Ist Suizid nicht vielleicht wirklich die bessere Wahl?
Wenn man vom Freitod eines Menschen hört, kann das sehr erschütternd sein. So ist ja derzeit das Thema Freitod von Kindern und Jugendlichen nach Mobbingaktivitäten im realen Leben und im Netz in aller Munde, seit Amanda Todd ihr berührendes Video kurz vor ihrem Freitod ins Netz gestellt hat. Ein so junges Leben, das so qualvoll war, dass die Jugendliche keinen anderen Ausweg als den Tod mehr sah, erschüttert wohl die meisten Menschen.
In solch einem Fall kann man wahrscheinlich nicht unbedingt sagen, dass Suizid die bessere Wahl gewesen ist – das Mädchen selbst hatte in ihrem Video angegeben, dass sie Hilfe braucht. Und vielleicht würde sie heute noch leben und sogar glücklich sein, hätte sie diese rechtzeitig bekommen. So wie etliche andere Jugendliche auch, die sich in einer verzweifelten Situation nicht mehr anders zu helfen wussten.
Hat der Mensch ein Recht auf seinen Tod?
Auf der anderen Seite gibt es sicher auch viele Fälle, in denen sich erwachsene Menschen mit bewusster Überlegung für den Freitod entscheiden. Die Gründe dafür können unterschiedlich sein – oft ist eine schwere und unheilbare Krankheit der Grund, seinem Leben selbstbestimmt ein Ende zu setzen. Dies sind vielleicht die Fälle, die man noch am ehesten nachvollziehen kann; denn kaum jemand würde sich selbst oder einem anderen qualvolle letzte Monate ohne jegliche Lebensqualität wünschen.
Aber auch andere Situationen erscheinen Menschen so unerträglich, dass sie lieber ihrem Leben ein Ende bereiten, als sie weiter auszuhalten. Oft ist das der Verlust eines geliebten Menschen, sei es durch Trennung oder Tod. Dieser Verlust schmerzt sie so, dass sie im Weiterleben keinen Sinn mehr sehen.
Auch wenn man diese Reaktion nicht nachvollziehen kann, so muss man vielleicht doch den Entschluss dieses Selbstmörders respektieren. Denn so wie alle Menschen ein Recht darauf haben, ihr Leben selbstbestimmt zu führen, so hat er auch ein Recht darauf, über seinen Tod zu bestimmen. Das ist zumindest die Meinung vieler Menschen, die sich zu einem humanistisch orientierten Weltbild bekennen. Die Selbstbestimmung dürfe vor dem Recht auf den eigenen Tod nicht Halt machen, da er auch zum Leben dazu gehöre, so die Auffassung.
Selbstmord aus religiöser Sicht
Die meisten Religionen sehen das anders. Sie vertreten den Standpunkt, dass Gott das Leben geschenkt habe und deshalb als einziger das Recht habe, es - wann und wie er möchte -, auch wieder zu nehmen. Daher ist in den Augen der Kleriker Selbstmord eigentlich eine Todsünde, die von Gott nicht vergeben wird.
Für einen gläubigen Menschen, der in einer verzweifelten Situation ist, ist diese Doktrin natürlich eine, die seine Situation subjektiv stark verschlimmert. Er erträgt das Leben nicht mehr, hat aber nur die Alternative, sich Gottes Gnade zu entziehen, wenn er seinem Leben ein Ende setzt. Wenn er sich also trotzdem das Leben nimmt, weil er nicht mehr genug Kraft dafür hat, so stirbt er in einem Bewusstsein größter Schuld und höchsten Unglücks.
Selbstmord als Kraftquelle der Selbstbestimmung
Viele Menschen, die schon einmal in einer so verzweifelten Situation waren, dass sie an Selbstmord gedacht haben, berichten allerdings, dass ihnen die Freiheit, ihrem Leben jederzeit ein Ende setzen zu können und nicht ein hilfloses Opfer eines fremdbestimmten Schicksals zu sein, die Kraft gegeben habe, durch zu halten und doch weiter zu leben.
So haben sie sich jeden Tag gesagt, sie könnten ja noch einen Tag weiter machen – wenn es dann am nächsten Tag immer noch unerträglich wäre, könnten sie ja immer noch den Freitod wählen. Diese Vorstellung der Selbstbestimmung hat sicher dazu beigetragen, der abgrundtiefen Verzweiflung und Hilflosigkeit zu entkommen und so die schwierige Situation zu ertragen.
