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Gedenkseite für Helmut Schmidt
Helmut Schmidt wurde 1918 in Hamburg als älterer von zwei Söhnen des Lehrerehepaares Gustav Ludwig Schmidt und Ludovica Schmidt (geb. Koch) geboren. Schmidt besuchte in Hamburg die Lichtwarkschule, welche er 1937 mit dem Abitur abschloss.
Als 17-jähriger Schüler flog Helmut Schmidt 1936 wegen zu „flotter Sprüche“ aus der Marine-Hitlerjugend, in die er zwei Jahre zuvor mit seinem Schülerruderverein eingegliedert worden war. Nach dem Abitur im März 1937 leistete Schmidt einen sechsmonatigen Arbeitsdienst in Hamburg-Reitbrook. Am 1. Oktober 1937 wurde er zum Wehrdienst bei der Flakartillerie in Bremen-Vegesack eingezogen. In dieser Zeit hatte er eine freundschaftliche Beziehung zu Tim und Cato Bontjes van Beek und deren Familie.
Ab 1939 war der Feldwebel der Reserve zur Luftverteidigung Bremens eingesetzt. Im Jahr 1941 wurde er als Leutnant der Reserve in das Oberkommando der Luftwaffe nach Berlin versetzt. Von August bis Ende 1941 diente Schmidt als Offizier in einer leichten Flakabteilung der 1. Panzer-Division an der Ostfront. Er war u. a. an der Leningrader Blockade beteiligt; er erhielt das Eiserne Kreuz 2. Klasse. Anschließend war er bis 1944 als Referent für Ausbildungsvorschriften der leichten Flakartillerie im Reichsluftfahrtministerium in Berlin und in Bernau eingesetzt.
Als Angehöriger des Reichsluftfahrtministeriums wurde Oberleutnant Helmut Schmidt als Zuschauer zu den Schauprozessen des Volksgerichtshofes gegen die Männer des Attentats vom 20. Juli 1944 abkommandiert. Angewidert vom Verhalten des Vorsitzenden Richters Roland Freisler ließ sich Schmidt von seinem vorgesetzten General von der Zuhörerschaft entbinden.
Ab Dezember 1944 als Batteriechef an der Westfront zunächst nach Belgien versetzt, äußerte er sich Anfang 1945 während einer Übung auf dem Flak-Schießplatz Rerik an der Ostsee kritisch über Reichsmarschall Hermann Göring und das NS-Regime. Dafür wollte ihn ein NS-Führungsoffizier vor Gericht stellen lassen. Ein Prozess wurde jedoch verhindert, indem zwei vorgesetzte Generäle Schmidt durch ständige Versetzungen dem Zugriff der Justiz entzogen.
Im April 1945 geriet Schmidt in Soltau in der Lüneburger Heide in britische Kriegsgefangenschaft. In einem belgischen Gefangenenlager in Jabbeke nahm ihm der Vortrag von Hans Bohnenkamp mit dem Titel Verführtes Volk im Juni 1945 die letzten „Illusionen“ über den Nationalsozialismus. Am 31. August 1945 wurde er aus der Kriegsgefangenschaft entlassen.
Schmidt machte in Zusammenhang mit der Zeit des Nationalsozialismus teils widersprüchliche Angaben. Er behauptete, Gegner der Nationalsozialisten gewesen zu sein. Am 1. Februar 1942 schrieb sein Vorgesetzter in der Beurteilung: „Steht auf dem Boden der nat. soz. Weltanschauung und versteht es, dieses Gedankengut weiterzugeben.“ Auch die beiden anderen Beurteilungen in der Wehrmacht vom 10. September 1943, „einwandfreie nationalistische Haltung“, und vom 18. September 1944, „Nationalistische Haltung tadelfrei“, welche erst 2014 bekannt wurden, weisen ihn nicht als Gegner der Nationalsozialisten aus. In der Sendung „Menschen bei Maischberger“ in der Nacht vom 28. April 2015 auf den 29. April 2015 wies er diesen Vorwurf als unsinnig zurück. In der damaligen Zeit sei es üblich gewesen, dass Kommandeure ohne Rücksicht auf die tatsächliche Gesinnung des Soldaten Gefälligkeitszeugnisse ausstellten. Ernst genommen habe diese Bescheinigungen weder der Beurteiler noch der Beurteilte.
Nach Gründung der Bundeswehr wurde Schmidt im März 1958 zum Hauptmann d. R. befördert. Im Oktober/November 1958 nahm er an einer Wehrübung in der ehemaligen „Iserbrook-Kaserne“ in Hamburg-Iserbrook teil; noch während der Übung wurde er mit der Begründung, er sei ein Militarist, aus dem Vorstand der SPD-Bundestagsfraktion abgewählt.
Nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft studierte Schmidt in Hamburg Volkswirtschaftslehre sowie Staatswissenschaft und beendete sein Studium 1949 als Diplom-Volkswirt. Im Anschluss war er bis 1953 bei der von Karl Schiller geleiteten Behörde für Wirtschaft und Verkehr der Freien und Hansestadt Hamburg tätig. Hier leitete er von 1952 bis 1953 das Amt für Verkehr.
Unmittelbar nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft 1945 schloss sich Schmidt, nach eigenen Angaben beeinflusst durch den Mitgefangenen Hans Bohnenkamp, der SPD an. Hier engagierte er sich zunächst im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS). 1947/1948 war er dessen Vorsitzender in der Britischen Besatzungszone.[15] Von 1968 bis 1984 war Schmidt stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD. Anders als die beiden anderen sozialdemokratischen Bundeskanzler Willy Brandt und Gerhard Schröder war Schmidt nie Bundesvorsitzender seiner Partei.
Als Vorbilder in seiner eigenen Partei bezeichnet Schmidt unter anderem Max Brauer, Fritz Erler, Wilhelm Hoegner, Wilhelm Kaisen, Waldemar von Knoeringen, Heinz Kühn und Ernst Reuter.
Zu seiner Motivation, sich politisch zu engagieren, äußerte sich Schmidt 2008:
„Ehrgeiz ist ein Begriff, den ich auf mich nicht anwenden würde; natürlich lag mir an öffentlicher Anerkennung, aber die Antriebskraft lag woanders. Die Antriebskraft war typisch für die Generation, der ich angehört habe: Wir kamen aus dem Kriege, wir haben viel Elend und Scheiße erlebt im Kriege, und wir waren alle entschlossen, einen Beitrag dazu zu leisten, dass all diese grauenhaften Dinge sich niemals wiederholen sollten in Deutschland. Das war die eigentliche Antriebskraft.[16]“
Von 1953 bis zum 19. Januar 1962 und von 1965 bis 1987 war Schmidt Mitglied des Deutschen Bundestages. Nach seinem Wiedereinzug 1965 wurde er sofort stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Von 1967 bis 1969, während der ersten Großen Koalition der Bundesrepublik, hatte er schließlich den Vorsitz der Fraktion inne. Schmidt bekannte später, dass ihm dieses Amt während seiner politischen Laufbahn am meisten Spaß gemacht habe. Vom 27. April 1967 bis 1969 leitete er den Fraktionsarbeitskreis Außenpolitik und gesamtdeutsche Fragen.
Vom 27. Februar 1958 bis zum 29. November 1961 war er außerdem Mitglied des Europäischen Parlaments.
Schmidt zog 1953 und 1965 über die Landesliste Hamburg, 1957 und 1961 als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Hamburg VIII und danach stets als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Hamburg-Bergedorf in den Bundestag ein.
Vom 13. Dezember 1961 bis zum 14. Dezember 1965 amtierte Schmidt unter den Ersten Bürgermeistern Paul Nevermann und Herbert Weichmann als Senator der Polizeibehörde (ab Juni 1962: Innensenator) der Freien und Hansestadt Hamburg. In diesem Amt erlangte er vor allem als Krisenmanager bei der Sturmflut 1962 an der deutschen Nordseeküste in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar 1962 Popularität und sehr hohes Ansehen. Er koordinierte den Großeinsatz von Rettungsdiensten, Katastrophenschutz und THW. Ohne dazu durch gesetzliche Grundlagen legitimiert zu sein, nutzte Schmidt bestehende Kontakte zur Bundeswehr und NATO, um mit Soldaten, Hubschraubern, Pioniergerät und Versorgungsgütern von Bundeswehr und Alliierten schnelle und umfassende Hilfe zu ermöglichen. Schmidt schuf damit ein Vorbild für Einsätze von Bundeswehr und Militärressourcen im Inland im Rahmen von Amts- und Nothilfe bei Naturkatastrophen. Er wird hierzu mit den Worten zitiert: „Ich habe das Grundgesetz nicht angeguckt in jenen Tagen.“ Im Januar 1963 ermittelte die Bundesanwaltschaft im Zuge der Spiegel-Affäre gegen den Innensenator wegen Beihilfe zum Landesverrat. Hintergrund war, dass Schmidt im Herbst 1962 der Bitte seines Studienfreunds Conrad Ahlers um Überprüfung von Auszügen des kurz vor der Veröffentlichung stehenden Artikels „Bedingt abwehrbereit“ auf strafrechtliche Veröffentlichungshindernisse nachkam. Das Verfahren wurde Anfang 1965 eingestellt.
