Esther Maria Elsässer

Esther Maria
Elsässer

30.12.1931
Stuttgart
-
15.09.2021
Bad-Friedrichshall

stimmungsbild

Gedenkseite für Esther Maria Elsässer

Nachruf, Esther Maria Elsässer, geb. Schiebel

Ich möchte ein paar Worte zum Leben meiner Mutter sage.

Sie wurde in Stuttgart-Berg geboren. Man wohnte Stuttgart-Wangen zur Miete. Die Verhältnisse waren recht bescheiden. Der Vater war nebenbei Hausmeister, die Mutter, eine geborene Mäckle, versorgte noch eine alte Frau. Für die Eltern (der Mutter) brachte man noch Essen nach Heumaden gebracht. Kleinigkeiten aus der Zeit blieben im Gedächnis haften. So etwa das nächtliche Leuchten des rote Lämpchen des Puppenstubenherds.

[[Etwas eigenwillig muss sie schon als Kind gewesen sein. Einmal schloss sie sich im Klo ein und weigerte sich wieder herauszukommen. Am Schluss musste man zum Fenster einsteigen.]]

Der Umzug in die Gartenstadt Lindle erfolgte 1936. Die Haustür fehlt beim Einzug noch so dass man einen Sack in die Tür hieng. Dafür konnte man wunderbar mit dem Nachbarskind in den offen Gräben spielen.

Ich weiss nicht, ob noch jemand von der damaligen Lindles Generation am Leben ist. Da gab es die Mauerers, die Brechts, die Ehrmanns, die Drosches, die Webers und ihr Eckladen, die Plapps. Die Namen sind noch da.

Es war eine Zeit als man die eigenen Kuchen noch zum Bäcker zum Backer brachte. Und im Keller gab es selbstverständlich eine Eierstande und ein Mostfass. Kraut hat man noch selber eingehobelt. Der Tag begann mit Spächele machen im Keller.

In der angrenzenden Strasse gab noch zwei Tante Emma Läden und einen Milchhandel. Ich sehe meine Mutter mit ihrem Einkaufsnetz. Damals standen noch zwei gewaltig Kirschbäume vor dem Nachbarhaus.

[Der Webersche Eckladen war im Krieg ein wichtiger Treffpunkt. Verschieden Aussagen des Ladeninhabers wurden allerdings angezweifelt. So z.B. die Empfehlung, Butter mit Magarine zu ersetzen. Nach dem Krieg wurde der Laden an den beleibten Hr.Dreher verpachtet, der ein Brezelkörbchen einführte und die Kunden darüber aufklärte, warum man Yoghurtdeckel durchstechen durfte und weshalb das nicht das gleiche sei, wie aufgeschwollene Konservendosen. Die 60ziger Jahre begannen, als Schoko-Milch in Tetraheder Packungen angeboten worden. Der Versuch, in dem kleinen Laden eine separate Theke für Fleisch und Wurstwaren einzurichten, war etwas zu ambitioniert, auch wenn die Frau Dreher an Samstagen mithalf. Eine andere Konkurrenz war Sancho der Milch and Käse morgens von einem dreirädriger Auto, Goliath 400 oder ähnlich, anbot. Der Transistor Radio lief 1968 bei der Besetzung von Prag. Hr.Dreher gestand bei diesem Anlass, dass er nach dem Krieg Werwolf werden wollte, aber nach drei Nächten unter freiem Himmel reuevoll ins Elternhaus zurückkehrte. Entwicklungshilfe wurde bei anderen Anlässen diskutiert. Ebenfalls von Herr Dreher, ich brauche keine Zeitung, wenn ich morgens am Kiosk vorbeifahre und die Überschriften lese bin ich bestens informiert.]

Pünktlichkeit war ein Problem. Das war schon als Kind so. Man war nicht fertig, wenn es Zeit für die Schule war. Das Gselsbrot musste auf dem Schulweg gegessen werden. Kommentar des Grossvaters: die brenget se no bei de Fasnet.

Brav war man nicht immer. Wenn der Vater, der Schriftsetzer war, einen Radiosender hörte, den man nicht hören sollte, hat man schon mal frech an der Tür geklopft, um allen einen Schreck einzujagen. Oft sass man bei Kerzenlicht im Gewölbekeller. Das 30km entfernte Heilbronn hat man nachts brennen sehen. Der Hasenstall fiel einer Luftmine zum Opfer. Das Haus selber blieb verschont. Auch die Zeit der Flieger ging vorbei. Fremde Panzer rollten auf der Landstrasse (die alte B14). Das Schulkind Esther stand am Strassenrand.

[Je nach Jahreszeit fuhr man mit der Strassenbahn zur Schule. Nicht jede Stassenbahn fuhr den Berg zum Lindle hinauf. Manch Wagen machten auf halben Weg kehrt. Die Gleisstrecke nach Fellbach war noch mit Pappeln gesäumt. Das war etwas "phäb" aber es reichte. Es gab Einzelfahrkahrten mit bunten Rand, je nach Preiszone, die man sammelte. Die Monatskarte hieng am Hals. Der Grossvater war für die Perforation zuständig. Im Winter gebrauchte man dafür eine glühende Nadel. Die Haltestellen wurden noch vom Schaffner noch ausgerufen. Kleinere Freiheiten waren erlaubt. Die Höhenstrasse war in Anspielung an den Namen eines Gärtners als Knackwurststation bekannt. Wenn wegen Bombenangriffen keine Stassenbahn fuhr, schlängelte man sich so heim. Man musste halt manchmal unterstehen. Kommentar der Grossmutter als Esther an dem Tag, and dem die Luftmine fiel, verspätet heimkam (man war mit dem Wiedereinfangen der Hasen beschäftigt): wo kommst du denn her! Die Sache mit Luftmine hatte auch sein Gutes. Ein Kalbsläppchen landete ungefragt im Garten und wanderte in den Suppentopf.]

[Im Sommer wurde für die Hasen fleissig Löwenzahn gesammelt werden. Ich musste sehr an meine Mutter denken, als ich kürzlich beim Lidl vor der Gemüseauslage stand und eine Frau die Kohlrabiblätter, die man normalerweise abtrennt, für ihren Hasen mitnahm.]

[Der Winter war vorbei, wenn der Grossvater das Vogelhäuschen mit Hilfe einer Stange unter der Dachtraufe aufhieng. Der Tag begann, wenn die Mutter im Keller Spächele für den Herd vorbereitete.]

