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Nachruf für Gotthard Döhn
... unser Freund Hardy und Baßmann der Gravestones
Am 19. Juni 2023 verstarb unser lieber Freund Hardy nach einem längeren Kampf gegen seine Lungenerkrankung – kurz nach seinem 71. Geburtstag. Unser aufrichtiges Beileid gilt Sohn Christian mit Familie, seinem jüngeren Sohn Johannes, seiner Schwester Angela mit Familie sowie allen Angehörigen, Verwandten und Freunden der gesamten Familie Döhn.
1. Die Jugendzeit und die Gravestones
Die Gruppe der Gravestones formierte sich Mitte/Ende der 1960 Jahre in Grimma und bestand aus den EOS-Schülern Gerhard Gey (Gitarre), Christoph Rieger (Gesang), Michael Ptak (Schlagzeug), Andreas Goerner (Gitarre), Manfred (Fredel) Gey (Gesang) und Gotthardt (Hardy) Döhn (Baß). Die Vorbilder im musikalischen Sinne waren die Rolling Stones – ihre Musik, der Sound und die Performance faszinierte diese 6 Jugendlichen im besonders starken Maße. Für die stalinistisch geprägten Staatsdiener wie der Oberschuldirektor und die meisten unserer damaligen Lehrer waren diese Musik und unser harmloses Outfit mit langen Haaren, Jeans und T-Shirts u.a. mit Aufschriften der beliebtesten Songs der „Stones“ antisozialistisch und galten als kapitalistische Dekadenz.
Ein Name für unsere Beat- und Rockband in Anlehnung an „unsere Stones“ war schnell gefunden, da Vater Gey in Grimma ein Grabsteingeschäft betrieb. Das Anschaffen von Instrumenten wie einfache Gitarren z.B. war für die Gruppe der Gravestones noch relativ unproblematisch. Schlagzeug, Verstärker, Mikrophone dagegen waren entweder sehr teuer (Westimporte) oder gehörten nicht zu den „Brüllern“ in der DDR-Mangelwirtschaft. Step by step konnten wir ein funktionierendes Gesamt-Equipment zusammen „klamüsern“.
Es stellte sich nun eine entscheidende Frage: Aber wo können wir proben, ohne die lieben Nachbarn, Anwohner mit unseren „Gedöns“ zu stören? Schließlich waren stets auch „Hellhörige“ darunter, die ihre „Drähte“ nach „oben“ aktivierten.
Viel Verständnis kam von Hardys Familie – vor allem von Jutta Döhn – selbst begnadete Musikantin – sie gab uns Unterschlupf. Weitere „Probenlöcher“ waren im Grabsteingeschäft, bei Geys auf dem Boden und sogar bekamen wir „Einlass“ in die Turnhalle der Roten Schule.
Der Drang zur Bühne, zum ersten öffentlichen Auftritt wurde von Tag zu Tag, von Probe zu Probe immer stärker. Schließlich absolvierten wir in unserer kurzen Schaffensperiode Auftritte im Grimmaer Sportlerheim – Maurerfest, Tennisvergnügen, Frauentag in Trages, Lizenzerwerb in Böhlen, etc.! An der Elementarstufe scheiterten wir, da zu viele „Ostsongs“ gefordert waren, die wir kaum oder gar nicht vorbereitet hatten. Dank gilt dem fleißigen und mutigen „Wittschie“ (Siegfried – Hardys Schwager), der uns plus Equipment im Wartburg in „Sieben-Mann-Stärke“ chauffierte. Ein weiterer Höhepunkt war die Fahrt von Grimma nach Colditz – damals noch mit dem Zug möglich. Mit Handwagen zogen wir früh zum Oberen Bahnhof Grimma und erwarteten den Zug. Als dieser im Bahnhof einfuhr, standen wir leider nicht dort wo der Gepäckwagen angekoppelt war, sondern am gegenüberliegenden Zugende. Die „Hatz“ über das Kopfsteinpflaster war unüberhörbar und zog die Aufmerksamkeit auf uns. Unser Tennisfreund Uli Mühe war mit im „Boot“ und ein großer Fan von uns – darüber sind wir noch heute mächtig stolz. Leider ist dieser treue Kumpel und großartige Schauspieler schon lange nicht mehr unter uns! Unser Auftritt in Colditz fand in einer Halle am Sophienplatz statt – mit zahlreichen Fans.
