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Gedenkseite für Horst Schulze
Gäbe es einen Preis für den wandlungsfähigsten Schauspieler der ehemaligen DDR, Horst Schulze würde ihn mit Leichtigkeit gewinnen.
Der gebürtige Dresdner avancierte in seiner Heimatstadt ab 1956 unter anderem als Hamlet, Torquato Tasso, Marquis Posa, Franz Moor, Fiesco, Mephisto, Slift in “Die heilige Johanna der Schlachthöfe” sowie als Therisites in “Troilus und Cressida” zum Publikumsmagneten. Doch auch die heitere Muse beherrschte er virtous wie etwa in der Titelrolle des Georges Duroy in dem Musical “Bel Ami”.
Dann folgte er dem Ruf in die Hauptstadt, wo er zunächst am Berliner Ensemble auftrat und später am Metropoltheater in den umjubelten Aufführungen von “My Fair Lady” als Professor Henry Higgins und “Mein Freund Bunbury” als Algernon Moncrieff zu bewundern war. An der Staatsoper verkörperte er in Mozarts “Die Zauberflöte” den Papageno.
Doch nicht das Theater brachte Horst Schulze die größte Popularität sondern seine Mitwirkung in zahlreichen Kino- und Fernsehfilmen. 1965 verkörperte er in dem DEFA-Film “Solange Leben in mir ist” Karl Liebknecht und setzte mit bewegender Güte und tiefempfundenem Pathos dem berühmten Sozialisten ein bleibendes Denkmal fernab aller Heldenklischees. 1972 spielte er ihn in dem Fortsetzungsfilm “Trotz alledem” erneut. Zahlreiche weitere, höchst unterschiedliche historische Persönlichkeiten folgten: die antifaschistischen Widerstandskämpfer Hans Beimler, Adam Kuckhoff, Ernst Schneller und Dr. Theodor Neubauer, der Mitbegründer der SPD Wilhelm Liebknecht, der Internist Theodor Brugsch, der Kirchenpoet Erdmann Neumeister sowie der preußische Gelehrte und Bildungsreformer Wilhelm von Humboldt.
Mit aristokratischer Würde verkörperte Horst Schulze literarische Figuren gehobener Stände wie den preußischen Landrat Geert von Instetten in der Fontane-Adaption “Effi Briest”, der sein Lebensglück auf dem Altar überholter gesellschaftlicher Konventionen opfert sowie den Prager Zeitungsverleger Alexander Reither in der F. C. Weiskopf-Verfilmung “Abschied vom Frieden”, der nicht nur den Verlust der von ihm innig geliebten Frau erleidet sondern auch den Untergang einer ganzen, von ihm und seiner gesellschaftlichen Klasse für selbstverständlich genommenen Epoche erlebt.
Mit eben solcher großer Glaubwürdigkeit gestaltete er in dem Mehrteiler “Märkische Chronik” den durch schmerzliche Lebenserfahrungen gereiften Landbriefträger, der nach dem Zweiten Weltkrieg zum Landrat avanciert und sich in seiner neuen Funktion aufopfert bis ihn viel zu früh der Tod ereilt.
Uneingeschränkt positiven Figuren wie beispielsweise der klassenbewusste Berliner Arbeiter Wilhelm Reinhardt in dem fünfteiligen Fernsehfilm “Begegnungen” sowie die charismatischen, cleveren Kundschafter in den Fernsehserien “Das Geheimnis der Anden” und “Das unsichtbare Visier” stehen abgrundtief negative Charaktere gegenüber wie etwa der skrupellose Nazikriegsverbrecher in “Lebende Ware”, der aus dem Elend der von ihrer Vernichtung bedrohten jüdischen Bürger seinen materiellen Vorteil zieht sowie der sich durch einen eiskalt ausgeführten Mord seiner Ehefrau als lästiger Mitwisserin um seine verbrecherische Vergangenheit entledigende ehemalige KZ-Arzt in “Für Mord kein Beweis”.
Kein Genre, keine Rolle in der Horst Schulze nicht zu überzeugen wusste: der couragierte westdeutsche Journalist in “Tote reden nicht”, der von keinerlei moralischen Bedenken getriebene amerikanische Chefredakteur in “Tempel des Satans”, der an seiner Selbstherrlichkeit fast scheiternde Kombinatsleiter in “Zeit ist Glück”, der um seine Reputation in der Öffentlichkeit zu erhalten einen Mord billigend in Kauf nehmende westdeutsche Generaldirektor in “Mord am Montag”. Sogar einen Indianerfilm wie “Weiße Wölfe” adelte er als ruchloser Minenboss mit seiner Präsenz. Leider besetzte man Horst Schulze nur selten in komödiantischen Rollen, doch als sächselnder und gleichzeitig mit französischen Floskeln um sich werfender Justizrat Walter in "Jungfer Sie gefällt mir", der bei seinem stetigen Bemühen um sein eigenes Wohl einst sogar seine Gattin zwangsrekrutierte sowie als mit den Nachwirkungen eines allzu feucht-fröhlichen Tanzabendes ringender Zahnarzt in der Fernsehserie “Hochhausgeschichten” amüsiert er so sehr, dass man ihn gern häufiger in diesem Genre gesehen hätte.
Mit seiner wunderbar nuancenreichen, stets von neuem faszinierenden Darstellungskunst hat Horst Schulze unvergängliche Werke geschaffen, für die ihm seine Verehrer von Herzen dankbar sind.
© Text: Manuela Hertel