[Im Lindle gab es zu meiner Zeit vom Baumschneiden her immer genau Reisig zum Feueranmachen. In Waschpulvertrommeln im Keller und auf der Bühne zum Trocknen gelagert. Seit dem Anbau wurde auch teilweise mit Gas geheizt. In den letzten Jahren wurde alles umgestellt. Esbitwürfel wurden auch akzeptiert. - Kohle und Brikett gab es vom Kohlen-Mack in Fellbach, Restholz von Holzbaugeschäft Oettinger (das musste allerdings selber mit dem Leiterwagen abgeholt werden).]

[Während des Krieges wohnte meine Mutter eine Zeitlang bei väterlichen Verwandten in Rottenburg. Der Hühnerstall war direkt vor dem Kuchenfenster. Einmal gab man den Lindlesleute eine Henne mit. Die sperrte man dann im Kohleverschlag bis zum Festtag ein. Ich erinnere mich noch dunkel an eine Urgrossmutter und ihre Trauerkleider. Ich nannte sie die schwarze Oma.]

[Die Zeit des aufgebockent Waschzubers in der Waschküche war vorbei als nach dem Krieg Waschmaschinen aufkamen. Neue Gewohnheiten kamen hinzu. Das erste Schleuderwasser konnte zu Klospülung verwendet werden, in dem klareren Zweitschleuderwasser konnte Wäsche eingeweichen werden. Um alles richtig abzufangen, musste man allerdings dabeisitzen. Dieses stille Dabeisitzen, es gab dafür in der Waschküche extra einen Stuhl, kam mir immer wie eine Séance vor.]

[Zu Wollsachen hatte sie ein recht persönliches Verhältnis. Die wurden bis zuletzt bei 40º von Hand gewaschen. Alles andere wäre ein Frevel gewesen. Nach dem Schleudern wurde alles liebevoll auf einem Handtuch zum trocknen ausgelegt. Das Sofa war oft belegt. Unterschiedlich gefärbte Wäsche zusammen in die Waschmaschine zu tun wäre ein Greuel gewesen. Verschossene Farben gibt es bei einer guten Hausfrau nicht. Bei der Farbechtheit von verschiedenen DW-Shop Sachen hat sie dann aber auch kapituliert. Die Bändel von Schürzen wurden verknotet damit sich nichts verhederte. Es gab da ein extra Säckchen. Der Wäschetrockner war für Bettwäsche erlaubt. Sie selber blieb Wäscheklammern treu so lange sie es konnte. Die Wäscheleinendraht wurd vor dem Aufhängen abgewischt. Oder man spannte das Seil jedesmal neu ein. Wollstrümpfe wurden noch mit dem zweifarbigen Stopfei geflickt. Die Zeit, wo man paarweise, off-line, on-line, Bügeleisen auf dem Kohleofen aufheizte, war vorbei. Man erinnerte sich aber noch an deren Gebrauch und an bestimmte Ritualen, anfeuchten mit Zitronenwasser, vielleicht Dampfbügeleisen ähnlich. Ein kleines Handwägelchen, mit dem man einmal Wäsche zum Mangeln fuhr, ist noch da. Manches war schwer nachzuvollziehen. Spannbettbezüge, entpackt oder nicht, konnten nie genug im Haus sein. In ihrer Erinnerung lebte sie aber noch in einer Zeit, wo man die durchgescheuerten Stellen von Bettlaken mit guterhaltenen Randstücken ausbesserte.]

Eine Leseratte war sie schon.

Bekannt, das Goldene Kinderbuch und Peterchens Mondfahrt von Gerdt von Bassewitz (die Seite mit dem bösen Mondmann wurde immer sehr schnell umgeschlagen). Ganz am anfang waren es die erbaulichen Bilderbücher von Busch-Schumann.
In der Schule wurde Weinlands Rulaman bei der Handarbeit gelesen (wahrscheinlich bei der sonst etwas strengen Frau Haller).
[Verschlungen wurde auch Victor Heisers Die Weltreisen eines Arztes ("An American Doctors Odyssey") Auch in den Büchern des Vaters, der Mitglied der Büchergilde Gutenberg war, wurde geschmökert. Travens Totenschiff wurde allerdings nicht in das Buchregal der Wohnstube gestellt. Dunkelblauer Einband mit etwas miefeligen Kellergeruch.]

Bereuters Schwabenkinder, die Geschichte des Elmar Kaspanze, hat sie so oft gelesen, dass sie es beinahe auswendig konnte.

Später kam dann Jörg Zink, Walter Saft, Christa Mewes, Albrecht Goes und Anselm Grün dazu. Als Gastsprecher waren ihr manche der Verfasser auch persönlich bekannt. Sie bekam sogar Anworten auf ihre Briefe. Seelischen Rat hat sie noch später bei ihrem früheren Lehrer Hans Pitsch gesucht. Hans Pitsch, verstorben 2011, beschreibt in seinem Buch "Mein Leben aus der Erinnerung des Alters" in dem Kapital "Aushilfslehrer an der Oberschule in Fellbach 1945-1947" eine begabte Schülerin mit der er noch jetzt in brieflichen Kontakt stehe. Vieles würde passen. Von Pfarrer Schlang erhielt sie eine Antwort vom Gardasee. Ein Leitartikel wurde gelobt.)

In Kuchberg auf der Schwäbischen Alb hat man Frau Dreisbach besucht. Das war schon ein halber Ashram. Es gab Laienspiele und sogar einen artist in residence. [Es war ein ehemaliger Offizier. Das Thema war der Schrecken des Krieges. Es gab Offiziere, die ein Gewissen hatten, und Gefangenen trotz Verbot unter Aufsicht erlaubten, bei den umliegenden Bauern mit einer Schiebkarre um Nahrunsmittel zu betteln. In Allierter Gefangenschaft dekorierte er Kasinos mit sprechenden Enten. Frau Dreisbach machte es klar, dass sie andere Vorstellung von Kultur hatte.]

Bei den Marienschwestern von Darmstadt lag im Speisesaal neben dem Besteck ein Teelöffelchen, war das ein Prophet, ein Prophet für Nachtisch.

Man pflegte Brieffreunschaften mit Klingenthal in der DDR und Grudziądz in Polen. Von da gab es es reichlich Holzgrippen und Weihnachtssterne. Die Schutzengel konnten die blutdrucksenkenden Mittel allerdings nicht ersetzen.

