Erbe
Wenn ein Mensch stirbt, muss festgestellt werden, was mit seiner Hinterlassenschaft, dem sogenannten Erbe oder Nachlass, geschieht. Diese Frage hat schon viele Familien entzweit, geht es doch manchmal um beträchtliche Vermögenswerte, die leider die niedrigeren Instinkte im Menschen wecken können. Damit in solch einem Fall keine Situation entsteht, in der sich Erbstreitigkeiten über Generationen hinziehen wie in dem bekannten Roman von Charles Dickens „Bleak House“, haben fast alle Länder ein Erbrecht, in dem grundsätzliche Fragen bezüglich der Erbfolge und der Verteilung festgelegt sind.
Das Erbrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
Das BGB ist der Bereich, der die Erbfolge gesetzlich regelt und dabei genaue Einzelheiten festlegt. So wird im Paragraph 1922 des BGB aufgelistet, welche Menschen erbberechtigt sind und auf jeden Fall einen sogenannten Pflichtteil bekommen müssen. Dieser besagt, dass bestimmte Personen – überwiegend die engsten Familienangehörigen - einen gesetzlichen Anspruch auf einen Teil des Erbes haben, selbst wenn der Erblasser dieses nicht gewünscht haben sollte.
Hier ist auch genau geregelt, welche Anteile den jeweiligen Erbberechtigten zustehen, und wie sie ermittelt und ausgezahlt werden. Dabei werden auch Zuwendungen und Leistungen mit berücksichtigt, die zu Lebzeiten des Erblassers erbracht wurden, wie zum Beispiel Schenkungen an einen oder mehrere Erbberechtigte oder aber aufwändige Pflege- und Versorgungsleistungen, die ein Erbberechtigter gegenüber dem Vererbenden erbracht hat und die berücksichtigt werden soll. Damit soll eine gewisse Gerechtigkeit bei der Verteilung des Erbes erreicht werden, die unabhängig von persönlichen Sympathien oder Antipathien ist.
Nur in schweren Ausnahmefällen kann daher dieser Pflichtteil verweigert werden, etwa dann, wenn der eigentlich Berechtigte sich gegen den Erblasser vergangen hat und ihm oder ihr psychisch oder physisch geschadet hat. Nur in diesem Fall ist es möglich, einen erbberechtigten Menschen völlig zu enterben.
Persönliche Bestimmungen des Erblassers
Die gesetzliche Erbfolge und die Verteilung des gesamten Erbes nach diesen Regelungen greifen nur dann, wenn der verstorbene Mensch keine individuellen Bestimmungen festgelegt hat. Diese individuellen Verfügungen können in einem Testament oder in einem Erbvertrag festgehalten werden. Dabei kann der Erblasser frei über die Vermögensteile verfügen, die über die Pflichtteile hinaus gehen – hier hat er oder sie völlig freie Hand.
Ein Testament oder ein Erbvertrag müssen gewissen gesetzlichen Vorschriften genügen, damit sie vom Gesetzgeber als gültig anerkannt werden können. An sehr vielen Stellen kann man sich dafür Vordrucke besorgen, die es ermöglichen, auch ohne die Unterstützung eines Notars ein rechtsgültiges Testament zu verfassen. Dieses sollte dann an einem Ort aufbewahrt werden, an dem es im Todesfall leicht aufgefunden werden kann. Wenn man sicher gehen will, kann man Testament oder Erbvertrag natürlich auch bei einem Anwalt oder Notar oder beim Nachlassgericht hinterlegen.
Mögliche Empfänger eines Erbes
Das Erbrecht legt fest, dass zum einen jede Einzelperson ein Erbe sein kann. Aber natürlich kann das Erbe auch auf mehrere Personen aufgeteilt werden oder gemeinschaftlich an sie gehen, in diesem Fall spricht man von einer Erbengemeinschaft.
Das Erbrecht im BGB lässt es auch zu, dass neben natürlichen Personen auch juristische Personen ein Erbe antreten können. Das bedeutet, dass der Erblasser die Teile seines Vermögens, über die er völlig frei verfügen kann, auch einer Stiftung oder einer wohltätigen Organisation hinterlassen kann, wenn er dies wünscht.
Bestandteil eines Erbes
Zur Erbmasse gehören zum einen sämtliche vorhandenen Vermögenswerte. Das kann Bargeld oder ein Sparguthaben sein, Sachwerte wie Schmuck, Gemälde oder ein Auto, Aktien und Unternehmensanteile sowie Immobilien und Grundstücke, aber auch Rechte, die der Verstorbene an irgendwelchen Dingen besessen hat. Für jeden dieser Vermögenswerte wird dann für einen Stichtag – üblicherweise der Todestag des Erblasser – nach bestimmten Regeln der Wert festgelegt, damit der tatsächliche Wert des kompletten Nachlasse bestimmt werden kann und die Pflichtteile ausgerechnet werden können.
Zum Bestandteil des Erbes gehören jedoch nicht nur die Vermögenswerte, die insgesamt als Aktivvermögen bezeichnet werden, sondern der Nachlass umfasst auch das sogenannte Passivvermögen – also negative Vermögenswerte. Das können Schulden oder Kredite sein, die noch nicht bezahlt wurden. Die Gläubiger haben auch nach dem Tod des Schuldners einen Anspruch darauf, dass sie die ihnen zustehenden Beträge aus der Erbmasse ausbezahlt bekommen. Dieser Anspruch besteht dabei nicht gegenüber dem Nachlass, sondern gegenüber den Erben, so dass unter Umständen ein Erbe mit seinem Privatvermögen haftbar werden kann.
Damit nicht die Hinterbliebenen zwangsläufig die Fehler ausbügeln müssen, die der verstorbene Erblasser zu Lebzeiten durch exzessives Spekulieren oder Spielen womöglich gemacht hat, haben die Erben das Recht, dieses Erbe innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnisnahme auszuschlagen. Das ist dann eine Überlegung wert, wenn die Schulden die Vermögenswerte weit übersteigen und sich die Hinterbliebenen so selbst verschulden müssten, um für die Verbindlichkeiten des Verstorbenen aufzukommen. Schlagen sie das Erbe allerdings nicht explizit beim Nachlassgericht aus, so gilt es nach Ablauf der Frist automatisch als angenommen.
Formalitäten im Erbfall
Bis ein mögliches Testament eröffnet wurde und das genaue Erbe und seine Verteilung ermittelt werden konnten, kann einige Zeit vergehen. In dieser Zeit benötigen die Hinterbliebenen jedoch vielleicht Zugang zum Bankkonto des verstorbenen Menschen, um laufende Ausgaben weiter bestreiten zu können. Oder aber sie müssen einige Rechtsgeschäfte fortführen oder beenden, wie zum Beispiel eine Versicherung kündigen.
Damit dies möglich wird, müssen die erbberechtigten Hinterbliebenen beim Nachlassgericht einen Antrag stellen, sie als Erben festzustellen und ihnen einen sogenannten Erbschein auszustellen. Mit diesem Erbschein können sie dann auf zum Beispiel Bankkonten oder Depots des Erblassers zugreifen und darüber in einem gewissen Rahmen verfügen. Dieser Erbschein kann nämlich wieder entzogen werden, wenn sich später ein Testament findet, das die betreffende Person vom Erbe ausschließt.
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