Friederike Schlösser

Friederike
Schlösser

22.04.1952
 
-
14.08.1955
 

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Gedenkseite für Friederike Schlösser

Ihr Vermächtnis:

Ach! Schwester, sei, was nimmer ich kann werden,
Der Eltern Hilfe und ihr Stab auf Erden!
Ich fühl es schmerzlich, mich umgibt die Nacht;
Du sollst es sein, durch die der Tag erwacht.
(Luise Egloff 1804-1835)

Liebe Friederike,
immer wieder bin ich an Deinem Grab. Es existiert noch, obwohl Du schon über 60 Jahre tot bist. Mutti hat immer wieder dafür bezahlt, auch wenn sie Dich selten dort besucht hat. Sie ging nicht gern auf den Friedhof, aber Dein Grab aufgeben konnte sie auch nicht. Dein Tod war der schwierigste Moment ihres Lebens, der sie bis zu ihrem eigenen Ende immer wieder umgetrieben hat. In ihren letzten Lebensmonaten wurde das noch einmal sehr deutlich – sie träumte von Dir und war darüber verstört: Du lagst in einem der Träume sterbend in ihrem Bett und sie musste machtlos dabei zuschauen. So war das im August 1955 allerdings nicht gewesen: Du bist im Krankenhaus gestorben an einer Hirnhautentzündung, die Dich innerhalb von drei Tagen dahinraffte. Heute wärst Du über 70 Jahre alt.
Aber Du durftest nicht erwachsen werden, bleibst für immer ein Kind von 3 Jahren und 4 Monaten, an das nichts mehr erinnert als zahlreiche Fotos und ein Kindergrab – das älteste auf einem Gräberfeld, das schon mehrfach neu belegt worden ist. Die Nachbargräber stammen inzwischen aus den 1990er Jahren. In einem weißen Sarg wurdest Du beerdigt – die Rechnung dafür habe ich in Muttis Unterlagen gefunden, auch davon hat sie sich ein Leben lang nicht getrennt. Ich weinte als ich das vergilbte Papier in den Händen hielt. Und zum ersten Mal in meinem Leben vergoss ich Tränen aus Trauer um das kleine Kind, das nicht leben durfte und das meine große Schwester war. Plötzlich hatte ich das Gefühl, bei Deiner Beerdigung dabei zu sein: der kleine weiße Sarg steht in der vertrauten Friedhofshalle unserer Geburtsstadt. Die Familie ist versammelt – bis auf unseren Großvater, an den ich mich nicht erinnern kann, weil er in meinem ersten Lebensjahr gestorben ist, werde ich sie alle auch noch kennenlernen, die dort stehen und um Dich weinen: Mutti, Papa und H., Oma, die beiden Großtanten, die Geschwister unserer Eltern sowie unsere beiden großen Vettern und noch viele andere. Eine große Familie, die inzwischen klein geworden ist.
Auf eine geheimnisvolle Weise bist Du präsent in meinem Leben, hast es mitbestimmt, und geprägt, umso mehr, je weniger ich das wahr haben wollte. Lange Jahre habe ich die Gedanken an Dich nicht zugelassen, habe nicht sehen wollen, dass Dein Tod etwas mit mir zu tun hat. Und jetzt weiß ich auch warum: unsere geheimnisvolle Verbindung ist äußerst schmerzlich und existenziell bedrohlich für mich gewesen.
W. und ich, die nachgeborenen Zwillinge, leben nur, weil Du gestorben bist. Daran hat Mutti nie einen Zweifel gelassen. Es konnte also nur Dich oder mich geben – beide Töchter zusammen waren nicht denkbar, zumindest nicht für mich. Dass dem so war, ist mir erst nach Muttis Tod klar geworden. Ich habe mir so gut wie nie vorgestellt, wie es gewesen wäre, eine lebende Schwester zu haben, was mir entgangen ist durch Deinen Tod. Ich konnte es nicht, obwohl mir eine Psychologin schon vor Jahren geraten hat, genau das zu tun, Dich in mein Leben zu integrieren. Eine Zeitlang habe ich einen der Silberlöffel, die Du zur Taufe bekommen hattest und die ich irgendwann „geerbt“ habe, mit mir herumgetragen – ihn dann aber irgendwo verloren. Das hat nicht gereicht, Dich in mein Leben zu holen. Es ging nicht, weil es für mich nur Dich oder mich geben konnte und nicht uns beide.
Und dennoch oder vielleicht auch gerade deshalb hast Du mein Leben fundamental beeinflusst. Dein Tod hat mir früh eine Ahnung davon gegeben, dass es im Leben nicht immer ein „happy end“ gibt. Hätten wir alle vier gelebt, wie wäre das wohl gewesen? Du, die Älteste von uns, dann H. und dann wir beiden Kleinen. Wenn es stimmt, was die Erwachsenen, die Dich kannten, immer erzählt haben, dann wärst Du wohl unsere Anführerin gewesen, hättest uns gesagt, wo es lang geht, hättest uns alle mitgerissen mit Deinem Charme. Wenn es denn die Wahrheit ist, was sie uns über Dich erzählt haben. Aber vielleicht hattest Du auch die melancholische Seite, die uns allen eigen ist? Wahrscheinlich hätte ich auch mit Dir konkurriert, mich an Dir abgearbeitet, aber immerhin hätte ich Dich gekannt.
Ach, Friederike – ich kenne Dich nicht, aber Du bist meine Schwester und es wäre schön gewesen, wenn wir beide hätten leben dürfen. Dann wäre wir heute zwei ältere Frauen und vielleicht hätten wir uns immer viel zu erzählen. Und vielleicht wären wir beide auf dem Weg originelle alte Frauen zu werden, das jedenfalls ist mein Ziel. Darf ich Dich mitnehmen auf diesem Weg?

Geschenk Am 25.08.2016 von Oliver Schmid angelegt.
Geschenk Am 13.12.2015 von Oliver Schmid angelegt.
Geschenk Am 12.07.2015 von Oliver Schmid angelegt.
Geschenk Am 16.12.2014 von Oliver Schmid angelegt.
Geschenk Am 08.09.2014 von Oliver Schmid angelegt.
Geschenk Am 13.01.2014 angelegt.
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