Auch außerhalb der Kleinstadt konnten wir die Blicke und das Interesse auf uns ziehen. Vor allem im Urlaub an den Berliner Seen (Priros) beglückten wir die Zeltplatzbewohner mit unseren nächtlichen Songs – so zusammen mit „Icke-Icke-Berliner Jungs“ oder mit dem beliebten DDR-Entertainer Hans-Georg Ponesky am Lagerfeuer.
Besonderer Dank gilt auch hier Hardy und seinen Eltern Jutta und Kurt, die uns an die Berliner Seen chauffierten, Unterkunft im Klappfix ermöglichten und uns viele schöne und unvergessliche Stunden auf ihrem Hausboot Marke Eigenbau bereiteten.
Dort wo viel Licht ist, kann auch mal „Schatten“ sein. Die Bezeichnung „Ruhestörung“ konnten wir damals noch nicht in unsere Urlaubsagenda einordnen. Plötzlich sollten wir den erlebnisreichen Urlaub abbrechen und die Heimreise antreten. Man dirigierte uns vom Zeltplatz zum Gemeindeamt Priros und schrieb dort unsere Personalausweise ab. Der Empfehlung, nach Grimma zurück zu fahren, konnten wir nicht nachkommen – der Abholvorgang durch Familie Döhn und unsere Eltern per Autos war erst zu einem späteren Zeitpunkt geplant. Es fand sich allerdings eine Alternative – eine Art „Leiterwagen“, der von einem Esel (Pony) gezogen wurde. Hier kommt jetzt Mette Röhricht ins Spiel, die ganz in der Nähe im Hotel Wasserfreund mit ihrer Mam auf Urlaub war.
Der mit Schlafsäcken, Zelten und Koffern beladene Esels-Tross (Pony-Tross?) setzte sich nun zu dem in ca. 2 km entfernten Wasserfreund in Bewegung. Die liebe und nette Mette hatte unter des unser Kommen mit dem Hotel verhandelt und den Aufbau unserer Zelte auf den Hotelwiesen erwirkt. Es keimten Hoffnungen auf, dass wir unseren Urlaub fortsetzen und planmäßig beenden können. Tatsächlich konnten wir unsere Zelte dort aufbauen – die Übernachtung war gesichert. Die Nähe zum Hotel hatte den Nachteil, dass das Feriengeld schnell schmolz. Anstatt tagelang Grießbrei auf dem Zeltplatz sich runter zu würgen, lockte nun die Hotelküche.
Scheinbar war durchgestochen worden, dass es sich bei diesen Jugendlichen um die Gravestones aus Grimma handelt. Wie sollte es anders erklärt werden, dass wir jeden Morgen entweder von den Kellnern Kuddel oder Mini mit einem Tablett frisch gezapften Bieres vorsichtig und einfühlsam geweckt wurden!? Irgendwann trafen unsere Eltern im Wasserfreund ein – mit finanziellen Hilfsspritzen!
Diese Erlebnisse und vieles andere gehören zu den schönsten Dingen unserer Jugendzeit. Die musikalische Gravestone-Ära erlitt jedoch einen gewissen Bruch, als unser Leader Gerhard 1969 zur Fahne eingezogen wurde. Zu Silvester 1969/70 (1970/71 ?) bekam er Heimaturlaub und die Gravestones konnten mal wieder gemeinsam die Sau rauslassen – auch hier war das Haus von Jutta und Kurt Döhn ein beliebter Zufluchtsort. Als Gerhard im Mai 1971 endlich vom Barras zurückkehrte, warteten die Gravestones bis früh in den Morgen auf ihn mit einem Kasten Bier. Zu dieser Zeit waren Christoph und Micha bereits beim Studium, Fredel und Hardy in der Endphase der Abiprüfungen. Insofern war eine musikalische Renaissance der Gravestones schwierig und auch das weibliche Geschlecht war aktiv, um freundschaftliche Bande in feste Bunde zu verwandeln…
Besonders wichtig – auch für uns alle – waren Hardys besondere Aktivitäten bzgl. Fotografieren und Filmen! Die historisch wertvollen Aufnahmen aus der Jugend- und Gravestone-Zeit, die auch in Christians Fotobuch enthalten sind, wurden hauptsächlich von Hardy selbst angefertigt! Lustig ist auch sein Silvester-Video mit „uns Tante Edith“ am Türschloss – mit „Blick“ in den Raum mit den ausgelassenen Feierbiestern!