Gründe für den Freitod – Subjektivität entzieht sie einer Beurteilung
Es ist natürlich hochgradig subjektiv, was einem Menschen das Leben lebenswert oder eben unerträglich erscheinen lassen kann. Die schwere Krankheit leuchtet vielleicht noch etlichen Mitmenschen ein, der Verlust von Geld, dem Arbeitsplatz oder einem anderen Menschen vielleicht nicht mehr.
Doch muss man sicher respektieren, dass der Sinn des Lebens und seine Erträglichkeit von jedem Menschen anders gesehen werden. Für den Musiker wird das Leben vielleicht unerträglich, wenn er taub wird, weil die Musik sein Lebensinhalt ist. Und für den Maler kann Blindheit der Grund sein, dieses Leben ohne Farben und Formen lieber verlassen zu wollen. Als Außenstehender kann man unter Umständen eben nicht nachvollziehen, wie wichtig diese Aspekte für den Betroffenen in seinem Leben sind – man kann seine Entscheidung nur respektieren.
Schuld – eine oft irrelevante Frage
Wenn ein Mensch seiner Familie den Schmerz des Freitodes zugefügt hat, so wird oft die Frage nach der Schuld gestellt. In manchen Fällen hat sie sicher ihre Berechtigung – so im Falle des Missbrauchs oder des Mobbings. Da gibt es vielleicht in der Tat einen eindeutigen Schuldigen, der auch für seine Tat zur Rechenschaft gezogen werden sollte.
In anderen Fällen ist die Frage nach der Schuld jedoch obsolet. Wem soll man die Schuld an der Taubheit des Musikers, der Blindheit des Malers geben? Das Schicksal schlägt willkürlich zu, und es entzieht sich jeder Verantwortung. Daher bleibt nur, sich voller Liebe an den verstorbenen Menschen zu erinnern und zu respektieren, dass er für sich diesen Weg gewählt hat, auch wenn man selbst sich für ihn etwas anderes gewünscht hätte.
Hilfe für Betroffene, Angehörige und Freunde:
Adressen
Verwaiste Eltern und Geschwister Hamburg e.V.
Bogenstraße 26, 20144 Hamburg
Tel. (040) 45 00 09 15
E-Mail: e.korgiel@verwaiste-eltern.de
Verwaiste Eltern und Geschwister Bremen e.V.
Münchener Straße 146, 28215 Bremen
Tel. (0421) 207 04 65
E-Mail: info@verwaiste-eltern-bremen.de
Selbsthilfegruppen Verwaiste Eltern M/V e.V.
Helmut Sanne
Postfach 13 01 23, 19022 Schwerin
Tel. (0385) 20 27 96 83
E-Mail: Helmut.Sanne@web.de
Trauerland
Zentrum für trauernde Kinder und Jugendliche
Hans-Böckler-Straße 9, 28217 Bremen
Tel. (0421) 696 67 20
Öffnungszeiten: Montag bis Mittwoch 9 bis 13 Uhr und 14 bis 16 Uhr Donnerstag und Freitag: 9 bis 13 Uhr
Leben ohne Dich / Selbsthilfegruppe Wedel
jeden 1. Freitag im Monat um 19 Uhr
Begegnungsstätte des DRK
Rudolf-Höckner-Str. 6 b, 22880 Wedel bei Hamburg
Leben ohne Dich / Selbsthilfegruppe Salzgitter
jeweils am vorletzten Mittwoch des Monats um 18 Uhr
im Pfarramt
Museumstraße 9, 38226 Salzgitter-Salder
TABEA e.V. - Beratungsstelle für Trauernde
Gespräche/Gruppen nach Absprache im Evangelischen Kirchenkreisamt Schießgrabenstraße 10 21335 Lüneburg
Tel. (030) 495 57 47
E-Mail: TABEA-eV@t-online.de
Verein für Suizidprävention
Schwemannstr. 2, 31134 Hildesheim
Krisentelefon (05121) 588 28
Trauergesprächskreis für Hinterbliebene nach einem Suizid
Termine über Geschäftsstelle Tel. (05121) 51 62 86
Diakonisches Werk e.V. des Kirchenkreises Burgdorf
Selbsthilfegruppe Verwaiste Eltern
Schillerslager Str. 9, 31303 Burgdorf
Ansprechpartner: Manuela Fenske-Mouanga
Tel. (05136) 89 73 11, Do 16-18 Uhr
Institut für Trauerarbeit e.V.
Bogenstraße 26, 20144 Hamburg
Tel. (040) 36 11 16 83
E-Mail: info@ita-ev.de
Weitere Informationen im Netz:
Oliver Schmid ist Gründer von Gedenkseiten.de, seit 2009 Internet-Unternehmer und Experte für Inbound Marketing mit Hauptsitz in Friedrichshafen.
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