Werner Kellers "Und die Bibel hat doch recht" hat sie nach dem Tod Ihres Mannes wieder entdeckt.

Das Seherische hat sie schon beschäftigt. Da gab es die Geschichte der alten Frau, die die Seelen der Toten sehen durfte. Es leuchteten überall in ihrem Tal nachts Lichtlein auf.

Rätsel aller Art waren ihre grosse Liebe. Wenn es auf dem Weihnachtsmarkt Legespiele gab, hat sie zugeschlagen. Da musste dann jeder sein Glück versuchen. Bei solchen Anlässen lebte sie richtig auf.

Kreuzworträtsel waren ihr grosser Trost. Wenn im Leben schon nichts zusammen passt. Es gibt wahrscheinlich schlimmere Arten den Seelenfrieden zu finden als Stadt-Land-Fluss.

[Die Jauch Sendungen hat sie ebenfalls mit Anteilnahme verfolgt. Die Fragen wurden protokolliert.]

Ihre Glanzminute bei der Firma Lechler, die Belegschaft wurde in den April geschickt und sie war die erste, die den Scherz entlarvte.

Anekdoten und geistlichen Humor hat sie sehr geschätzt. Für jede Gelegenheit gab es etwas. Der Pfarrer Flattich war wohlbekannt. Sie hat auch noch nach Jahrzehnten gerne erzählen, wie die Nachkriegsmesnerin zu dem Namen Eiszapfen kam.

Sportlich war sie nie. Der wanderlustig Ehemann musste sie oft anspornen. [Es ist unsicher, ob sie jemals ein Fahrrad bestiegen hat. Ich erinnere mich noch vage an ein grünes Damenfahrrad, Hinterradsverspann als Rockschutz, das noch lange im Keller stand.]

Mit Geschenken war sie grosszügig. Viele dieser Kleinode verschwanden dann in Schränken und Schubladen. Solche "Maukennester" (ausgesprochen mit weichen g) wurden dann oft zufällig wieder entdeckt.

Sie war ein Tierfreund. Keine Hitzewelle ohne Vogeltränke. Es war für sie wichtig am Morgen Vogelstimmen vom Garten zu hören. Für die Katzen wurden Wurstreste ausgelegt. Sie war Mitglied des Nabu, der Schliemann Stiftung und dem Allgemeinen Tierhilfsdienst. [Sie war Patin für Wildkatzen. Die herzrührenden Tiergeschichten von Helga Loibl hat sie bis zuletzt gern gelesen.]

Himbeeren im Hausgarten hat sie noch selber gezopft. Wichtiger waren ihr ihre Zimmerplanzen. Das Wohlergehen jeder Azalee, jeder Graslilie, jedes Usambaraveilchens lag ihr am Herzen. Wenn sich an den Blättern des Weihnachtskaktus kurz vor Advent die ersten Knospen bildeten, war das ein wichtiges Ereignis. Überlegungen wie man sich vor dem Tod von seinen Zimmerpflanzen verabschiedet gab es schon.

Es kamen die späten Jahre. Die Einkaufswege wurden kürzer. Eine Zeitlang reichte es noch zum Sonnenbühlhof. Dann nur noch bis zum Bäckerauto vor dem Haus.

Ein Hausnotruf wurde notwendig. Man konnte nach dem Hinfallen nicht mehr selber aufstehen. Vertrauen wurde wichtig.

[Mit der Zeit gab es so etwas wie eine eingebaute Uhr. Man wusste dann, dass es wieder Zeit war um Sachen zu erledigen. Dies Uhr läuft immer noch, besonders wenn man abgelenkt ist.]

Geistige Klarheit war ihr bis kurz vor dem Tod gegönnt. Sie hat es dem Hausarzt nie ganz verziehen, dass er wissen wollte, ob sie denn noch Zeitung lese.

Das Ende kam dann doch viel zu schnell. Der Kreislauf hatte das letzte Wort. Es gibt Dinge, die man weder mit Güte noch mit Trotzen abwehren kann.

Ich bedanke mich für die Anteilnahme. Zum Leichenschmaus im Restaurant Alte Kelter sind alle herzlich eingeladen.


*****

אדמה לאדמה
אפר עד אפר


Notizen:

[Frau Elsäßer gehörte zu jener Gruppe von Menschen, die jeden Paketknoten sorgfältig aufdröselten, und das selbst wenn die Schnur nachher entsorgt wurde.]

[Frau Elsässer war Mitglied des EDI (Evangeliums Dienst für Isreal) und von Zedekah.]

[Die Grossmutter gehörte einer pietistischen Gruppe an. Dem Bruder Bußlinger aus der Schweiz wurden seherische Fähigkeiten zugeschrieben. Die vergilbten Durchschläge seiner Predigten, Ende 50ziger Jahre, sind noch da, aufgezeichnet von einer treuen Seele aus Pfullingen. Verglichen mit einem Wim Malgo waren die Visionen eher bescheiden. Etwas Sensationalism war schon dabei. Adam hatte keine Verdauungsorgane vor dem Sündenfall. Satelliten sind "Betrug", gewähren keinen Einblick ins Nicht-Irdische.]

[Soweit ich die mündlichen Erinnerung rekonstruieren kann, Bußlinger konnte eine Raum betreten und den anwesenden Geist herausfordern, sich zu erkennen zu geben, wenn die Getreuen schlagartig verstummten.]

[Die Bußlinger Predigten, "Samisdats" ist wahrscheinlich nicht ganz richtig, wurden von Frau Maria Letsche aus Pfullingen versandt. In den 80ziger Jahren gehörte Frau Letsche einer kirchlichen Gruppe an, die für Wiedergutmachung eintrat und Spenden für Wapniarka Überlebende sammelte.]

[Mit Frau Hermone Stickel von der Firma Lechler bestand noch lange Zeit eine Brieffreundschaft. Es ist möglich, dass die Werner Keller Empfehlung auf Fr. Stickel zurückging.]

[Gerne Wiedergegeben, Antwort auf die rhetorische Frage eines Spötters, vermutlich in der Darwin Zeit, ein Herr von Osten: wie hat Noah die Tiere eingefangen. - Ganz einfach, er stieg auf das Dach der Arche und rief aus: kommt alle her, du Hornochs von Westen, du Strauss von Süden, du Lemming von Norden und du Rindvieh von Osten.]