2. Hardy – unser aller Freund – Fredels Schulfreund und lebenslanger treuer Begleiter
Ich weiß es noch wie heute – am 1. September 1959 wurden Hardy und ich in die 1. Oberschule Grimma eingeschult. Wir sahen uns erstmalig an diesem Tag auf dem Promenadenweg zu dieser Schule – jeweils in Begleitung unserer Familien. Meine Eltern tuschelten – „dort hinten, da läuft der kleine Döhn, der trägt schon eine Brille“! Ja warum, Hardy war ein schlauer Bursche und hatte vor dem Schulbeginn schon viel gelesen …Seine Begabung blieb auch unseren Lehrern nicht verborgen und so schrieb unsere Klassenleiterin Frau Scholz unserem Freund Hardy in seine Beurteilung in der 5. Klasse sinngemäß: „Gotthard nutzt seine Intelligenz und Begabung, um Witzchen auszuklügeln“. Ja, zusammen mit Hardy gab es immer etwas zu lachen und zu kichern, so auch in den Religionsstunden bei unserem verehrten Pfarrer Wermuth.
Es fiel uns schwer, immer ruhig und diszipliniert in diesen Stunden zu sitzen. Sprüche unseres Pfarrers wie „Gotthard steck den Kaugummi ins Taschentuch oder verschluck ihn“ waren eher für uns belustigend. Zum Kinder-Geburtstag in der Nachbarschaft bei Bernd Holfter gab es einen tollen Streuselkuchen. Hardy – nicht der genussvollste Esser vor dem Herrn – nutzte eine Unaufmerksamkeit von Bernd und schob ihm heimlich die weniger leckeren Ränder vom Streuselkuchen auf dessen Teller. Als Bernd auch diese Kuchenränder mit Genuss zu Essen begann, rutschte Hardy ein zufriedenes Lächeln übers Gesicht und wir schmunzelten auch. Insgesamt war es ein harmloses Vergnügen. Ja, mit dem Essen war Hardy sehr speziell und die „Bockworscht“ war sein Gourmet-Gericht. Tomaten, da ging gar nix – wenn ich diese in seiner Gegenwart genoss, schwoll Hardy der Kamm!
Zu erwähnen ist unbedingt die sehr aktive Lassi – der Schäferhund von Familie Döhn. Wenn ich mich richtig erinnere, wurde einer unserer Freunde von Lassi in den Hintern gebissen. Nach einer Impfung gegen Tollwut, waren keine weitreichenden Folgen zu befürchten.
Die Aufnahme in die Erweiterte Oberschule (EOS, heute Gymnasium) ab der 9. Klasse war für Hardy keine Hürde. Auf Grund seiner sehr guten naturwissenschaftlichen Kenntnisse und Leistungen kam er sogar in die Spezialrichtung „Matheklasse“. Sein Physiklehrer Hermann war sicher ein Vorbild für Hardys späteren Studienwunsch!
Hardy hatte auch etwas Glück, dass er nach dem Abi nicht zur Fahne musste! Er konnte sofort im September 1971 mit dem Physikstudium an der Uni Halle beginnen und er schloss das Studium als Diplom Physiker nach 4,5 Jahren (3. Hochschulreform der DDR!) erfolgreich ab. Sein Praktikum zur Diplomarbeit hat er in der ehemaligen ESG Grimma absolviert - der Vater von Michael Ptak war sein Mentor, der für den Gravestone Hardy viel Sympathie hatte. Micha: „Mein Vater war begeistert von diesem jungen Mann, der so hell im Kopf war und so viele konstruktive Ideen hatte. Es war ihm eine Freude, Hardy an seiner Seite zu haben und mit ihm gemeinsam an einem Schallschutzprojekt für die Werkstätten zu arbeiten“.