Bei den Wahlen von 1965 errang Schmidt erneut ein Bundestagsmandat. Als ein Jahr später die unionsgeführte Regierung Ludwig Erhard stürzte, bildete die SPD zusammen mit den Unionsparteien CDU/CSU die erste Große Koalition mit Kurt Georg Kiesinger (CDU) als Kanzler und Willy Brandt (SPD) als Vize-Kanzler und Außenminister. Schmidt, der aufgrund der Erkrankung Fritz Erlers bereits seit Herbst 1966 kommissarisch den Vorsitz der SPD-Bundestagsfraktion führte und ihn nach Erlers Tod im Februar 1967 auch offiziell übernahm, und Rainer Barzel fielen dabei als Fraktionsvorsitzenden der beiden Haupt-Koalitionspartner Schlüsselrollen bei der Abstimmung der parteiinternen Arbeit zu. Auf dieser Basis entstand ein persönliches Freundschaftsverhältnis mit dem politischen Gegner Barzel, das bis zu dessen Tod im Jahre 2006 anhielt. Schmidt hielt im Bundestag beim Staatsakt für Rainer Barzel die Trauerrede. Schmidts erfolgreiche Tätigkeit als Hamburger Innensenator und Fraktionsvorsitzender machten ihn zu einem der ersten Anwärter seiner Partei auf höhere Regierungsaufgaben in der Bundespolitik.
Nach dem Wahlsieg der SPD in der Bundestagswahl 1969 und der Vereinbarung der Sozialliberalen Koalition mit der FDP berief Bundeskanzler Willy Brandt Schmidt am 22. Oktober 1969 als Bundesminister der Verteidigung in die neue Bundesregierung. In seiner Amtszeit wurde der Grundwehrdienst von 18 auf 15 Monate verkürzt und die Gründung der Bundeswehruniversitäten in Hamburg und München beschlossen.
Am 7. Juli 1972 übernahm er nach dem Rücktritt von Professor Karl Schiller das Amt des Finanz- und Wirtschaftsministers. Nach der Bundestagswahl 1972 wurde dieses „Superministerium“ wieder geteilt. Die FDP stellte ab dem 15. Dezember 1972 den Bundeswirtschaftsminister; Schmidt führte weiterhin das Bundesministerium der Finanzen.
Nach dem Rücktritt Willy Brandts als Regierungschef wählte der Bundestag Schmidt am 16. Mai 1974 mit 267 Ja-Stimmen zum fünften Kanzler der Bundesrepublik.
Die größten Herausforderungen während seiner Amtszeit waren die weltweite Wirtschaftsrezession (Stagflation) und die Ölkrisen der 1970er Jahre, die die Bundesrepublik unter seiner Führung besser überstand als die meisten anderen Industriestaaten, sowie die Rentenfinanzierung 1976/1977 und der Terrorismus der Rote Armee Fraktion (RAF) im sogenannten „Deutschen Herbst“. Seine frühere Verhandlungsbereitschaft mit den Terroristen, speziell bei der Entführung von Peter Lorenz 1975, sah er später als Fehler an. Er verfolgte von da an eine unnachgiebige harte Linie, die ihm mitunter harsche Kritik seitens der Angehörigen von Opfern einbrachte. In einem Interview sagte Schmidt im Jahr 2007, er habe die enorme Verantwortung für das Leben anderer bei Geiselnahmen wie der von Hanns Martin Schleyer als existenziell bedrückend empfunden. Insgesamt gesehen habe die Epoche des linken Terrorismus durch die Medien ein Gewicht bekommen, das ihre tatsächliche Bedeutung für die deutsche Geschichte deutlich übersteige.
Schmidt war entschiedener Befürworter der Stromerzeugung aus Kernkraft. 1977 beabsichtigte seine Regierung die Errichtung einer Anlage zur Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen in Gorleben.
Gemeinsam mit dem französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing, mit dem ihn eine persönliche Freundschaft verband, verbesserte Schmidt die deutsch-französischen Beziehungen und verwirklichte entscheidende Schritte hin zur weiteren europäischen Integration. So wurde kurz nach Schmidts Amtsübernahme der Europäische Rat etabliert, und auch die wirtschaftspolitisch bedeutendste Maßnahme seiner Regierungszeit ergriff er in Zusammenarbeit mit Giscard: die Einführung des Europäischen Währungssystems und der Europäischen Währungseinheit (ECU) zum 1. Januar 1979, aus denen später die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion und der Euro hervorgehen sollten. Auf eine Idee Schmidts und Giscards ging auch die Gründung der Gruppe der 7 (G7) zurück.