[Sternbildern kannte sie einige. Sie konnte mir allerdings den Mann-im-Mond nicht zeigen. Anfürsich einfach genug, Mare Imbrium, Mare Serenitatis, Mare Cognitum, Auge-Auge-Mund, Punkt, Punkt, Komma, Strick, fertig ist das Angesicht. Wenn es bei einem biometrischen Schneemann funktioniert. Einen Mann, der dort mit einem Reisigbündel auf dem Rücken herumschleicht, hat ja niemand versprochen.]

[Sie hat gern etwas vom Bäcker und anderen Läden der näheren Umbgebung mitgebracht. Die grossen Einkaufstouen ihrer Mutter zum Marktplatz in Stuttgart, meistens im Sommer, hat sie allerdings nicht fortgesetzt. Breuniger, Tritschler (Küchenwaren) und Kemmler waren der Inbegriff für Qualität. Nicht dass sie auf Qualität keinen Wert legte. Schuhwerk, Grösse 41, ohne eingearbeitete Pelotte wäre nicht akzeptabel gewese, am bestens Meindl oder Avena. Ein anderes Problem war der verhältnimässig breite Fuss, obwohl sie das nie so ganz zugab. Es war auf jeden Fall schwierig, das richtige zu finden. Als ihre Mobilität abnahm entdeckte sie das Katalogbestellen. Manche Enttäuschung, die Abbildungen waren halt oft doch zu schön, aber manchmal war sie auch voll zufrieden.]

[Das Haus wird wahrscheinlich nie mehr jemand haben, der bei Gewitterwarnung die Runden macht und kontrolliert, ob alles dicht ist.]

[Grössere Sünden hat sie wahrscheinlich nicht begangen. Einmal gestand sie, Bildchen aus dem Poesie-Album ihrer Mutter in ihr eigenes transferiert zu haben.]


Redewendungen und Lieblingsausdrücke:

"Selbanderhaus". Wo das in Heumaden genau stand, kann ich allerdings nicht sagen.

"Schiebewurst", wahrscheinlich vom Grossvater übernommen.

"Teufelchen", dunkle gekochte Ostereier.

"Eingemachte Kellerstaffel" wohl nur noch scherzhaft. Rehbraten mit Kaviar gibts nicht. Aus einem Interview in der Fellbacher Zeitung, 20.3.2014, anlässlich der Diamantenen Hochzeit: "Das Sparen und Resteessen habe man von der Mutter gelernt, deren eingemachte Kellerstaffeln sind Esther Elsäßer noch gut in Erinnerung."

"Kippscher Apparat", alles was man in der Schule sehr genau abzeichnete ohne es ganz zu verstehen. [Technisch ein Entsafter ähnlichers Gerät mit Questschhahn, das es erlaubt, verschiedene Gase in kleinen Mengen zu erzeugen, z.B. Wasserstoff, der freigesetzt wird, wenn man Zinkspäne mit Chlorwasserstoff oxidiert. Grundgedanke, die Reaktiongeschwindigkeit kann durch den Quetschhahn kontrolliert werden. Ist der Innendruck entsprechend hoch, fällt der Säurespiegel und es wird kein Gas mehr gebildet.]

Rekonstruiert, sehr lange her, vielleicht von den Marienschwestern in Darmstadt: "Warum tragen Schwestern Häubchen." - "Damit die Läuse besser den Rücken runter rutschen können."

"etwas passend machen", Kreuzworträtsel Strategie. Ausdruck stammt von einer Klassenkameradin.

"die verstehen das doch nicht", entweder im Bezug auf Ärzte oder die Welt im allgemeinen. Da sie oft etwas indirekt zur Sprache brachte, musste man da schon genau hinhören. Sie hielt allerdings sehr viel von Erasmy, ihrer anthroposophischen Ärztin, die vor einiger Zeit im Nikolaus Cusanus Heim verstarb. Das, was man heute Vertrauensbasis nennt, war vorhanden. "Erasmy hätte mir nie so etwas wie Kontergan verschrieben." Lange Zeit bestand auch eine Verbindung mit der heilkundigen Schwester Hedwig aus dem Schwarzwald von der sie sich verstanden fühlte. Den von dort mitgebrachten Bronchialtee hat sie allerdings nie ganz aufgebraucht.

"schüttet’s doch iiber mi na", immer wenn sie an der Zahl der einzunehmenden Medikamente verzweifelte.

"wenn I no scho em Bett läg"

"wär ich no em Bett bliebe" - Wenn immer etwas schief ging.

"I ben grätig". Das war ein Hinweis darauf, dass es etwas zu besprechen gab. Mit etwas Empathy konnte man die Sache fast immer einrenken.

["was ist dir für eine Laus über die Leber gelaufen"]

"Grattel haben", in den letzten Jahren wieder en vogue

"alles in sich hineinfressen" Als etwas grobe Veranschaulichung, die Familien-Anekdote der Tante Klara (Rottenburg), die sich einmal so geärgert hat, über was ist nicht mehr genau bekannt, dass sie eine ganze Schüssel Knödel verputzt hat.

"damit die arm Seel Ruhe hat" wenn man was nicht mehr aufschieben kann

Die immer wieder erzählte Nachkriegsanekdote der Frau, die ihre geliebten Kaffeebohnen im Zug abgeben sollte und sie dann voll Ärger auf den Boden keihte (schüttete).

"zum Bossen", die Sache mit dem Radiosender.

"mein Auto". Liebevolle Bezeichnung für ihren Rollator. Das war schon in der "Urlaub ohne Koffer" Zeit. Sackhüpfen, Eierlaufen und Schnitzeljagd war Vergangenheit. Auch vorbei, die Zeit der Freizeitfahrten mit prophetischen Bahnhöfen: [Giengen Süssen Kuchen (essen)].

[Der Rollator war auch in der Wohnung notwendig. Halt war erforderlich, egal ob "Türschnalle" oder Fenstergriff. Hilfsmassnahmen, ein zusätzliches Treppengeländer und eine grössere Zahl an Haltegriffe. Am Schluss kam es doch zu einem Oberschenkelhalsbruch in den eigenen vier Wänden. Das hätte man auch noch überstanden, aber dann kam es während der Kur trotz blutverdünnender Mittel zu mindestens einem Schlaganfall durch Thrombosen (CT scan, keine Gehirnbluting). Das Hauptproblem war die Dysphagie. Das war schon beim ersten Schlaganfall vor zwei Jahrzehnten aufgetreten. Eine intravenöse Antibotika-Behandlung kam dazu als man etwas in den Lungen fand.]

