erlauben es moderne Methoden, viel früher viel weiter gehende Erkenntnisse zu gewinnen.
Möglichkeiten der pränatalen Diagnostik
Durch verschiedene Untersuchungsverfahren können mittlerweile schon in einem sehr frühen Stadium viele Erkenntnisse über den Fötus gewonnen werden. So lassen sich Erbkrankheiten erkennen, genetische Defekte und Missbildungen sowie andere Krankheiten, die schon zu Beginn der Schwangerschaft das Ungeborene befallen können.
Bei einigen dieser Erkrankungen gibt es Maßnahmen, die schon im Mutterleib ergriffen werden können und die Krankheit frühzeitig heilen können. Bei anderen Defekten hingegen gibt es keine Möglichkeiten, darauf Einfluss zu nehmen; das ist bei den meisten genetischen Defekten der Fall.
Konsequenzen der pränatalen Diagnostik
Wird ein genetischer Defekt am Fötus fest gestellt, der zu einer körperlichen oder geistigen Behinderung des Fötus führen würde, so ist für viele Paare die Konsequenz eine Abtreibung. Je früher diese Erkenntnis gewonnen wird, desto leichter fällt es den Paaren, diesem Schritt zuzustimmen.
Auf der anderen Seite verändert die Möglichkeit der pränatalen umfassenden Diagnostik das Erleben und die Wahrnehmung der Schwangerschaft gravierend. Viele werdende Mütter empfinden die ersten Wochen der Schwangerschaft bis zum Vorliegen der Ergebnisse sozusagen als Schwangerschaft auf Probe und lassen sich noch nicht voll emotional auf eine innerliche Bindung zu ihrem Kind ein. Dies erleichtert ihnen dann den möglichen Entschluss zu einer Abtreibung, wenn die Diagnose ihnen dies ratsam erscheinen lässt.
Ethische Dilemmata der pränatalen Diagnostik
Sicher hat die pränatale Diagnostik für viele Menschen gesundheitliche Vorteile, wie das Beispiel Zypern zeigt. Dort war eine genetisch vererbte Blutkrankheit sehr verbreitet. Seit die pränatale Diagnostik und eine eventuelle Abtreibung kostenlos angeboten werden, ist die Zahl der Erkrankten massiv gesunken.
Auf der anderen Seite macht sich natürlich nicht ganz zu Unrecht die Befürchtung breit, dass diese Form der Früherkennung dazu führen könnte, dass nur noch perfekte Kinder das Licht der Welt erblicken werden. Denn die Diagnostik lässt sich ja in der Zukunft von reinen Krankheiten auch auf andere Merkmale wie Haarfarbe, Größe und weiteres ausdehnen, so dass nur ein genetisch gefälliger Fötus auch ausgetragen wird; alle anderen werden abgetrieben. In China zum Beispiel ist das in gewisser Weise schon der Fall, werden dort doch aufgrund der Ein-Kind-Politik weibliche Föten sehr häufig abgetrieben.
Die Eltern sehen sich einer Entscheidung über Leben und Tod ausgesetzt, die sei vielleicht eigentlich gar nicht treffen wollen – ein Grund, warum manche Paare diese umfassende Art der Diagnostik ablehnen. Sie müssen sich im Fall eines behinderten Kindes dann aber immer öfter mit Vorwürfen auseinander setzen, warum sie nicht die Möglichkeiten der Medizin genutzt haben, um dies zu verhindern.
So wird quasi den Müttern die Schuld zugeschrieben, einem Menschen ein Leben mit einer Behinderung zuzumuten. Denn durch die immer umfassendere Diagnostik entsteht allgemein der Eindruck, alle Fehlbildungen und Behinderungen seien vermeidbar und daher die Schuld der Eltern. Den Eltern wird dann sogar Egoismus unterstellt, dass sie zur Befriedigung ihres Kinderwunsches einen Menschen zu einem Leben mit einer Krankheit oder Behinderung verdammt haben.
Dahinter steht aber implizit die Vorstellung, das Leben eines behinderten Menschen sei ohnehin nicht so lebenswert wie das eines gesunden Menschen. Dass es einfach anders, aber genauso lebenswert sein kann, wie es zum Beispiel Menschen mit dem Down-Syndrom selbst empfinden, verschwindet dabei wieder aus dem Bewusstsein. Sicher gibt es Behinderungen, die es wahrscheinlich machen, dass die Lebensqualität des Menschen, der daran leidet, nicht sehr hoch ist, aber wie will man sich von außen zum Richter darüber aufschwingen, fragen sich viele Menschen.