Im Jahr 1977 wies Schmidt als erster westlicher Staatsmann auf die Gefahren für das Rüstungsgleichgewicht durch die neuen SS-20 Mittelstreckenraketen der Sowjetunion hin: Er befürchtete, die Fähigkeit der Sowjetunion, Westeuropa atomar angreifen zu können, ohne dabei seine Schutzmacht USA in Mitleidenschaft zu ziehen, könnte auf Dauer zu einer Entkoppelung der amerikanischen von den europäischen Sicherheitsinteressen führen. Er drängte daher auf den sogenannten NATO-Doppelbeschluss, der die Aufstellung von Mittelstreckenraketen in Westeuropa vorsah, dies aber mit einem Verhandlungsangebot an die Sowjetunion verband, beiderseits auf diese Waffensysteme zu verzichten. Dieser Beschluss war in der Bevölkerung und vor allem in der eigenen Partei sehr umstritten. Aus der Protestbewegung gegen den NATO-Doppelbeschluss, die sich mit der wachsenden Zahl von Umweltschützern verband, ging am Ende von Schmidts Regierungszeit die neue Partei der Grünen hervor.
Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Abkehr der SPD vom durch Schmidt initiierten Nato-Doppelbeschluss zerfiel im Spätsommer 1982 die von ihm geführte sozialliberale Koalition an Differenzen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik (Bundeshaushalt, öffentliche Verschuldung, Beschäftigungsprogramme). Am 17. September 1982 traten sämtliche FDP-Bundesminister (Hans-Dietrich Genscher, Gerhart Baum, Otto Graf Lambsdorff und Josef Ertl) zurück. Schmidt übernahm daher zusätzlich zum Amt des Bundeskanzlers noch das Amt des Bundesministers des Auswärtigen (wie als einziger Bundeskanzler sonst nur Konrad Adenauer) und führte die Regierungsgeschäfte ohne Mehrheit im Bundestag weiter. Am 1. Oktober 1982 wurde durch ein konstruktives Misstrauensvotum mit den Stimmen von CDU, CSU und der Mehrheit der FDP-Fraktion Helmut Kohl zu seinem Nachfolger im Amt des Bundeskanzlers gewählt.
Schmidt verlor danach in der SPD fast jede Unterstützung für seine Sicherheitspolitik: Auf dem Kölner Parteitag der SPD vom 18. und 19. November 1983 stimmten von rund 400 Delegierten neben Schmidt nur 14 dem Seeheimer Kreis zugehörige Delegierte für den NATO-Doppelbeschluss; darunter der frühere Verteidigungsminister Hans Apel. Am 10. September 1986 hielt Helmut Schmidt seine Abschiedsrede im Bundestag und schied aus dem Haus aus.
Die Sicherheitspolitik Schmidts wurde derweil von der christlich-liberalen Koalition fortgeführt. Sie mündete in den Abschluss der INF-Verträge am 8. Dezember 1987.[23] Mit dem Zustandekommen dieses Abkommens wurde das bereits 1977 von Schmidt formulierte Fernziel des NATO-Doppelbeschlusses von 1979 – die beidseitige Vernichtung sowjetischer und US-amerikanischer atomarer Mittelstreckenraketen – erreicht.
Schmidt wurde während seiner politisch aktiven Zeit aufgrund seines Redetalents gerade auch von Gegnern „Schmidt Schnauze“ genannt. Sein ökonomischer Sachverstand fand breite Anerkennung.[Schmidt befasste sich außerdem intensiv mit Fragen der Strategie und insbesondere der Nuklearstrategie und war als Kenner nahezu der gesamten einschlägigen Fachliteratur einer der ausgewiesensten Experten in der politischen Klasse der westlichen Welt auf diesem Gebiet. Eine Freundschaft verband ihn mit dem früheren französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing sowie mit dem ehemaligen Außenminister der Vereinigten Staaten, Henry Kissinger. Zusammen mit Giscard d’Estaing rief Schmidt 1975 den Weltwirtschaftsgipfel ins Leben, der als eigentlich informelle Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs der bedeutendsten westlichen Demokratien geplant war. Teilnehmer des ersten Treffens (auf Schloss Rambouillet) waren die Regierungschefs aus Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten.
Seit 1983 war Schmidt Mitherausgeber der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit. Nach seiner Abwahl als Bundeskanzler übernahm er kein politisches Amt mehr, entfaltete aber eine rege publizistische Tätigkeit als Buchautor, Vortragsredner und gefragter Elder Statesman.
