Gerda Sophia Steinhardt

Gerda Sophia
Steinhardt

03.07.1930
Gladbeck
-
11.01.1994
Gladbeck

stimmungsbild
ZurückEine brennende Kerze: Kerze grau-blau Grabkerze
Gedenken an Gerdas Sohn Axel

Von Andreas Steinhardt 12.12.2023 um 15:06 Uhr | melden

Diese Gedenkkerze möchte ich nicht nur Gerda, sondern auch ihrem erstgeborenen Sohn, meinem ältesten Bruder Axel widmen.

Am heutigen 12. Dezember vor zwei Jahren verstarb Axel plötzlich und unerwartet einen Tag nach seinem 70. Geburtstag. Aus familiären Gründen habe ich noch keine Gedenkseite für ihn anlegen können.
Leider bestand aufgrund eines Familienstreits kein Kontakt mehr zu Axel und seiner Familie. Jeder mag es anders sehen, ich sehe mich aber nicht "berechtigt" eine Seite für meinen Bruder zu erstellen.
Daher möchte ich auf den Gedenkseiten meiner Mutter einige Worte aus Axels Leben schreiben:

Gerdas erster Sohn erblicke am 11. Dezember 1951 in Gladbeck die Welt. Erst fast 19 Jahre später wurde ich geboren, Gerda war zu diesem Zeitpunkt schon 39 Jahre alt, mein Vater 44.

Axel besuchte das hiesige Gymnasium, nach dem Abitur studierte mein Bruder überwiegend in Marburg Germanistik und Sport. So konnte ich als Kind bei häufigen Besuchen dort die unglaublich schöne, mittelalterlich geprägte Stadt Marburg an der Lahn kennen- und lieben lernen. Für mich war es bis dahin "meine Traumstadt" der Kindheit, und meinen Bruder wie seine Freundin und spätere Gattin zu besuchen ein unglaubliches Highlight.

Mein Bruder Axel war für mich immer das große Vorbild, ich wollte auch Lehrer werden und sonst nichts anderes - wir verstanden uns
1:1, es gab in meiner Kindheit und Jugend niemals Streit zwischen uns, und Axel erfüllte mir im Prinzip fast jeden Wunsch. Ausflugsfahrten, Abenteuerspielplätze, Schwimmbadbesuch, ins Fußballstadion...er kümmerte sich rührend um sein kleines "Brüderchen", wie Axel mich auch immer nannte.
Nach dem Rückzug von Marburg ins Ruhrgebiet nahm Axel zwei Referendarstellen in Gladbeck und Oberhausen an. Bis zur Rente arbeitete mein Bruder als Studienrat für Deutsch und Sport wie Vertrauenslehrer am Essener Don Bosco Gymnasium. Zwischen-
zeitlich war er auch Sprintertrainer bei der SGO Oberhausen, ich kam oftmals mit zum Training im Stadion und konnte auch sehr bekannte Leichtathleten kennenlernen.
Natürlich nahm mich Axel mit zu Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in verschiedene deutsche Stadien.

Axel war gläubiger Katholik, ein Vorbild im Glauben, den er nicht mit Strenge, sondern mit Fröhlichkeit lebte. Mein Bruder lächelte ständig, hatte einen großen Humor, konnte Tränen lachen wenn wir uns beispielshalber zusammen einen Louis des Fúnes-Film ansahen. Ein unglaublich positiver Mensch - ähnlich unserer Mutter. Gerda verstand sich ebenfalls prächtig mit ihrem Sohn, wer ihn nicht leiden mochte - war nicht zu verstehen.

Axel wurde zweimal Vater, 1983 und 1986, seine Söhne waren für mich das Allergrößte - wie kleine Brüder, die ich mir immer wünschte. Schon mit 13 Jahren wurde ich Onkel - ich war unglaublich stolz auf meinen ersten kleinen Neffen.

Nachdem wir uns viele Jahre nicht gesehen hatten entschloss ich mich, meinem Bruder Axel zum 70. Geburtstag eine Karte zu schicken. Mit der Aussicht, sehr bald Bilder von meiner Familie und mir zu schicken, in der Hoffnung auf ein Wiedersehen. Das ich Axel in aller Kürze zu Grabe tragen würde, war unvorstellbar.

Einen Tag nach seinem 70. Geburtstag verstarb Axel plötzlich und unerwartet. Mein Bruder war, wie ich durch andere familiäre Kontakte schon zuvor erfuhr, herzkrank. Einen weiteren Tag später erfuhr ich von meiner Cousine, welche informiert wurde, das Axel nicht mehr lebt. Er fühlte sich nicht gut und lag leblos auf seiner Couch.