"Rottenburger Erbe", Bluthochdruck

"Bäffchen" (wenn Pfarrer vom Fernsehgottesdienst beschrieben wurden)

"Haipfel" das Kopfkissen. Ich habe es allerdings auch auf die keilförmige Matrazeneinlage zur Kopferhöhung unter dem Kopfkissen verwandt. Wenn ein Name fehlt. Das war in der Zeit bevor verstellbare Lattenroste Mode wurden. In besseren Zeiten musste im Frühjahr alles auf den Balkon zum Sonne tanken. Es gab dann auch noch Paradekissen. Als zusätzliche Staubfänger meist auf den Schrank verbannt. Bei den Bettlaken gab es dicke, aufgerauhte Versionen die nur im Winter zulässig waren.

"Bett-Teppich" keinesfalls ein Bodenteppich sonder die mit einem speziellen Bett-Teppich Überzug überzogene Bettdecke unter dem Federbett. Meine Mutter hat selber über mögliche Verwechslungen gescherzt. Besonders aufwendig, wenn man die Kopflöcher für diesen Teil-Überzug (einseitig mit Überschlag) nachträglich setzen muss.

Ein anderer Sprachwitz über den sie schmunzeln konnte war die Sache mit dem Lehrling im Blumengeschäft der den Auftrag bekam, jeden Tag die Stiele abzuschneiden. Als der Meister nach einiger Zeit zurückkam waren die Stuhlbeine merklich kürzer.

Sie hat gern erzählt, wie der Arzt nicht weiter wusste, als ihre Mutter sich ein Rezept für einen "Schwalbenschwanz" erbat. Nach einigem Rätselraten kam dann heraus, dass eine Pelotte gemeint war.

"Biberschwanz" als Dachziegelform und Anordnung.

"bätschnass" (seltener auch die korrespondierende Bezeichnung für trocken, z.B. wenn Fleischbrocken ohne ausreichend Sauce serviert wurden.)

"do gings vielleicht zu", als Buchrezension. [Auch noch bekannt "Farrenstall"]

"dubbelig" und "heenig", von Fensterfliegen.

"lommelig", Blumen, die den Kopf hängen liessen.

"Schnake" gemeint war nahezu jedes nächtliche Insekt, ob stechend oder nicht.

"beleidigte Leberwurst"

"bruddelig"

"Neidhammel", "Dickschädel", "Narrenkasper"

"Spinatwachtel"

"wie kam ma no", das schönste am Zeitungslesen, es gibt immer Geschichten von Leuten, die sich noch ungeschickter anstellen als man selber.

"des isch zum Giechter kriege", von ihrer Mutter.

"einen Koller haben", der Ausdruck hat mir als Kind Schwierigkeiten gemacht, weil ich nicht genau wusste, wo da die Schnellerbahn war, auf der etwas herumkullerte.

"es faustdick hinter den Ohren haben"

"schluchz, schluchz, heul, heul", wenn immer etwas daneben ging. Wenn zum Beispiel das Hutzelbrot vom Bäcker im Rollator vergessen wurde, im Strassen-Rollator der in einem Unterstand vor dem Haus geparkt wurde, und es einige Zeit später von Mäusen angeknabbert wieder entdeckt wurde.

[Es war auch ein kleiner Kulturschock, als sie einmal beim Bäcker war und "Hutzelbrot" nicht mehr ohne weiteres verstanden wurde.]

"ich bin ganz zerknirscht"

"jetzt hem me die Bescherung"

[Kräuterkäs und Butter, das ist das aller beste Futter.]
[Ich bin so satt, ich mag kein Blatt, mäh.]
[Sitze hier und schneide Speck.]
[Als leicht entfremdedes Bibelzitat: auf dem Bauch sollst du kriechen und Staub wischen dein Leben lang.]
[Ah gude Kuh frisst alles. - Als Chefkoch Kompliment würde es wahrscheinlich nicht durchgehn.]

"iiberzwerch", so wie man in seiner Jugend wenn alles rein geht Brötchen ißt. Der Grossvater wurde zitiert.

"no no a Jährle" oft zitierte Geburtstags- oder Neujahrsspruch eines Untermieters. (Polesta? Probst?)

"es geht halt so ane"

Jahreszeitgemäss: "Im Juni sitzt man froh und heiter, hoch oben auf der Kirschenleiter."

"Mir send mit Spätzleswasser gross ond stark worde". Die Grossmutter väterlicherseits verwechselte einmal Milch mit Spätzleswasser. Der Onkel hat es dann als Sketch umgearbeitet und meine Mutter hat es gern wiederholt. Irgendwas muss man zu einer Debatte über "Gaisemilch" (für Säuglinge) ja beitragen. Ebenso wiederholt, selbiger Onkel wurde einmal mit einem bekannten Schauspieler verwechselt. Anstatt die Sache zu berichtigen hat er nur gesagt, psst, bitte nicht weitersagen, ich bin inkognito hier.

"s’frißt doch koi Heu", wenn immer sie dagegen war, etwas aus dem Haus zu geben.

"sHaus verliert nichts" (Suchaktionen gab es aber gerade genug. Nach Versicherungskarten musste man auch in allen Ritzen im Auto suchen.) Wenn doch Gespenster am Werk waren "des hod Katz gfresse".

Später kamen Anglizismen wie "messy, (messy person)" dazu. Da kaum etwas aussortierte wurde, bauten sich auf allen Ablageflächen im Haus im Laufe der Zeit Papierlawinen auf. Hauptbestandteil des "Kuddelmuddel": Kataloge, "Bettelbriefe" und Dankschreiben. In der Vergangenheit waren es viel mehr tatsächliche Briefe.

[Die meisten der Briefschreiber sind mir nur vom Namen her bekannt, Gisela Krauss aus Aalen, die sie wohl auf dem Schönblick kennengelernt hat und die liebevoll gemachte Weihnachtskarten verschickte, die Frau Renate Matuschek vom Frauenkreis, die viel über Kräuter referierte, Elise Flöther, Elsbeth Fehleisen, die Grieshabers, die Frau Hauer, die Frau Strobel, Ursel und Manfred Herre aus Tübingen, die Familie Sax in Gundelsheim, Gertrud Uebele und Familie aus Sinzenburg, die Butschkes, die Ursel und der Günther aus Tübinger, Ruth Thier, ihre lebenslange Freundin aus der Handelsschule, von Gerlingen, die Bodenhöfers aus Friolsheimer.]