Schmidt war Mitglied des Vereins "Atlantik-Brücke§ und Ehrenpräsident der Deutsch-Britischen Gesellschaft. 1993 gründete er die Deutsche Nationalstiftung, deren Ehrenvorsitzender er war. Die Stiftung möchte das Zusammenwachsen Deutschlands und die Idee der deutschen Nation als Teil eines vereinten Europas unterstützen. Gleichfalls hatte er den Ehrenvorsitz des ebenfalls von ihm selbst mitbegründeten InterAction Council inne, eines Rates ehemaliger Staatsmänner und -frauen, den er mit Freunden initiierte und dessen Vorsitzender er von 1985 bis 1995 war. 1993 wurde die Helmut-und-Loki-Schmidt-Stiftung (Hamburg) gegründet. 1995–1999 war er Präsident des Deutschen Polen-Instituts (Darmstadt). Sein Privatarchiv wird im Archiv der sozialen Demokratie verwaltet. Schmidt gehörte 1997 zu den Erstunterzeichnern der Allgemeinen Erklärung der Menschenpflichten.
Helmut Schmidt gründete 1995 nach dem Vorbild der Mittwochsgesellschaft die Freitagsgesellschaft, die den Zweck verfolgt, im Rahmen von Vortragsabenden und anschließender Diskussion den Austausch ihrer Mitglieder über ihr eigenes berufliches Gebiet hinaus zu fördern. Auf diesem Wege informieren sich Politiker, Unternehmer, Künstler, Ärzte und Wissenschaftler gegenseitig über die neuesten Entwicklungen auf ihrem Gebiet und diskutieren Fragen des öffentlichen Wohls. Die Vortragsabende finden jeden zweiten Freitag im Monat im Haus Helmut Schmidts in Hamburg-Langenhorn statt. Das Interesse der Gesellschaft liegt dabei besonders auf der Außen- und Weltpolitik. Die Innenpolitik nimmt in der Freitagsgesellschaft eher eine Nebenrolle ein. Darüber hinaus werden verschiedene Themen aller Fachrichtungen behandelt. Die Vorträge werden protokolliert und den Mitgliedern anschließend schriftlich zugänglich gemacht. Einige dieser Niederschriften wurden in den Büchern Erkundungen – Beiträge zum Verständnis unserer Welt, 1999 und Vertiefungen – Neue Beiträge zum Verständnis unserer Welt, 2010 von Helmut Schmidt veröffentlicht.
An der Eberhard Karls Universität Tübingen, wo er auf Einladung des Präsidenten der Stiftung Weltethos Hans Küng die 7. Weltethosrede hielt, führte Schmidt im Mai 2007 aus, in der rechtsstaatlich-demokratischen Ordnung komme der Vernunft der Politiker, nicht aber deren spezifischem religiösem Bekenntnis, eine verfassungspolitisch entscheidende Rolle zu. Vom Wirken der Kirchen sei er moralisch, politisch und ökonomisch enttäuscht, und nichts sei für ihn unwichtiger als die Theologie. Nach dem Zweiten Weltkrieg hätten die Kirchen weder eine Neubegründung der Moral noch der Demokratie und des Rechtsstaates geleistet. Trotz seiner gewachsenen Distanz bekenne er sich zum Verbleib in der Kirche (als Kirchenmitglied), denn sie setze Gegengewichte gegen den moralischen Verfall.
Im Jahr 2005 bezeichnete Schmidt die Massenarbeitslosigkeit als das größte deutsche Problem. Er lobte die „Agenda 2010“ Gerhard Schröders und sah in ihr einen ersten Schritt zur Bewältigung der Folgen des demografischen Wandels. Er hielt das Reformprogramm jedoch für nicht ausreichend und sprach sich schon 1997[29] für eine Deregulierung des deutschen Arbeitsmarktes aus, darunter für eine Einschränkung des Kündigungsschutzes. Die Zumutbarkeitskriterien für Arbeitslose sollten weiter verschärft werden und das Arbeitslosengeld II für mehrere Jahre nominal eingefroren werden (beziehungsweise real sinken). Den Flächentarifvertrag sah Schmidt als überholt an und forderte dessen weitgehende Abschaffung; der Einfluss der nach seiner Ansicht allzu mächtigen Gewerkschaften sollte zurückgeführt werden. Nur nach Umsetzung dieser Reformen könnte laut Schmidt ein (jedoch relativ niedriger) Mindestlohn eingeführt werden. Zur Finanzierung der Renten sei eine allgemeine Arbeitszeitverlängerung (Lebens- und Wochenarbeitszeit) unumgänglich.
