Juliane
Schenk

von Anja am 03.11.2023 - 13:17 Uhr | melden

Meine liebste Schwester,

heute vor einem Jahr standen wir vor eurer Tür um mit euch auf den, so sagt man, schönsten Tag im Leben anzustoßen und euch zu beglückwünschen mit Torte, Blumen und Konfetti.
Diese Hochzeit war in deinen Gedanken und Träumen sicherlich völlig anders geplant. Ein großes Fest sollte es werden für dich und für deinen Hase David, mit allen Freunden und großer Party. Ich habe mit dir zusammen diesem freudigen Anlass entgegengefiebert und im Kopf schon so einige Pläne geschmiedet, die große Schwestern halt für solche Anlässe schmieden. (Manche weniger, manche etwas mehr…)
Das es eine solch stille Hochzeit wird, hatte sich niemand für euch gewünscht. Und dennoch rührt es mich zu Tränen, wenn ich mir das Bild ansehe, welches du uns kurz nach der Trauung per Handy gesendet hattest. Ihr beide Arm in Arm im herbstlichen Sonnenlicht. Eine wirklich hübsche Braut im Arm ihres Bräutigams mit einem kleinen Lächeln im Gesicht und verliebten Blicken, welche so viele Hoffnungen in sich trugen.
Damals, an dem späten Nachmittag, habe ich dir gesagt, dass es ja heißt „in guten und in schlechten Zeiten“…ihr startet einfach mit den nicht so schönen und dafür kommen danach nur noch viele, viele gute Jahre. Ich konnte / wollte es nicht glauben, dass es anders kommt.
In guten Zeiten heiraten kann jeder, das erfordert nicht viel Mut. Ihr aber habt euch in einer derart bedrückenden Lebenssituation das Versprechen gegeben, füreinander da zu sein, egal was kommt, einfach in dem festen Glauben daran, dass ihr zwei zusammengehört und nichts und niemand diese Bindung zerstören kann.
Mein lieber Schwager, ich bin dir so dankbar für das, was du für Jule getan hast, dass du bei ihr warst, zuhause, bei den Arztgesprächen, in den Tagen und Nächten, Trost und Halt gegeben hast, zu ihr gehalten hast, mit ihr gekämpft hast. Das erfordert nicht nur Liebe, das braucht auch viel Mut und Kraft. Zu ertragen war das sicherlich nicht leicht und ist es nun am Ende noch nicht. Die Hilflosigkeit mit der man sich in diesen vielen Situationen konfrontiert sieht, hinterlässt in jeder Seele ihre Spuren.
Julchen hat sich bei dir sicher und geborgen gefühlt, ein Gefühl, dass sie so lange gesucht hat, du warst ihr der Fels in der Brandung, der Ruhepol, der Ausgeglichene, jemand der ohne viele Worte einfach Stärke und Sicherheit ausstrahlt, bei dem sie einfach loslassen konnte und sich wohl gefühlt hat. Sie war sehr stolz auf ihren Mann, und ich bin es auch. Ihre Sorge, was aus dir wird, wenn sie nicht mehr da ist, schien fast gleichwertig zu sein, mit der um sich selbst.
Ich habe euch von tiefstem Herzen alles Glück der Welt gewünscht, nun muss es auf den Himmel warten.
Meine liebe Schwester, lieber David … ich wünsche euch alles Liebe zum Hochzeitstag.
Im Herzen verbunden.

Ich glaube Julchen hatte dieses Lied nicht ohne Grund in ihrer Mr&Mrs-Playlist… es ist euer kleiner-Finger-Schwur:

Du bist für mich stark, wenn ich keine Kraft hab
Hältst mich zusamm′n, was sonst niemand schafft
Suche ich Schutz, wirst du riesengroß
Kann mich verkriechen in deinem Schoß
All diese Jahre, wo warst du bloß?
Lass dich nie wieder los

Auch wenn es für dich selbstverständlich ist
Für mich ist es das nicht
Damit dus weißt und nie wieder vergisst
Ist das für dich

Da ist so ein Gefühl im Bauch
Das ich nie gekannt hab, mit dir ist es anders
Ey, bitte, weck mich nie mehr auf
Weil ich bei dir keine Angst hab, mit dir ist es anders

Auch wenn wir uns viel zu oft vergessen
Will ich, dass du weißt, für mich gibt′s nur
Dich allein, ich wills versprechen
Das hier ist deiner, meiner, Kleiner-Finger-Schwur