Hardy war auch im Kreise seiner Kommilitonen beliebt – nicht nur als guter Student, sondern auch weil er gesellig und kameradschaftlich war. Eines Tages überraschte er uns mit Blauer Tinte, die er auf unsere Kleidung goss - „Unverschämt“!, „Hast Du nen Knall“? Aber nach kurzer Zeit verschwand die blaue Farbe und Hardy hatte seinen Spaß mal wieder gehabt. Bis in die Gegenwart hat er sich mit seinen Kommilitonen sehr gern getroffen und mit ihnen die Hallenser Studienerlebnisse ausgetauscht!
Nach dem Studium arbeitete Hardy als Physiker bei einer Riesaer Firma auf dem Gebiet des Lärmschutzes und später bis zur Wende im CLG Grimma. Ja, die Wende 1989/90 brachte für uns auch als Gravestones die lange ersehnte (Reise)Freiheit und das Verschwinden eines autoritären Systems, unter dem wir schon als Jugendliche sehr gelitten hatten (s.o.). Endlich ging die Stasi-Ära, das Bespitzeln zu Ende! Aber auch Unsicherheit, berufliche Veränderungen, familiäre Einschnitte und sogar Entlassungen standen plötzlich auf der Tagesordnung! Eine Zeit, in der wir bei den Demos in Leipzig viel Solidarisches erlebten – in der aber step by step jeder einzelne seine beruflichen und familiären Herausforderungen selbst meistern mußte.
Jetzt kam eine schwere Zeit für Hardy und seine Familie. Mein Weg führte mich von Grimma nach Mainz, aber der gute Kontakt zu meinem treuen und zuverlässigen Freund Hardy riss nie ab. Er besuchte uns mehrfach in Mainz und es waren Begegnungen wie zu unserer besten Jugendzeit. Hardy absolvierte in der Nachwendezeit u.a. Computerkurse (IBM), die er mit Bravour bestand und abschloss. Dies war auch für ihn ein Fundament, um Webseiten zu gestalten. Unter des war ich nach Zittau gewechselt - mit der Erstellung der Webseite „papa-gey.de“ wurde unsere räumliche Entfernung wieder deutlich enger. Hardy hatte tolle Ideen und er setzte Fachliches als auch lustige Events gleichermaßen sehr gut ins Bild bei der Erarbeitung dieser Webseite – so war Hardy für mich der alte zuverlässige und treue Kumpel weiterhin geblieben, der immer wieder ein Späßchen auf Lager hatte. Er kreierte – oft sehr selbstlos – weitere Webseiten.
So auch u.a. für den Grimmaer Ruderverein, wo er auch eine aktive und sportliche Betätigung gefunden hatte. Seine geistige Heimat war neben PC-Kenntnissen und Naturwissenschaft vor allem die biblische Geschichte und Historisches. Deshalb machte er mehrfach Urlaub in der Türkei, aber er fühlte sich dort auch menschlich sehr wohl.
Politisch betrachtet standen wir uns öfters „a bissl“ konträr gegenüber. Hardy war – auch familiär bedingt - eher sozialdemokratisch geprägt. Wir fanden meist einen Konsens und das Für und Wider war stets konstruktiv und jeder ordnete danach seine Meinungen neu. In der Beurteilung z.B. von Gerhard Schröder kamen wir jedoch in unseren Ansichten schnell auf einen Nenner…
Mit Christian spielte Hardy sehr gern Gitarre, zusammen mit Johannes wurden Vögel beobachtet und die entsprechenden Stimmen zugeordnet. Hardy liebte beide Söhne innig – manchmal war halt die Zeit zu kurz oder die Umstände nicht optimal.
Später engagierte sich Hardy in der Grimmaer Frauenkirche mit Führungen für interessierte Touristen. Bemerkenswert waren seine musikalischen Auftritte im Hohnstädter Altenheim – Lieder mit Gitarre und Gesang zur Freude der dankbaren Heimbewohner.
Ja, Hardy war sehr sozial eingestellt und dachte weniger an sich und sein Fortkommen. Er hätte mit seine Begabungen noch viel mehr erreichen können, aber es war seine respektierte Entscheidung, so zu leben und so zufrieden zu sein.
Hardy war mein längster und treuster Freund, den ich und viele andere sehr vermissen!
In meinem Herzen ist er als Freund und Gravestone unvergeßlich!
Fredel - Manfred Gey
Bilder:
1968: Fredel, Micha, Gerhard, Hardy, Christoph
2019: Andreas, Hardy, Gerhard, Micha, Fredel, Christoph