Außerdem war Schmidt Befürworter der Kernenergie und Gegner des Atomausstiegs, der unter der rot-grün geführten Bundesregierung beschlossen wurde. Er hielt die Ablehnung der Kernenergie in der Bevölkerung für ein Produkt der aus Zweitem Weltkrieg und Holocaust hervorgegangenen deutschen Angst vor Veränderungen.[31] Ein weiterer Konfliktpunkt mit der SPD war seine Befürwortung von allgemeinen Studiengebühren bei einer angemessenen Ausstattung des BAföG- und Stipendiensystems.
Schmidt war bereits in den 1960er Jahren Anhänger der Einführung des Mehrheitswahlrechts in Deutschland, als diese Reform Teil der innenpolitischen Agenda der damaligen Großen Koalition war. Später sah er es dem Verhältniswahlrecht gegenüber immer noch als überlegen an, hielt aber den Erfolg eines neuen Anlaufs für eine Wahlrechtsreform für ausgeschlossen. Eine häufig geforderte Ausweitung von Volksabstimmungen lehnte Schmidt ab, da sie zu sehr von der Stimmung des Volkes abhängig seien. Weiterhin kritisierte er die Art der Parteienfinanzierung in Deutschland. Langfristig wünschte er sich die vollkommene Abschaffung der staatlichen Finanzierung und der Wirtschaftsspenden. Private Mitgliederbeiträge sollten nicht mehr von der Steuer abgezogen werden können.
Dem deutschen Föderalismus, den er als „Kleinstaaterei“ bezeichnete, bescheinigte Schmidt zahlreiche historisch gewachsene Schwächen, wenngleich er sich zum Subsidiaritätsprinzip bekannte. Den „permanenten Wahlkampf im Vierteljahrestakt“ betrachtete Schmidt aufgrund des „Egoismus der Parteien“ und der Einmischung der Landes- in die Bundespolitik als lähmend, da er die gesamtstaatliche Gesetzgebung populistisch („zwecks Popularitätssteigerung“) beeinflusse oder verzögere. Daher plädierte er für eine Zusammenlegung aller in Bund und Ländern anstehenden Wahlen auf einen einzigen Termin alle zwei Jahre, nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika. Die deutsche Hauptstadt Berlin sollte nach dem Willen Schmidts finanziell gestärkt werden, wobei er eine dem Bund unterstellte und von ihm unterhaltene Hauptstadt (Bundesdistrikt) wie Washington, D.C. als das tragfähigste Modell ansah.
Helmut Schmidt beklagte zeit seines Lebens eine übermäßige deutsche „Regulierungswut“ und stellte bei der staatlichen Exekutive eine ausgeprägte „Paragraphengläubigkeit“ fest. Die politische Klasse in Deutschland sei von einer „psychischen Epidemie“ ergriffen, wovon unter anderem das 2003 eingeführte Dosenpfand und das bis 2008 durchgesetzte Rauchverbot zeugten. Daher sollten viele Gesetze abgeschafft und vereinfacht werden. Das Grundgesetz solle behutsamer und nicht so häufig geändert werden und das Bundesverfassungsgericht sich mit seinen „einengenden“ Urteilen zurückhalten. Schmidt warnte vor einer Machtverschiebung zwischen Parlament und Bürokratie. Das beste Beispiel einer Behörde, die ohne Verstand und parlamentarische Kontrolle agiert, war für ihn die KMK, die Kultusministerkonferenz, die das deutsche Rechtschreibchaos angerichtet habe.
Schmidt schaltete sich 2011 in die Debatte um die Rolle der EZB in der aktuellen Krise der Gemeinschaftswährung Euro ein. Diese war u. a. auch durch Äußerungen des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff in die Kritik geraten. Hier sprach sich Schmidt deutlich für die EZB aus, die er für ihre Unabhängigkeit lobte.
Die multikulturelle Gesellschaft bezeichnete Helmut Schmidt als „eine Illusion von Intellektuellen“. Mit einer demokratischen Gesellschaft sei das Konzept von Multikulti schwer vereinbar, so Schmidt. Es sei deshalb ein Fehler gewesen, dass die Bundesrepublik zu Beginn der 1960er Jahre Gastarbeiter aus fremden Kulturen einwandern ließ.
In der Frage der Volljährigkeit war Helmut Schmidt immer gegen die Herabsetzung vom 21. auf das 18. Lebensjahr im Jahr 1975. Damit befand er sich im Gegensatz zur Parteimeinung der SPD.