"die Kälte kommt von enne raus" angeeigneter Ausspruch ihres Vaters. Anderer markante Ausspruch, nur abgeschwächt wiedergegeben, so zutreffend er auch immer sein mag, "die Welt will dir gezuckerte Ohrschützer verkaufen".

[Ihr Vater war in Münsingen Rekrut geswesen (in der Zeit vor Rommel). Litanei: wie wäscht sich der deutsche Soldat - mit nacktem Oberkörper. Am besten am Brunne vor dem Tore. - Wer vergass, die Tür zu schliessen, durfte diese aushängen und um die Barracke tragen. - Arg motorisiert war man in dieser Zeit noch nicht. Schulkinder, die Karussel fahren wollten und kein Geld hatten, durften sich eine Freifahrt an der Ankerwinde verdienen, notfalls auch barfuss. So etwas wie Schundliteratur gab es schon damals. Versteckt wurde diese in den Strohsäcken auf denen man schlief. Im 2. Weltkrieg wurde er nur kurzfristig eingezogen. Vorzeitige Entlassung nach Sturz von einer Planke mit Fussverletzung beim Schiffsentladen. Bonus, extra Lederbezugscheine. Die konnte man dann für einen Schulranzen für die Tochter nutzen. Ebenfalls an die Tochter weitergegeben, die zwei Orangen die es pro Nase im Krieg in der Weihnachtszeit als Zuteilung (Deputatsorangen?) gab. Vielleicht mundeten sie ihm tatsächlich nicht.]

[[Für einen mütterlichen Verwandten mit dem Namen Gustl lief die Sache weniger glimpflich ab. In besseren Zeiten ein Sonntagsmaler. Dann irgendwelche krummen Sachen, vielleicht im Schwarzmarktbereich. Zunächst hatte er Glück. Sie wusste noch von einer Zeitungsnotiz: "Der Gustl hatte ein Alibi". Dann gings doch ins KZ. Ein weiteres Verfehlen ebendort, anscheinend eine Kassensache, war das Aus. Sicher belegt ist nichts. Meine Mutter fügte manchmal Lücken ohne böse Absicht ihren eigenen Vorstellungen gemäss auf.]]

Der Grossvater Jakob Mäckle von Heumaden wusste noch, wer während des Krieges in der Nacht Getreide zum Mahlen gefahren hat und wer erwischt wurde. Und dann natürlich die Geschichte mit dem Gockel. Das freilaufende Federvieh lief von einem Garten zum andern. Ein Nachbar - der Name war Steiss - packte die kalte Wut und er erstach den mutmasslichen Fremdgänger mit der Mistgabel. Er merkte zu spät, dass es der eigenen Hahn war und beschuldigte den Urgrossvater vor Gericht der Tat. Dieser erdultete alles ruhig, obwohl sich Zeugen anboten. Er nahm nur nicht mehr am Abendmahl teil wenn der Nachbar dabei war. Auf dem Todesbett bat der Nachbar den Grossvater dann um Vergebung. - Zur Grossmutter beim Anblick des ersten Zeppelins: "Horch Mädle, da kommt eine Zeit, I verleb’s nemme aber du kannst dranei komme." Was er wohl gesagt hätte, wenn er beim Zahnart auf der Couch die ionischen Inseln via Flachbettdisplay an der Decke in Vogelperspektive überflogen hätte. - Es ist nicht ganz klar, ob die Geschichte von der beherzten Tante die eine geschlachtete Sau im Waschzuber schnell mit ungewaschener Wäsche überdeckte als Franzosen kamen (die unerwartete Hausvisite) von Heumaden oder Rottenburg stammt. [Ein Strohfeuer um die Borsten abzusengen hat man in der Waschküche vermutlich nicht angezündet aber Abschrubben mit kochend heissem Wasser ging vielleicht auch.]

Ebenfalls oft vorgetragen, die alte Geschichte von dem Vater und Sohn die mit einem Esel zum Markt ziehen. Am Schluss tragen sie den Esel an einer Stange. Es ist schwierig, es allen recht zu machen. Oder das Geheimnis der Seligen. Die Haushälterin konnte das Essen nie recht machen. Als ihr das Essen eines Tages auch noch anbrannte war sie auf das Schlimmste gefasst. Urteil des Hausherrn, heute hat’s das Geschmäckle der Seligen.

Beliebte Familiengeschichte, ein Grossonkel soll sich nachts des öfteren Gebäck aus einem Krug auf dem Schlafzimmerschrank geholt haben. Die Grosstante füllte diesen einmal mit Koks.

Gewisse Ängste waren wohl übertrieben. Das meiste war harmlos wie die Angst vor der Milchhaut in der Kindheit. An das Böse hat sie schon irgendwie geglaubt. Halloween war ihr suspekt (obwohl sie sonst Kindern gerne etwas gab wenn immer sich ein Anlass bot). Es gab auch die Angst sich mit Aids zu infizieren, wenn einmal jemand zu Besuch da war, der vielleicht einmal in einem Heim etwas mit Drogen zu tun gehabt hatte. Das führte zu grösseren Mengen eingelagertem Polsterschnee. Disney und Kauka Produkte hat sie nie ganz akzeptiert (die Grossmutter war da weniger zimperlich, Max und Moritz, Struwwelpeter oder Foxhausen, alles ein Aufwasch). Ebenso bedenklich, experimentelle Hörspiele. Nicht Schadoks aber ähnlich. Habe die Radiostation zur Erleichterung meiner Mutter nie wieder gefunden. Später kam der Argwohn gegen Hülsenfrüchte dazu. Der Zuckerkonsum war wahrscheinlich bedenklicher. Ihre eigenen Zähne nimmt sie nicht mit ins Grab.

[Gebilligt wurde ein Quartett, Ansichten eines Bauerngartens, Frühjahr-Sommer-Herbst& Winter Ansichten - unkrautfreie, gerade Beete einschliesslich williger Pflegehände.]