Andererseits müssen die Paare, die sich auch bei einem festgestellten Defekt des Fötus für das Austragen entscheiden, damit leben, dass sie diesen Menschen zu einem Leben mit diesem Defekt verurteilt haben. Und das kann dann dazu führen, dass die Eltern von ihrem eigenen Kind verklagt werden, dass sie es nicht abgetrieben haben und Schadensersatz zahlen müssen – solche Urteile hat es in einigen Ländern schon gegeben.
Deshalb kann man diese Entscheidung sicher nur den einzelnen Eltern überlassen, die jedes Recht haben, in der einen oder anderen Richtung zu entscheiden. Denn schließlich müssen sie ja mit der Entscheidung und ihren Konsequenzen leben; und man kann es keinem Menschen vorwerfen, wenn er glaubt, dass er oder sie nicht die Kraft dazu hat, sich um ein behindertes Kind zu kümmern.
Rechtliche Aspekte der pränatalen Diagnostik
Nicht nur müssen die Eltern eines behinderten Kindes befürchten, von diesem später verklagt zu werden, auch die Ärzte sehen sich immer stärker einem Dilemma ausgesetzt. Denn sie können von den Eltern verklagt werden, wenn sie sie nicht umfassend über die aktuellen Möglichkeiten der pränatalen Diagnostik informiert haben und die Eltern dann ein behindertes Kind bekommen, welches sie mit dem Wissen um die Behinderung abgetrieben hätten.
So bleibt es nicht mehr der persönlichen Einstellung des Arztes überlassen, was er seinen Patienten erklärt und empfiehlt, sondern er ist immer mehr in der Pflicht, die Möglichkeiten in diesem Bereich ausführlich dar zu legen. Allerdings werden die Ärzte bei der Beratung ihrer Patienten von speziellen Beratungsstellen unterstützt, die die Eltern zum Beispiel bei Genveränderungen umfassend informieren können.
In welchem Umfang man die pränatale Diagnostik nutzt, bleibt also nach wie vor den Eltern überlassen. Anzuraten ist sie aber sicher, wenn bekannt ist, dass Erbkrankheiten in der Familie vorliegen oder aufgrund besonderer Umstände mit einer Krankheit oder schweren Schädigung beim Fötus zu rechnen ist. Alles weitere bleibt dann der persönlichen Einstellung der Eltern überlassen – und diese Entscheidung sollte man in jedem Fall respektieren.
Weiterführende Links
www.down-syndrom.org
Die Seite, die von Bertroffenen bzw. ihren Angehörigen gestaltet worden ist, bietet eine ausführliche kritische Auseinandersetzung mit dem Thema sowie eine weiterführende Textsammlung zum Leben mit dem Down-Syndrom.
Link: www.down-syndrom.org
Bundesärztekammer
Hier veröffentlicht die Bundesärztekammer ihre Richtlinien zur Pränatalen Diagnostik von Krankheiten und Krankheitsdispositionen.
Link: www.bundesaerztekammer.de
APPELLA – Schweizer Informations- und Beratungstelefon
Das Schweizer Informations- und Beratungstelefon setzt sich auf seiner Seite kritisch mit dem Thema auseinander; verschickt auch kostenlos Broschüren.
Link: www.appella.ch/Diagnostik
Aktion Mensch e.V. - Aufklärung
"Ein gesundes Kind zu haben" ist für Professor Manfred Hausmann von der Universitätsklinik in Bonn, "ein verständlicher Wunsch, den man nicht verteufeln sollte". Doch der Arzt, der als führender Ultraschall-Experte in Deutschland gilt, warnt vor der Vorstellung, dass "wir alles beherrschen können". Damit könnten wir uns in eine gefährliche Richtung bewegen.
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de.wikipedia.org/wiki/Pränataldiagnostik
Der Begriff Pränataldiagnostik (Abkürzung PND; zusammengesetzt aus lat. prae/ vor und natal/ geburtlich, siehe pränatal, sowie Diagnostik) bezeichnet Untersuchungen an ungeborenen Kindern (Föten) und schwangeren Frauen (vgl. auch Früherkennung von Krankheiten).
Link: de.wikipedia.org/wiki/Pränataldiagnostik
Oliver Schmid ist Gründer von Gedenkseiten.de, seit 2009 Internet-Unternehmer und Experte für Inbound Marketing mit Hauptsitz in Friedrichshafen.
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