Digitaler Nachlass
In erster Linie versteht man unter dem Sammelbegriff Digitaler Nachlass die Übertragung digitaler Vermögenswerte an einen oder mehrere Begünstigte nach dem Ableben einer Person. Digitale Vermögenswerte (engl. digital assets) sind hierbei Daten und Medien, die nur in digitaler Form existieren und mit einem eindeutigen Nutzungsrecht ausgestattet sind. Diese Vermögenswerte gelten als Teil des Nachlasses der verstorbenen Person. Beispiele für diese Werte sind digitale Medien, wie Dokument, Ton oder Bilddateien. Es spielt dabei keine Rolle, ob sich die Medien des Digitalen Nachlasses auf einem Endgerät im Besitz des Verstorbenen befinden oder unter der Kontrolle eines Dienstanbieters im Internet stehen.
Nicht zuletzt durch die fortschreitende Digitalisierung der gesamten Bevölkerung spielt der Digitale Nachlass eine immer wichtigere Rolle im Leben und der Vorsorgeplanung vieler Menschen. Viele Aspekte von digitalen Erbschaftsprozessen sind derzeit noch ungeklärt und noch nicht ausreichend gesetzlich geregelt. Vor kommt es zu Überschneidungen zwischen dem bestehenden nationalen Erbschaftsrechten und den verschiedeneren Datenschutzrichtlinien unterschiedlicher Länder. Neue Entwicklungen im Bereich Privatsphäre der Nutzer, Recht am geistigen Eigentum und die rechtliche Haftung von Onlineunternehmen sind hier nur einige Beispiele für die Hinternisse, die einer einheitlichen gesetzlichen Ordnung des Digitalen Nachlasses im Weg stehen. Hinzu kommt das der Durchschnittsbürger zahlreiche Onlinekonten besitzt, die von Anbietern in fernen Ländern verwaltet werden.
Zunehmend reagieren große Onlinedienstleister auf das wachsende Bedürfnis einer Nachlassregelung im Internet und bieten Optionen an, mit denen die Nutzer zu Lebzeiten entscheiden können, was im Falle ihres Todes mit ihren Daten geschieht und wer darauf zugreifen darf.
Der digitale Nachlass bietet die Möglichkeit digitale Inhalte, die sowohl einen emotionalen Wert für die Nachkommen und Angehörigen des Verstorbenen als auch einen Informationswert für das digitale Erbe der Gesellschaft haben, zu sichern.
Übersicht
Ein Großteil digitaler Medien befinden Sie auf physischen Speichermedien, wie z. B. auf Laptops, Festplatten oder optischen Datenträgern. Darüber hinaus wird eine wachsende Mehrheit digitaler Inhalte online gespeichert und verwaltet. Bei den meisten Onlineanbietern geht der Besitz der digitalen Medien somit teilweise auf den jeweiligen Anbieter über. Beispiele hierfür sind Onlinedienste großer Unternehmen wie Google, Apple, Microsoft und Facebook. Da eine durchschnittliche Person ca. 150 Onlinekonten besitzt, für die Passwörter erforderlich sind, ist die digitale Nachlassverwaltung zu einem komplexen rechtlichen und ethischen Problem geworden.
Vorteile des Digitalen Nachlasses
Ein erfolgreich durchgeführter digitaler Nachlassprozess hat sowohl persönliche als auch gesellschaftliche Vorteile. So geben digitale Angebote Familienmitgliedern und Angehörigen einer verstorbenen Person die Möglichkeit, auf einfache, ortsunabhängige Art und Weise auf verfügbare Inhalte zuzugreifen. So werden Profile in Sozialen Medien, Blogeinträge und Emails zu Erinnerungsstücken mit einem echten sentimentalen Wert, der Menschen in Phasen der Trauerbewältigung und des Gedenkens unterstützen kann. Ferner können digitale Inhalte durchaus wirtschaftliche Werte darstellen, die nach einem Sterbefall an einen oder mehrere Erben übertragen werden können.
Digitale Nachlasspläne
In den letzten Jahren haben sich bereits einige Unternehmen auf den digitalen Nachlass spezialisiert. So gibt es die Möglichkeit Firmen mit der Verwaltung, Löschung und Übertragung von digitalen Vermögenswerten zu beauftragen. Unter die angebotenen Dienstleistungen dieser digitalen Nachlassverwalter fallen unter anderem die Löschung von Profilen, Abmeldungen von Onlinediensten und die Zurverfügungstellung von Zugangsdaten. Ferner haben sich einige Anbieter drauf spezialisiert den Nachlass von Vermögen in Form von Kryptowährungen, wie Bitcoin, Ethereum oder Dogecoin zu verwalten und den Erben zugänglich zumachen.
Menschen können sich schon zu Lebzeiten an diese Unternehmen wenden und ihre digitale Vorsorge planen.
Passwortmanager
Neben den vorstehenden Dienstleistern, die sich um den digitalen Nachlass kümmern, gibt es verschiedene Dienste, die das Speichern von Passwörtern ermöglichen, die automatisiert, nach Benachrichtigung über den Tod des Nutzers, gezielt Informationen an die zuvor bestimmte Person des Vertrauens senden. Meist sind diese Dienste komplett automatisiert. Accounts sind leicht online erstellt und wichtige Passwörter schnell hinterlegt. Die Kosten für diese Dienstleistungen liegen meist im mittleren zweistelligen Bereich.