Schmidt mit dem späteren Präsidenten der Vereinigten Staaten, Ronald Reagan, 1978
In der Außenpolitik legte Schmidt sehr großen Wert auf das Prinzip der Nichteinmischung in die Angelegenheiten souveräner Staaten. Kritisch bezog Schmidt Stellung zu so genannten humanitären Interventionen wie auf dem Balkan: „Leider erleben wir, was das Völkerrecht angeht, im Augenblick nur Rückschritte, nicht nur bei den Amerikanern, sondern auch auf deutscher Seite. Was wir im Kosovo und in Bosnien-Hercegovina gemacht haben, verstieß eindeutig gegen das damals geltende Völkerrecht.“
Schmidt war Gegner des geplanten Beitritts der Türkei zur Europäischen Union. Er befürchtete, dass der Beitritt die außenpolitische Handlungsfreiheit der EU gefährden würde, sowie ferner, dass der Beitritt und die damit verbundene Freizügigkeit die seiner Ansicht nach dringend gebotene Integration der in Deutschland lebenden türkischen Staatsbürger aussichtslos werden ließe.
Den G8-Gipfel in seiner heutigen Ausführung bezeichnete er als „Medienspektakel“ und forderte die Erweiterung um China, Indien, die großen Erdöl-Exporteure und die Entwicklungsländer.
Schmidt nannte die Debatte um die globale Erwärmung im Juni 2007 „hysterisch überhitzt“. Einen klimatischen Wechsel gebe es schon immer; die Ursachen seien „einstweilen nicht ausreichend erforscht“. Im Jahr 2011 konstatierte Schmidt einerseits: „Die von vielen Regierungen international betriebene sogenannte Klimapolitik steckt noch in ihren Anfängen. Die von einer internationalen Wissenschaftlergruppe“ – (gemeint Intergovernmental Panel on Climate Change) – „bisher gelieferten Unterlagen stoßen auf Skepsis. Jedenfalls sind die von einigen Regierungen öffentlich genannten Zielsetzungen bisher weniger wissenschaftlich als vielmehr lediglich politisch begründet“, sprach sich jedoch auch für eine Neuorientierung in der Energiepolitik aus, da die fossilen Reserven begrenzt seien und zudem der Klimaveränderung, soweit sie energiebedingt sei, entgegengewirkt werden müsse.
Als größte internationale Herausforderung der Zukunft bezeichnete er die globale Bevölkerungsexplosion und die damit verbundene Bewältigung von Ernährungs-, Energie- und Umweltschutzfragen.
Schmidts Vater Gustav (1888–1981), unehelicher Sohn des jüdischen deutschen Privatbankiers Ludwig Gumpel und einer Kellnerin, wurde von der Familie Schmidt adoptiert. Im Haus eines Hafenarbeiters aufgewachsen, hatte sich Gustav Schmidt nach einer Lehre in einer Anwaltskanzlei mit dem Berufsziel Bürovorsteher zum Volksschullehrer fortgebildet. Später machte er das Handelslehrerdiplom und war zuletzt Studienrat.[41] Die beiden Söhne von Gustav und Ludovica Schmidt, Helmut und sein jüngerer Bruder Wolfgang († 2006), besuchten die Volksschule Wallstraße östlich der Außenalster und im Anschluss daran die Lichtwark-Oberschule am Grasweg in Winterhude.
Nach Aussage Schmidts, selbst Protestant, vertuschten er und sein Vater dessen jüdische Abstammung durch Urkundenfälschung, so dass der Ariernachweis erteilt wurde. Als „jüdischer Mischling zweiten Grades“ wäre Schmidt benachteiligt worden und eine Offizierslaufbahn in der Wehrmacht wohl ausgeschlossen gewesen.
In der Öffentlichkeit gab Schmidt diese Zusammenhänge erst 1984 auf Nachfrage bekannt, als Journalisten dies von Giscard d’Estaing über dessen deutschen Freund erfuhren. In seinen Kindheits- und Jugenderinnerungen (1992) schreibt er, seine Herkunft habe seine Ablehnung des Nationalsozialismus mitbestimmt.
Helmut Schmidt heiratete am 27. Juni 1942 Hannelore Glaser („Loki“, 1919–2010). Die kirchliche Trauung fand am 1. Juli 1942 in der St.-Cosmae-und-Damiani-Kirche zu Hambergen statt. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Ihr in Bernau bei Berlin behindert geborener Sohn Helmut Walter (* 26. Juni 1944) starb dort am 19. Februar 1945 noch vor seinem ersten Geburtstag. Tochter Susanne, die für den Wirtschaftsfernsehsender Bloomberg TV in London arbeitet, wurde im Mai 1947 in Hamburg geboren.
