Abschied vom Sternenkind
Vielleicht haben sie lange darauf warten müssen, aber nun hat es geklappt. Die werdenden Eltern freuen sich unbändig auf ihren Nachwuchs, aber dann geschieht das Unfassbare: Es kommt zu einer Fehlgeburt. Kaum ein Außenstehender kann wohl den Schmerz nachvollziehen, den dieses Ereignis den Eltern zufügt. Das Bewusstsein, dass der ersehnte Nachwuchs nie das Licht der Welt erblickt hat, sie kein einziges winziges Lächeln erhaschen konnten, es keine Zukunft gibt, ruft große Verzweiflung hervor.
Unterschiedliches Erleben bei Mutter und Vater
In den ersten Wochen einer Schwangerschaft ist das Risiko einer Fehlgeburt besonders hoch. Die Natur scheint dies so eingerichtet zu haben, denn sehr oft stellt sich heraus, dass der Embryo nicht gesund gewesen ist. Doch natürlich muss dies nicht immer der Fall sein; und so oder so schmerzt der Verlust des Kindes die Eltern ganz enorm.
Dabei kann es jedoch zu einer unterschiedlichen emotionalen Intensität bei den Eltern kommen. In den ersten Wochen der Schwangerschaft erlebt die Mutter diese schon sehr intensiv, da sie massive körperliche und emotionale Veränderungen spürt. Der Vater hingegen kann in diesen ersten Wochen noch nicht so am Wachsen des neuen Lebens teilnehmen, weil der Fötus noch zu klein ist, um auch äußerlich sichtbar und spürbar zu sein.
Das kann dazu führen, dass die Mutter unter Umständen schon eine intensivere Bindung zu ihrem ungeborenen Kind entwickelt hat, als es dem Vater möglich gewesen ist. Natürlich leidet auch er unter dem Verlust, natürlich schmerzt auch ihn der frühe Tod des ungeborenen Kindes, aber er konnte es eben selbst nicht so spüren wie die Mutter.
Er trauert auch – aber anders
Aber selbst wenn der Vater noch keine so intensive Bindung aufbauen konnte wie die Mutter, so bedeutet das natürlich nicht, dass er nicht einen ebenso großen Schmerz empfindet wie sie. Nun neigen allerdings Männer mehr als Frauen dazu, ihre Trauer nicht so offen zu zeigen, sondern sie eher für sich zu behalten.
Dies kann dann leider zu fatalen Missverständnissen führen, wenn die verwaiste Mutter den Eindruck bekommt, ihr Partner würde nicht wirklich um das verlorene Sternenkind trauern, sondern sie in ihrem Schmerz allein lassen. Aber wenn der Partner seinen Schmerz und seine Gedanken in sich verschließt und er einem Gespräch über das Geschehene ausweicht, entzieht er der Mutter eine wichtige Hilfe und Unterstützung, denn für die meisten Eltern, die mit einer Fehlgeburt umgehen müssen, ist das Gespräch ein sehr wichtiger Faktor in der Trauerbewältigung.
Die Trauer gemeinsam bewältigen
Damit das Paar den Verlust ihres Kindes irgendwann einmal verarbeiten und verkraften kann, ist es hilfreich, wenn sie sich gegenseitig stützen und auffangen. Denn leider ist es gerade bei einer frühen Fehlgeburt so, dass das soziale Umfeld bei der Unterstützung der Trauernden oft versagt. Das Geschehen wird bagatellisiert oder tot geschwiegen, es werden billige Floskeln ausgesprochen, das Umfeld erwartet, dass die Eltern ihre Trauer viel schneller bewältigen müssten, als es vielleicht der Fall ist. Daher fühlen sich viele verwaiste Eltern vollkommen allein in ihrem Schmerz.
Es gibt einige Aspekte, die den Eltern dabei helfen können, diese Phase der Trauer und des Schmerzes gemeinsam besser zu bewältigen.
