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Von Sophia 24.03.2022 um 22:34 Uhr | melden
"Ich hab eben im Café einen Mann gesehen,
der hat erzählt, er kann die Welt nicht mehr verstehen.
Er hat das Leben bis ins Allerkleinste ausgecheckt,
doch gibt es irgendwas, das sich vor ihm versteckt.
Er sagt, er glaubt nicht an die Kirche, aber betet,
hofft auf das Wunder trotz klarem Verstand.
Denn vielleicht ist da noch mehr zwischen den Zeichen,
das er nicht verstehen kann...
... was wir suchen, bleibt unsichtbar."
(Revolverheld, Unsichtbar)
Liebe Lea,
vorab möchte ich mich entschuldigen, falls ich dir jetzt Dinge erzähle, die ich dir schon ein oder mehrere Male erzählt habe. Aber nach sieben Jahren gibt es nicht mehr viel Neues zu sagen zu einer Situation, die unverändert grausam ist. Gleichzeitig ist es mir auch ein Bedürfnis, immer wieder über all die Erlebnisse rund um den 24. März zu sprechen, um sie irgendwie zu verarbeiten.
Ich habe hier auch schon etliche Lieder zitiert, da es eine Angewohnheit von mir ist, jedes Lied mit der Katastrophe in Verbindung zu bringen. Dieses aber glaube ich noch nicht, obwohl es mich damals beim ersten Hören, es war 2018, gleich voll erwischt hat. Auch ich suche seit dem 24. März 2015 nach Erklärungen, nach Trost, nach einem Sinn und vor allem auf die Frage danach, was mit dir passiert ist und wo du jetzt bist. Der Verstand weiß, was passiert ist, ich möchte das hier nicht schreiben. Die Bilder von der Absturzstelle mit den Bergrettern und den roten Fähnchen kennt jeder. Der Verstand sagt, das wars. Und was ist mit dem Glaube, der einem doch sagt, dass es danach weitergeht, dass du an einem besseren Ort geborgen bist? Er hat sich sehr schwer getan, der Glaube, anzukommen gegen diese Bilder, die sich ins Herz eingebrannt haben, und gegen den Schmerz, den dein Verlust ausgelöst hat. Kann man glauben, dass so etwas zugelassen wird? Und wenn nein, kann man dann noch auf ein gutes Ende hoffen? Es fällt sehr schwer, aber irgendwo ist sie dann doch, diese kleine Hoffnung, dass es dich immer noch gibt, dass du zusammen mit deinen Mitschülern bist, dass du vielleicht deine Lieben von oben sehen kannst und dass du mitbekommst, wenn wir hier an dich schreiben. Letztendlich bleibt uns auch gar nichts anderes übrig als zu hoffen, denn ohne Hoffnung, Lea, würde das Herz, glaube ich, aufhören zu schlagen, weil es den Schmerz nicht aushält.
Und trotzdem ist es doch merkwürdig, dass niemand auf der Welt etas über diesen Ort weiß, wo du jetzt bist. Wo wir doch sonst nahezu alles erforschen können. Es wird unsichtbar bleiben, und diese Unsichtbarkeit macht die Trauer um dein Leben so groß.
Was mich an dem Lied auch auf sonderbare Weise anspricht, ist der Mann in dem Café. Ich muss hier sofort an einen Mann denken, den ich am Morgen des 25. März 2015 auf der Straße getroffen habe. Er grüßte mich so freundlich, dass es mir vorkam, als wolle er sagen: Schön, dass du noch da bist. Ja, so habe ich es in dem Moment gefühlt, wir als zwei von wenigen Überlebenden. Gestern waren wir viele, heute sind wir allein, der Spruch dazu in den Nachrichtenvideos von deiner Schule. Aber warum sind wir noch da, habe ich mich dann gefragt. Warum geht es einfach weiter? Warum laufe ich hier auf beiden Beinen durch die Stadt und andere sind in dieses Flugzeug gestiegen und werden nie wieder einen Fuß auf diese Erde setzen.
Der 24. März 2015 hat so viel verändert, Lea. Die Welt war auf einmal so anders ohne dich, so als hätte sie ihren Sinn und ihre Berechtigung verloren. Ich kann jetzt wieder das Schöne auf der Welt sehen, aber dass ein wichtiger Teil fehlt, das sehe ich immer noch. Und auch das lebenslange Leid der Menschen, denen hier eine geliebte Person einfach entrissen wurde, sehe ich. Es ist auch fast "unsichtbar" geworden nach all den Jahren- wo vor sieben Jahren Massen von Kameras tummelten, wird heute kaum mehr berichtet. Aber ich bin mir sicher, viele Menschen erinnern sich von selbst an das Datum und denken heute an dich.
Liebe Lea, du fehlst hier so. So lange und so sehr. Nach sieben Jahren weiß ich, du wirst nicht zurückkommen, aber fassen kann ich es immer noch nicht ganz.
Ich denke ganz fest an dich und alle, die dich vermissen.
In Liebe, deine Sophia