Ich war geschockt, jetzt gerade, wo endlich einer von uns nach viel zu langer Zeit versuchte das Eis zu brechen, verstarb mein Bruder. Ich merkte, das es einerlei war, ob man sich einige Jahre nicht mehr gesehen hat, oder ob es noch gestern gewesen wäre. Meine Trauer
war groß, ich war fassungslos. Die vielen guten Erinnerungen an Axel wurden sehr präsent.

Die Trauerfeier war eine filmreife Farce und Beleidigung für meinen Bruder. 8! Trauergäste, kein Pfarrer, keine Trauerbegleitung oder RednerIn, die Witwe erschien nicht, die Urne wurde in ein Fach in eine Stele geschoben, Zeremonie beendet...kein Trauerkaffee...
Die Trauerfeier wurde genauso wenig kommuniziert wie die Todesnachricht, beides erfuhr man über Umwege. Das ehemalige Lehrerkollegium meines Bruders wurde nicht informiert, erst Monate später erfuhren sie die Todesnachricht. Als mir klar wurde das mein Bruder kein christliches Begräbnis bekommen würde, und nur durch meine Intention beim hiesigen Pfarrer, welcher zufällig von einer anderen Trauerfeier kam, segnete er Axels Urne und betete gemeinsam mit Gerdas Schwester und mir ein Vater Unser.

Ich hatte aber trotz ausbleibendem Trauerkaffee noch Gelegenheit mich nach vielen Jahren mit meinen beiden Neffen vor der Trauerhalle zu unterhalten. Wir sprachen uns aus, redeten über ihren Vater, meinen Bruder. Ich persönlich fragte nicht, warum man Axel wie einen "Verbrecher" bestattete, und auch nicht warum seine eigene Ehefrau nicht erschien. Aber vom kärglichen Rest der Trauergäste war der einhellige Tenor das dies "die armseeligste Begräbnisfeier sei, die man jemals erlebt hat, man muss sich schämen", dies wurde auch laut ausgesprochen.

Zu einem meiner Neffen habe ich noch sporadisch WhatsApp-Kontakt, der andere brach den Kontakt zu mir wieder ab. Den Satz von ihm "Ich halte eigentlich wenig Kontakt zur Familie und Bekannten, ich finde Menschen schwierig", sagt schon eine Menge aus...ich reichte jedem die Hand, auch meinem anderen Bruder, zudem vor der Trauerfeier auch etwa 15 Jahre kein Kontakt bestand. Er verstand nie den Familienzwist, und schlug meine Hand öfter aus. Er hatte auch zuletzt, wie ich erfuhr, keinen Kontakt mehr zu unserem Bruder Axel und Gattin.
Ich reichte ihm an Axels Begräbnisfeier ebenfalls die Hand, wir tauschten WhatsApp-Nummern aus. Ich bekam keine Antworten mehr.
Ich hörte von einer Verwandten das mein mittlerer Bruder sagte: "Das kommt alles viel zu spät" - ein schlimmer Satz nach meinem Empfinden. Ich war der, der ihn immer wieder die Hand reichte...
Für mich ist es nie zu spät, neu anzufangen. Ich kann mich umdrehen, und alles ist vergessen, was vorfiel. Diesen Charakterzug habe ich im Prinzip auch nicht von ihm erwartet. Manche Menschen können nur schwarz-weiß sehen, andere bunt und facettenreich. Ich habe mich mit ihm auch niemals richtig verstanden.

Zu seiner Witwe, meiner Schwägerin besteht nach wie vor kein Kontakt. Ich hörte, das sie auch nicht zur Trauerfeier ihrer alten Mutter erschien...

Vielleicht haben Sie jetzt ein bisschen Verständnis dafür, warum ich für meinen Bruder Axel aus familiären Gründen keine Gedenkseite anlegen "kann" und möchte.

Es bleibt die Erinnerung an einen für mich persönlich wichtigsten Menschen, der mich in meiner Kindheit und Jugend geprägt hat, stets Vorbild war und ohne den ich mich nicht zu dem Menschen entwickelt hätte, der ich bin.

Wir sehen uns wieder, Axel, am Ende der Nacht, im Reich des Lichtes und des Friedens.

Diese Kerze widme ich heute natürlich, wie eingangs schon erwähnt, meiner Mutter Gerda und meinem Bruder Axel. Meiner Mutter wäre das Herz gebrochen, hätte sie den Tod ihres Erstgeborenen noch erlebt.