Im Herbst 1981 erkrankte Schmidt ernstlich, sodass ihm am 13. Oktober 1981 im Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz ein Herzschrittmacher eingesetzt wurde. Zuvor musste der damalige Bundeskanzler nach Adams-Stokes-Anfällen zweimal wiederbelebt werden.
Schmidt wohnte seit langem in Hamburg-Langenhorn. Einen Zweitwohnsitz hatte Schmidt am holsteinischen Brahmsee. Seine Konfession war evangelisch-lutherisch, er selbst bezeichnete sich allerdings als nicht religiös, sei aber auch kein Atheist. Im Juni 2007 äußerte er in einem Fernseh-Interview in der Sendung Menschen bei Maischberger, er vertraue nicht mehr auf Gott, u. a. weil Gott Auschwitz zugelassen habe.[49] Auf die an ihn gestellte Frage, ob er das Amt des Bundeskanzlers gerne ausgeübt habe, antwortete er mit: „Eigentlich nicht sonderlich gern, nein.“ Diese Aussage begründete er damit, dass das Amt des Bundeskanzlers eine sehr große Belastung vor allem für das Privatleben sei.
Knapp zwei Jahre nach Lokis Tod gab Schmidt im August 2012 bekannt, dass er eine neue Lebensgefährtin habe: Ruth Loah (* 27. September 1933), die seit Jahrzehnten zu seinen Vertrauten zählte.
Als Bundeskanzler sorgte Schmidt dafür, dass vor dem damaligen Bundeskanzleramt in Bonn die Skulptur Large Two Forms von Henry Moore aufgestellt wurde, die das Zusammengehören der Bundesrepublik und der DDR symbolisieren sollte. Schmidts Leidenschaft für Kunst führte so weit, dass er das Bundeskanzleramt mit zahlreichen Kunstleihgaben ausstatten ließ. Außerdem ließ er das Schild „Bundeskanzler“ vor seinem Büro entfernen und stattdessen ein Schild mit der Aufschrift „Nolde-Zimmer“ anbringen, das auf die Kunst in seinem Büro hinweisen sollte. Für die Galerie ehemaliger Bundeskanzler im Kanzleramt entschied Schmidt sich 1986 für den Leipziger Maler Bernhard Heisig als Porträtisten. Diese Wahl wurde zu dieser Zeit als Überraschung empfunden. In seinem 95. Lebensjahr saß Helmut Schmidt dem Hamburger Maler Manfred W. Jürgens Modell.
Beide Häuser Schmidts in Hamburg beherbergen zahlreiche Bilder und Grafiken unterschiedlicher Künstler, auch eigene, denn der Hausherr malte bis ins hohe Alter selbst.
Aber auch zur Musik hatte Schmidt ein besonderes Verhältnis. Er war es beispielsweise, der als Bundesverteidigungsminister die Big Band der Bundeswehr ins Leben rief. Er selbst spielte Orgel und Klavier und schätzte insbesondere die Musik von Johann Sebastian Bach. Als 17-Jähriger komponierte er vierstimmige Sätze zu Kirchenliedern. Schmidt litt seit einigen Jahren darunter, wegen seines nachlassenden Gehörs Musik nicht mehr genießen zu können; auf dem rechten Ohr war Schmidt nahezu taub, im linken trug er eine Hörhilfe, die ihm das Hören von Sprache einigermaßen ermöglichte.
Helmut Schmidt hat mehrere Schallplatten aufgenommen, in denen er als Interpret der Werke klassischer Komponisten zu hören ist, so zum Beispiel von Wolfgang Amadeus Mozart, Konzert für drei Klaviere und Orchester, KV 242, oder von Johann Sebastian Bach, Konzert für vier Klaviere und Streicher in A-Moll, BWV 1065, jeweils gemeinsam mit den Pianisten Christoph Eschenbach, Justus Frantz sowie Gerhard Oppitz.
Zu Schmidts „Hausphilosophen“ gehörten neben Mark Aurel und Immanuel Kant auch Max Weber und Karl Popper. Schmidts eigene Bemühungen als Politiker um pragmatisches Handeln zu sittlichen Zwecken und seine Beschäftigung mit der Philosophie werden von Fachleuten respektvoll gewürdigt. So schrieb Volker Gerhardt, Schmidt sei Philosoph im Sinne eines Moralisten, der sich darauf verpflichtet, ein moralischer Politiker zu sein. Er stehe in einer Linie mit Otto von Bismarck, Walther Rathenau und Winston Churchill.
(Wikipedia - Die Freie Enzyklopädie)