Ein gutes Essen war immer geschätzt. Es war nicht so wichtig, ob das jetzt Beef Stroganov, Spiegeleier mit Röstkartoffeln und Kresse oder Seidenwürstchen mit fein geriebenem Meerrettich waren, solange es nur richtig zubereitet war. Hackfleisch ohne Lorbeerblätter und Nelken wäre undenkbar gewesen. Stammgerichte gab es genug. Gries-Schnitten mit Apfelbrei, selbstgemachte Waffeln mit Obstsalat, Pfannkuchen mit Aprikosenmarmelade, fettgabackene Fassnachtsküchle, Kirschenmichel, Dampfnudeln mit Vanillesauce, Rote Bete und Fleischsalat, Leber mit Kartoffelbrei, Kartoffelbrei mit Rahmspinat und Spiegeleier, Nudelauflauf mit Schinken, Linsen mit Speck und Petersilie, selbstgeschabte Spätzle mit Gulasch oder Kalbgeschnitzeltem, Maultaschen mit Brätfüllung, meist noch selber durch den Fleischwolf gekurbelt, gefüllte Paprikaschoten mit Hack und Reis, panierte Schnitzel, Krautwickel, Rindsrouladen, Reibekuchen und Fleischkäse, Hackbällchen in Kapernsauce, Fleischküchle und Kartoffelsalat, Sauerkraut und Kassler, Kalbsmedaillon mit Erbsen, Eintopf, Spargel und Spargelsuppe, Flädlessuppe, Bohnensalat, Miraculi Spaghetti mit geriebenem Parmesan und Tomatenmark, versuchsweise auch Pastetchen mit Ragout und Schaschlik. Zum Nachtessen getraute man sich auch mal an Matjesheringe mit Zwiebel, Rollmops oder Eier und Wurst in Aspik. Bratkartoffeln waren üblicher. Ackersalat mit Rahm. Der Gurkensalat musste fein geschnitten sein. Spruch beim Anmachen: Öl wie ein Verschwender, Essig wie ein Geizhals. Eine Weihnachtszeit ohne Christstollen, Hutzelbrot, Lebkuchen und Haselnussplätzchen hätte man sich nicht vorstellen können. Ebenso unvorstellbar, eine Sonntag ohne Hefezopf oder Gugelhopf. In der nicht mehr ganz so goldenen Zeit hat dann der Eismann sein Scherflein beigetragen. Dann kam das AWO Essen. Auch das hat noch viel Freude bereitet. Der Unterschied zwischen Kartoffelstampf und Kartoffelbrei war wichtig. Bescheidener Wunsch, auf einer Bank vor dem Haus in der Sonne zu sitzen und ein wenig mit dem Essenzubringer zu plaudern. Wein und Likör nur in recht bescheidenen Mengen. Eine Flasche reichte ewig. Ein oder zwei Mon Cheri zum Nachtisch hat man sich schon gegönnt. Hauptgetränke, Kümmel-Anis-Fenchel Tee, mit Honig gesüsst, und Apfelsaftschorle.

Und dann gab es noch all die wunderbaren Konditorsachen. Die Quarkschnitten, die Mürbeteigbretzeln, die Fruchtschnitten, die Berliner, die glasierten Amerikaner, die Bienenstiche, die Mohnschnitten, die Nuss-schnitten, die Anis-schnitten, die Neujahrsbrezeln, die Linzer Torte, die Pariser Mandelplatten, die Croissants, die Schokobananen, die Schneckennudeln, die Muffins und Rosinenbrötchen, die Flammenden Herzen, die Karlsbader Oblaten, die Fruchtschnitten, die Ingwer- und Salbei-Bonbons, die Minzplätzchen, die Spitzbuben, die Vanillekipferl, Zimtsterne, Mozartkugel, die vierblättrigen Kleeblätter aus Marzipan, die Lindt Produkte. Zum Nachtisch Vanillepudding und später auch transparente Götterspeise. Bei entsprechenden Anlässe auch Sachertorte oder Schwarzwälder Kirschkuchen vom Konditor (erste Adresse, Siegle). Falls man Mandeln brauchte hat man sie zum Abziehen der Schale kurz aufgekocht und dann auf dem Seiher für Kartoffelwasser wieder getrocknet.

In ihrer Art war Frau Elsässer lebenslustig und ging schon mal mit ihren Sohn nach dem Einkaufen in ein Eiscaffee. Bei einem Tagesausflug mit dem Bus entschied man sich für eine vorzeitiges Weiterfahren nachdem man bereits etwas voreilig im Café sass. Das bereits servierte Eis wurde in Behelfsschälchen mitgegeben.

Auch als es ihr nicht mehr so gut ging hat sie nicht darauf verzichtet, sich zu Fasching mit einer besonderen Note zu kleiden. In Schweden hätte sie sich zum Advent vielleicht einen Kerzenkranz auf den Kopf gesetzt (der St.Lucia Tag ist gemeint).

***

AUSGEWÄHLTE GEDICHTE UND BETRACHTUNGEN

Gedanken über den Lebensweg [17.Februar 1980 nach einem Entwurf von 1949)]

Ich mußte mich aufmachen zu einer Wanderung, die Leben heißt. Manche Tatsachen waren gegeben, andere nicht. Viel Gepäck bekam ich von meinen Eltern und deren Vorfahren mit. Es paßte mir manches nicht, aber ich konnte nicht tauschen und andere konnten es auch nicht.- Die Wegrichtung und die Gefährten konnte ich mir aussuchen. So ging es zeitweise mit stolpern, hinfallen, gezogen werden, aber irgendwie ging es doch weiter. Es gab verschiedene Wege und Abgründe und Klippen. Und es waren Gestürzte, Verunglückte, Hilfesuchende zu sehen.

Wo waren die Wegweiser? - Sie zeigten verschiedene Richtungen und verschiedene Ziele an. Vielleicht war es besser, Mitwanderer zu fragen. Manche wußten es ganz genau, aber ihre Sicherheit konnte mich nicht anstecken. Und oft mußte ich zweifeln.

Es gab auch Menschen, die überzeugten mich, aber wie sollte ich an sie herankommen? Ich wandte viel Mühe daran, denn diese Menschen trugen die Welt in sich, nach der ich mich sehnte.

