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von Wikipedia am 28.10.2024 - 19:57 Uhr | melden
Jamshid Sharmahd oder Dschamschid Scharmahd (auch Djamshid Sharmahd, persisch ; * 23. März 1955 in Teheran, Iran; † 28. Oktober 2024 in Iran) war ein iranisch-deutscher Unternehmer. Er wurde im Sommer 2020 von iranischen Geheimdienstlern aus Dubai entführt und nach jahrelanger Haft, wahrscheinlicher Folter und ohne rechtsstaatliches Verfahren im Februar 2023 zum Tod verurteilt und Ende Oktober 2024 hingerichtet.
Jamshid Sharmahd wurde in Teheran geboren. Sein Vater zog 1962 mit ihm nach Deutschland und heiratete dort eine Deutsche.[1] Sharmahd wuchs in Peine und Hannover auf.[2] Er machte eine Ausbildung zum Elektriker, studierte und wurde Elektroingenieur.[3] Als solcher arbeitete er bei Siemens und baute eine eigene kleine Softwarefirma auf.[4] Später zog er nach Teheran, verließ das Land aber 1979 nach der Islamischen Revolution wieder. Seine Frau und seine Tochter Gazelle Sharmahd holte er 1983 nach. Sein Sohn wurde in Deutschland geboren.[5] Danach wohnte er mit seiner Familie in Hannovers Nordstadt und betrieb dort ein Computergeschäft. Seit 1995 hatte er die deutsche Staatsangehörigkeit.[2]
2003 zog er in die USA und gründete dort ein Softwareunternehmen. Dort kam er in Kontakt mit einer kleinen exiliranischen Oppositionsgruppe, für die er einen Exilradiosender mit aufbaute. Infolge der Proteste nach der iranischen Präsidentschaftswahl 2009 engagierte er sich für Menschenrechte im Iran und machte laut seiner Tochter viele Verbrechen des iranischen Regimes und deren Opfer bekannt.[4] Er betrieb eine Website, auf der Menschen über die Lage im Iran berichten konnten.Am 25. Juli 2020 unternahm Sharmahd eine Geschäftsreise und flog von Frankfurt am Main nach Dubai. Dort fiel sein geplanter Anschlussflug nach Mumbai aus. Er musste in Dubai übernachten, informierte seine Angehörigen in Los Angeles über seinen Aufenthaltsort und ermöglichte ihnen, sein Mobiltelefon über einen Google-Tracker zu orten. Danach konnten sie ihn telefonisch nicht mehr erreichen. Ab dem 29. Juli 2020 bewegte sich das Mobiltelefon dem Tracker zufolge über Buraimi und Suhar im Oman in den Iran. Einen Monat später zeigte das iranische Staatsfernsehen ein Video, in dem Jamshid Sharmahd mit verbundenen Augen und geschwollenem Gesicht leise sagte, er habe einer Terrorgruppe Explosionsmaterial zur Verfügung gestellt. Weitere Propagandabilder zeigten, wie schwer bewaffnete Männer mit Sturmhauben ihn in Handschellen abführten. Der Leiter des Geheimdienstministeriums Irans behauptete, man habe ihn durch eine „komplexe Operation“ gefasst. Das Regime beschuldigte ihn ohne jeden Beweis, er habe einen Bombenanschlag geplant. Die UN-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen, das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und Menschenrechtsgruppen gehen davon aus, dass iranische Regimekräfte Sharmahd wie dutzende Oppositionelle zuvor entführt, verschleppt, gefoltert und so ein erfundenes Geständnis erzwungen haben.[4] Irans Behörden hielten den Ort geheim, wo sie Sharmahd gefangen hielten, und erlaubten keine Besuche. Die Angehörigen durften nur selten mit ihm für wenige Minuten telefonieren. Jedes Telefonat wurde von mehreren Wächtern überwacht. Obwohl Sharmahd keine Details zu seinen Haftumständen mitteilen durfte, gab er seiner Tochter indirekt zu verstehen, dass man ihm die Zähne ausgeschlagen hatte, er nie Tageslicht sah, nur mit seinen Peinigern sprechen und keinen Rechtsanwalt auswählen durfte, sondern ihm ein regimetreuer Anwalt gestellt wurde.[4]
Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI), die den Fall begleitet, wurde Sharmahd jahrelang ohne Rechtsbeistand in Isolationshaft gehalten, war der Folter ausgesetzt und erhielt keine Medikamente. Obwohl sein Gesundheitszustand sich in der Haft stark verschlechterte, verweigerten Irans Behörden ihm systematisch eine angemessene medizinische Versorgung.[7] Der Anwalt des Regimes gab gegenüber den Angehörigen zu, dass Sharmahd als politische Geisel festgehalten werde, um westliche Staaten, in diesem Fall Deutschland, zu erpressen.[8] Konsularischer Zugang wurde ihm verwehrt.[9] Bis Juli 2022, anderthalb Jahre lang, durfte Sharmahds Tochter Gazelle nicht mehr mit ihrem Vater telefonieren; auch seiner Frau wurden mehrere Telefonate mit ihm verboten.Im Juli 2022 begann Irans Regime einen Schauprozess gegen Sharmahd mit mehreren Anhörungen. Er wurde angeklagt, an einem Bombenanschlag auf eine Moschee in Schiras (Provinz Fars) im Jahr 2008 mit 14 Toten und über 200 Verletzten beteiligt gewesen zu sein. Jedoch hatte Irans Nationaler Sicherheitsrat selbst im Jahr 2008 über die staatliche Nachrichtenagentur Fars News eine Bombe und einen Anschlag von Oppositionellen als Ursache der Explosion in der Moschee in Schiras ausgeschlossen und einen Unfall durch explodierende Munition aus dem früheren Krieg Irans mit Irak als Ursache angegeben. Doch nach fünf Prozessterminen im Juli 2022 teilte der vom Regime gestellte Anwalt Gazelle Sharmahd mit, ein letzter öffentlicher Prozesstag stehe bevor. Das Todesurteil gegen ihren Vater sei sicher. Dessen baldige Hinrichtung wurde befürchtet. AI und die exiliranische National Union For Democracy in Iran (NUFDI) appellierten dringend an die US-Regierung von Präsident Joe Biden, Sharmahd und andere widerrechtlich Gefangene in Iran aus der Gefahr der Folter und Hinrichtung zu retten. AI verwies dabei auch auf den Widerspruch der erfundenen Anklage gegen Sharmahd zur früheren staatlichen Erklärung der Explosion in Schiras. Gazelle Sharmahd informierte westliche Medien und erklärte, das Regime mache ihren Vater zum nachträglichen Sündenbock für den Unfall von 2008 in Schiras, um Dissidenten zu verfolgen. Sie kritisierte die deutsche Bundesregierung für Passivität gegenüber dem Regime Irans. Diese erklärte, sie verurteile die Todesstrafe allgemein und suche weiter konsularischen Zugang zu Sharmahd. Mehrere prominente Exiliraner forderten die Bundesregierung aus diesem Anlass auf, unmissverständlich den Abbruch aller wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen zu Iran anzukündigen, falls Sharmahd hingerichtet werde.[10]
Im Dezember 2022 setzte Irans Regime den Schauprozess gegen Jamshid Sharmahd fort. Fotografien der staatlichen Nachrichtenagenturen zeigten ihn gebeugt und verstört. Ein angekündigtes Todesurteil wurde zunächst ausgesetzt. Vermutet wurde, dass das Regime wegen der laufenden Proteste im Iran seit September 2022 zusätzlichen internationalen Druck vermeiden wollte und abwartete.[4] Am 21. Februar 2023 gab ein staatliches Justizportal in Iran bekannt, dass ein iranisches Gericht Sharmahd wegen „Korruption auf Erden“ zum Tod verurteilt hat. Sharmahd und seine Familie hatten seine Beteiligung an den ihm zugeschriebenen Gewalttaten bestritten. Menschenrechtler stufen das Urteil wegen des fehlenden Rechtsverfahrens, fehlender Beweismittel und des durch Folter erzwungenen Geständnisses als reines Unrechtsurteil ein.[7] Anfang März 2023 gab Irans Justiz eine Berufung gegen das Todesurteil direkt an den Obersten Gerichtshof der Islamischen Republik Iran weiter.[11] Am 26. April wurde das Urteil bestätigt.[12] Ende Oktober 2024 berichteten iranische Medien über die vollstreckte Hinrichtung.
Quelle Wikipedia