Achtung: Bestehende Verträge mit den diversen Onlinedienstleistern werden meist nicht über diese Dienstleister automatisch beendet.
Digitaler Nachlass in den Sozialen Medien
Soziale Netzwerke haben Richtlinien und Verfahren entwickelt, um die Identität und den Tod eines verstorbenen Nutzers zu bestätigen. Diese sind meist an keine gesetzliche Regelungen gebunden und unterscheiden sich daher teilweise.
Twitter beispielsweise erlaubt keinen Zugriff auf die Profile verstorbener Nutzer. Es ist lediglich möglich eine Löschung oder Deaktivierung des Accounts zu beantragen. Eine Löschung kann nur eine gemäß der Nachlassbestimmungen bevollmächtigte Person durchführen.
Seit 2009 hat Facebook einen sogenannten Gedenkmodus für verstorbene Nutzer eingerichtet. Nur verifizierte, unmittelbare Familienangehörige des Verstorbenen können verlangen, dass das Konto vollständig gelöscht wird. Ferner hat jeder Nutzer schon zu Lebzeiten die Möglichkeit selbst zu entscheiden, was mit seinem Profil nach seinem Ableben geschehen soll. So kann man in den Kontoeinstellungen wählen, ob das Benutzerkonto und somit auch das Profil nach dem Tod automatisch gelöscht werden soll. Zudem hat man die Möglichkeit einen Vermächtniskontakt zu hinterlegen, der die Möglichkeit hat, ihre Gedenkseite zu verwalten. Hierbei ist zu beachten, dass Facebook oder auch Instagram keine Anmeldeinformationen eines Kontos an einen Vermächtniskontakt noch an ein Familienmitglied weitergibt.
Sofern man einen Google Account für Dienste, wie zum Beispiel Gmail, Google Docs oder den Google Kalender besitzt, ist der Inactive Account Manager für den Umgang mit dem digitalen Vermächtnis hilfreich. Hier können Nutzer Google informieren, wer Zugriff auf bestimmte Inhalte bekommen darf. In dieser Funktion kann ein Nutzer eine vertrauenswürdige Kontaktperson angeben, die eine Benachrichtigung erhält, wenn das Konto des Nutzers für eine bestimmte Zeit inaktiv war. Der Nutzer kann auch entscheiden, auf welche Daten die Vertrauensperson Zugriff erhalten soll. Wenn ein Nutzer vor seinem Tod keinen vertrauenswürdigen Kontakt im Inactive Account Manager eingerichtet hat, hat die direkte Familie eines Verstorbenen die Möglichkeit direkt mit Google in Kontakt zu treten, um die Übermittlung gewünschter Daten zu beantragen.
Apple Nutzer können einen Nachlasskontakt in ihrer Apple ID hinzufügen (möglich ab iOS 15.2, iPadOS 15.2 und macOS 12.1). Ein hinterlegter und verifizierter Nachlasskontakt kann bis zu drei Jahre lang auf alle im iCloud-Konto eines Nutzers gespeicherten Daten zugreifen, danach wird das Konto des Nutzers gelöscht. Nachlasskontakte können nicht auf lizenzierte Medien, InApp Käufe oder Zahlungsinformationen und Passwörter zugreifen.
LinkedIn verfügt über ein Verfahren zur Entfernung von Profilen verstorbener Mitglieder. Der Antrag kann von einer bevollmächtigten Person gestellt werden. Eine Übermittlung eines Scans der Sterbeurkunde ist hierbei notwendig. Nicht autorisierte Personen können einen Nutzer einfach als verstorben melden.
Weitere Soziale Netzwerke und Plattformen verfügen meist über ähnliche Möglichkeiten Profile in einen Gedenkmodus zu versetzen oder nach eindeutiger Verifizierung zu deaktivieren.
Online Gedenken
Auch das Gedenken an Verstorbene verlagert sich immer mehr in das Internet. In einer repräsentativen Umfrage gaben über 75% an, dass die Befragten davon ausgingen, dass sich Trauer und Gedenken in den nächsten Jahren mehrheitlich in das Internet verlagern wird. Schon heute geben eine Vielzahl von Menschen an, dass der interaktive Aspekt bei der Erstellung und Verwaltung von Gedenkseiten ihnen bei der Trauerbewältigung hilft. So stellt eine Gedenkseite oft einen sicheren Ort für Angehörige und Bekannte der oder des Verstorbenen da, die ihnen Ermöglicht miteinander in Kontakt zu treten, Erinnerungen zu teilen und unabhängig von Ort und Tageszeit zu gedenken.
Ratgeber zum digitalen Nachlass
Finden Sie in den nächsten Seiten wichtige Tipps und weitere Informationen zum Umgang mit Ihrem digitalen Nachlass. Ob Abmeldung in den Sozialen Medien oder weitsichtige Vorsorgemaßnahmen, in unseren Unterrubriken befassen wir uns mit allen Aspekten zu Ihrem digitalen Erbe. Stellen Sie sicher, dass Ihrem letzten Willen auch im Internet entsprochen wird.
Bild: Unsplash Markus Spiske
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