Offene Gespräche über die Gefühle und Gedanken
Beide Partner sollten sich darauf einlassen, offen über ihre innersten Gedanken und Gefühle zu sprechen. Denn der Austausch darüber bringt ein wenig Erleichterung und hilft dem Partner zu verstehen, wo sich der andere gerade befindet.
Die Mütter sollten dabei wirklich offen sein, damit der Partner sie verstehen kann. Viele Mütter haben nach einer Fehlgeburt den Wunsch, ebenfalls tot zu sein, damit sie bei ihrem Kind sein können, und sie machen sich oft zudem noch Vorwürfe, es wäre deshalb zur Fehlgeburt gekommen, weil sie das Kind nicht genug geliebt haben. Hier ist die Unterstützung des Partners von großer Wichtigkeit, um mit diesen Gefühlen umgehen zu können.
Verständnis für unterschiedliches Erleben von Trauer und Schmerz
Es ist völlig in Ordnung, seine Trauer und seinen Schmerz auf seine Weise auszudrücken. Der eine weint viel und öffentlich, der andere schweigt eher und trauert im Stillen. Wichtig ist es dabei, dem Partner diese andere Form der Trauer auch zuzugestehen. Deshalb sollten beide um Verständnis bitten und dieses Verständnis auch anbieten, und nicht die andere Art des Trauerns bewerten oder gar verurteilen.
Gemeinsame Rituale
Gemeinsame Rituale können sehr tröstlich sein, um sich als Paar aufeinander zu stützen und den Verlust zu verwinden. So ist es sehr hilfreich, dem verstorbenen Kind einen Namen zu geben. Dadurch wird es von einer anonymen Leibesfrucht zu dem Menschen, um den die Eltern trauern und dessen Verlust für sie so schmerzlich ist. Viele Paare empfanden es auch als hilfreich, eine Todesanzeige aufzugeben, um auch dem sozialen Umfeld zu signalisieren, dass sie gemeinsam um ein geliebtes Wesen trauern, das sie sehnsüchtig erwartet haben.
Die Beerdigung des Sternenkindes und eine Trauerfeier sind ein wichtiges Abschiedsritual, welches das Paar gemeinsam mit anderen Familienmitgliedern vollziehen kann. Die Krankenhäuser sind heutzutage sehr aufgeschlossen gegenüber solchen Wünschen. Sollte das nicht der Fall sein, kann man dennoch eine Trauerfeier abhalten.
Später kann der gemeinsame Besuch am Grab – falls es eines gibt – sehr hilfreich sein. Wenn es nicht möglich war, das ungeborene Kind zu begraben, so ist die gemeinsame Erschaffung einer virtuellen Grabstätte wie einer Gedenkseite ein tröstliches Abschiedsritual, welches das Paar zusammen absolvieren kann.
Diese gemeinsamen Rituale zeigen dem Partner, dass man mit ihm zusammen den Weg der Trauer geht und für ihn oder sie da, ist, selbst wenn dies im wiedergekehrten Alltag nicht immer so sichtbar ist.
Körperliche Nähe
Speziell für viele Mütter ist körperliche Nähe ein großes Bedürfnis; sie finden darin Trost. Der Partner sollte sich daher möglichst die Zeit und Ruhe nehmen, um diesen körperlichen Trost auch spenden zu können.
Durch viel gegenseitiges Verständnis, miteinander reden und zuhören können Paare sich in dieser Zeit gegenseitig Stütze und Hilfe sein. Manche Paare finden es auch hilfreich, wenn sie sich mit anderen verwaisten Eltern austauschen können, da sie sich von ihnen am besten verstanden fühlen – sie alle leben in dem gleichen Alptraum, der sie gefangen hält. Mit gegenseitiger Hilfe können sie vielleicht besser aus diesem Alptraum wieder auftauchen und zurück ins Leben finden.
Oliver Schmid ist Gründer von Gedenkseiten.de, seit 2009 Internet-Unternehmer und Experte für Inbound Marketing mit Hauptsitz in Friedrichshafen.
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