Es gab zwei große Weggabelungen, den einen Weg gingen die, welche eine mehr oder weniger starke Sehnsucht nach Gott in sich trugen. Andere hatten diese Sehnsucht nicht oder unterdrückten sie und wählten den Weg des Atheismus. Es gab auch Verbindungswege zwischen beiden. Viele waren durch die Menge Wege und Wegweiser unsicher geworden. Es schien ratsam, nicht allein zu wandern, besonders wenn es dunkel wurde. Wo waren die Sterne und die Lichter? Wie konnte ich wissen, daß es keine Irrlichter waren? Was hatte es mit Christen auf sich? Die Lehre schien gut, aber warum kam nicht mehr davon bei den Christen zum Vorschein? Anscheinend mußten starke Widerstände da sein, wie denn auch in der Bibel vom Glaubenskampf die Rede ist, z.B. Epheser 6.

Es fiel mir ein Märchen ein: - Ein junger Mann zog in die Welt hinaus. Er verirrte sich in einem großen Wald. Da standen plötzlich drei Männer vor ihm und wollten ihm den Weg zeigen.

Der erste war das Verbrechen und riet ihm Schlechtes. Der nächste mit unruhig flackernden Augen gab ihm den Rat, sein Leben im nächsten Abgrund zu enden. Es war die Verzweiflung. Der dritte endlich schenkte ihm einen Spaten und hieß die Arbeit.

Der junge Mann wählte die Arbeit.

Und Arbeit ist nicht nur eine Tätigkeit, für die ich Geld bekomme. Die Aufgaben zu bewältigen, die jeder Tag mit sich bringt, kann harte Arbeit, auch an mir selbst, sein. Der norwegische Theologe Prof. Dr. Hallesby schreibt von der Arbeit des Gebets.

Und durch das Gebet wende ich mich an Gott, der mir helfen, mich erlösen will. Ich will in Einklang kommen mit der stärksten Macht, die es gibt.

Ich entschloß mich, den Weg des Glaubens zu gehen und auf die Lehrer zu hören, die mir diesen Weg erklärten und vorlebten.

Der Glaube hat Zuversicht und verliert sich nicht im Negativen. Auch ist die Gemeinschaft der Gläubigen ein Geschenk.

Nun bin ich auf diesem Weg, vor mir ein Ziel, neben mit Mitwanderer, außer mir Widerstände, in mir Anfechtung und Kampf.

Aber ich werde weiterwandern, gestützt durch Mitwanderer, im Vertrauen auf Gottes Hilfe. Und der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs führte sein Volk Israel durch die Wüste ins gelobte Land. (Wie es in dem Buch "Licht über den Wassern" von Dr. Jörg Zink ausführlich beschrieben ist.)

Daraus kann ich Zuversicht schöpfen, daß er mich und viele seines Volkes aus der Gefangenschaft in die Ewigheit führen wird.

***

Auf der Wiesenbank [Pfingstmontag 1981]

Sie bot mir ihre Dienste an
die Bank auf grüner Wiese.
Den Dienst, den nahm ich gerne an
und setzte mich auf diese.
Wacholder wuchsen da
und gestreiftes lila Knabenkraut,
Insekten schwirrten nah,
Bäume rauschten mit des Windes Laut.
Die Sonne wärmte mich und Gras und Baum
und bringt immer neu zum Blühen
was verborgen in des eingen Keimes Raum. -
Segne unser armes schwaches Mühen,
Schöpfergott der Wärme und des Lichts,
weil es uns an so viel gebricht.

***

Klagelied einer Spinne [Aug. 1989]

In einer Dohle wohn ich
spanne Fäden fein,
auf reich Beute wart ich,
auf Insekten, groß und klein.
Das ist mein Spinnenleben,
doch Schwieigkeitne große
macht mir die weiße Soße
kommt als wuchtger Guß
aus einem Eimer grün
weil die Frau putzen muß
zerstört mein fein Gespinst
umsonst war meine Müh
Habt Erbarmen mit mir,
wie du für dich es wünscht,
ich danke dieses dir.

***

Angstbewältigung [1.11.94]

Die Angst, die kam gekrochen
als wie ein schwarzer Rochen.
Was hab ich falsch gemacht,
die Folgen zu wenig bedacht.
Warum brauch ich soviel Wärme
gegen der Gedanken Schwärme?
Wo ist der Weg für meinen Fuß,
der Pfad den ich gehen muß?
Hernach ich werde schauen, jetzt kann ich nur vertrauen,
dann werde ich erkennen und Wunderwege nennen
die ich vorher nicht gesehen,
weil die vielen Nebel wehen.

***

Nach Psalm 90

Ich bin wie alle Menschen
an deinem Tisch ein Gast,
dem du die Zeit des lebens,
Herr, nur geliehen hast.
Du gabst mir einst das Leben
und nimmst es wider hin,
wenn ich nach deinem Willen
ans Ziel gekommen bin.
Herr, lehre mich begreifen,
wie kurz das leben ist
und daß in allem Wandel
nur du derselbe bist.
Wie gar nichts sind wir Menschen,
die doch so sicher sind!
Wir rennen und wir sammeln,
was doch zuletzt zerrinnt.

***

[Todesfall]

Es tut uns allen leid,
daß du von uns gegangen,
auf eine Reise weit,
nach Krankheitszeiten langen
in ein verheißenes Land
dem Glauben wohl bekannt.
Wir sind zurückgeblieben,
mit unserem Leben hier,
mit Niederlagen und mit Siegen,
und danken deine Liebe Dir,
mit der du uns umfaßt
in sechzig langen Jahren,
die Zeit so vieles faßt,
wie froh und glücklich waren
und hatten viele Schwierigkeiten
mit dem was wir so gut gemeint,
das waren ernste Zeiten
und manchmal haben wir geweint.
Die Ewigkeit hat nun Dein Leben
Segnet dir, was Du gegeben.

***

WAS ANDERE SAGEN

[Gedicht von ihrer Schulkameradin Jutta Zimmermann, 1946]

Die Esther ist ein Menschenkind
bei dem man schwer zurecht sich findt.
Sie ist ein ganz besondres Wesen,
hat ihre Schwächen und ihre Größen.
Besuche zu machen macht ihr Freud,
doch ehrt sie nur gewisse leute.
Musik ist von ihren Schwächen eine,
auch hat sie ziemlich krumme Beine.
Sehr gern kommt bei Herr Pitsch sie zu spät
und schüchtern sie dann an der Türe steht.
Immer langsam voran, scheint ihr Wahlspruch zu sein.
Steht sie and der Tafel, so schläft man fast ein.
Aber trotzdem ist sie ziemlich gescheit.
Man merkt das bei ihr nur nicht so gleich.
***

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