Mit einem Geschenk hinterlassen Sie Ihr persönliches Zeichen in Gedenken an Elena Bleß. Veredeln Sie jetzt diese Gedenkseite durch ein Geschenk in Ihrem Namen.
Von Sophia 25.03.2020 um 13:45 Uhr | melden
Liebe Elena,
ich möchte dir heute zum Geburtstag gerne eine Geschichte erzählen:
Der Brückenbauer
„Du hast einen schönen Beruf“, sagte das Kind zum alten Brückenbauer, „doch es muss schwer sein, Brücken zu bauen.“
„Wenn man es gelernt hat, ist es leicht“, sagte der alte Brückenbauer, „es ist leicht, Brücken aus Beton und Stahl zu bauen. Die anderen Brücken sind viel schwieriger, die baue ich in meinen Träumen.“
„Welche anderen Brücken?“, fragte das Kind. Der alte Brückenbauer sah das Kind nachdenklich an. Er wusste nicht, ob es verstehen würde.
Dann sagte er: „Ich möchte eine Brücke bauen von der Gegenwart in die Zukunft. Ich möchte eine Brücke bauen von dem einen zum anderen Menschen, von der Dunkelheit in das Licht, von der Traurigkeit zur Freude. Ich möchte eine Brücke bauen von der Zeit zur Ewigkeit, über alles Vergängliche hinweg.“
Das Kind hatte aufmerksam zugehört. Es hatte zwar nicht alles verstanden, spürte aber, dass der Brückenbauer traurig war. Weil es ihm eine Freude machen wollte, sagte das Kind: „Ich schenke dir meine Brücke.“
Und das Kind malte für den Brückenbauer einen bunten Regenbogen.
(Quelle: https://www.altenheimseelsorge.net/tod-und-trauer/geschichten/der-br%C3%BCckenbauer/)
Liebe Elena, als ich die Geschichte gelesen habe, habe ich sofort an die Treppe in den Regenbogenfarben gedacht, die zu deinem Zimmer führt. Deine liebe Mama hat vor dem ersten Jahrestag einmal in einem Interview erzählt, sie stellt sich vor, wie du dort wieder nach oben gegangen wärst nach deiner Rückkehr aus Spanien. Wie ihr dann zusammen Kuchen gegessen hättet und über den Geburtstag am nächsten Tag gesprochen hättet. Die hübsch verpackten Geschenke lagen schon da.
Aber du bist die Treppe nie mehr nach oben gegangen und hast auch die Geschenke nie ausgepackt.
Liebe Elena, an deinem Geburtstag wird besonders deutlich, wie viele Träume und Pläne am 24. März 2015 zerschmettert wurden. Unmittelbare Pläne wie das Kuchenessen mit deiner Mutter am Nachmittag oder der erste Gang hoch in dein Zimmer. Mittelfristige Pläne wie dein Führerschein, den du beginnen wolltest und für den du dir Geld gewünscht hast. Längerfristige wie all die Ideen, die du noch für dein Leben hattest. Du hast Sprachen geliebt, gerne andere Länder kennengelernt, wolltest die Welt sehen. Du wolltest deine Musik weitermachen. Elena, ich bin sicher, du hättest so viel gemacht aus deinem Leben, das denke ich mir besonders heute an deinem 21. Geburtstag. Wo würdest du heute stehen, was würde dich glücklich machen, welche Ziele würdest du dir heute für die Zukunft machen? Alle diese Fragen, die sich für andere junge Menschen stellt, sind für dich einfach hinfällig geworden, in Rauch aufgegangen von einer Sekunde auf die andere.
Heute ist die Regenbogentreppe auch auf deinem Grabstein zu sehen. Ich finde das wunderschön, weil sie zum einen die Verbindung zu deinem Zuhause herstellt, in dem du eine glückliche Kindheit verbracht hast. Und weil es die Vorstellung weckt, du bist über diese Treppe hinübergegangen auf die andere Seite, in eine andere Welt, die wir noch nicht kennen und von der wir nur hoffen können, dass es dir dort gut geht. Dass diese Regenbogentreppe eine Brücke ist zwischen deiner und unserer Welt. Zwischen dir und den Menschen, die dich an deinem Grab besuchen.
Ich habe mich gefragt, was neben dem Regenbogen noch Brücken sein könnten zwischen dir und uns, zwischen dir und mir sein könnten. Können es vielleicht die Worte sein, die ich dir hier schreibe? Kann es eine Kerze, eine Blume, ein Herz sein, das ich dir auf dein Grab lege. Oder kann es einfach die Liebe sein, die Gedanken die ich zu dir schicke? Dann werde ich auch traurig, wie der Brückenbauer, und denke mir: Vielleicht gibt es diese Brücken nur aus unserer Sicht, und irgendwo enden sie ganz in der Leere und führen gar nicht zu dir. Vielleicht erreichen dich die Worte, die Gedanken und die Liebe nicht. Niemand kann das sicher beantworten. Aber solange die Möglichkeit besteht, doch irgendwo eine kleine Brücke zu dir bauen zu können, werde ich jeden Versuch unternehmen und mich auch bemühen, an die Entstehung der Brücke glauben zu können. Es gelingt mir jetzt manchmal schon gut, vor allem wenn ich an deinem Grab stehe. Die Regenbogentreppe, die Blumen in bunten Regenbogenfarben, die vielen kleinen Geschenke und Erinnerungen machen es für mich zu einem tröstlichen Ort, an dem ich mich dir nah fühle und der mir deshalb viel bedeutet.
Gestern habe ich ein Video von einer Gedenkandacht in der Halterner Sixtuskirche gesehen. Eigentlich war ja ein gemeinsamer Gottesdienst geplant, aber ich fand es sehr schön, dass das Gedenken an euch so trotz Corona-Krise seinen Platz gefunden hat. Auch in dieser Andacht spielte das Symbol der Brücke eine wichtige Rolle (und ich verspreche dir, das haben wir nicht abgesprochen :)). Darin wurde noch etwas gefunden, was eine Brücke zu euch ist: Erinnerungen: „Sie können die Kluft des Todes überspringen und halten den anderen lebendig.“ Der heutige Tag ist für deine Lieben sicher auch wieder gefüllt mit schönen Erinnerungen an frühere Geburtstage, als ihr noch in fröhlicher Runde gefeiert habt. Ich wünsche mir sehr, dass diese Erinnerungen deiner Familie neben all dem Schmerz auch ein kleines Lächeln ins Gesicht zaubern können, wenn sie daran denken, was du für ein wundervolles Mädchen warst und wie viel Freude du in ihr Leben gebracht hast.
Im Gottesdienst wären die Gäste dazu eingeladen worden, ihre Erinnerungen auf einer Karte mit einer Brücke festzuhalten und auch aufzuschreiben, was sie in der Zwischenzeit ohne euch erlebt haben. Es ist das, was ich auch auf der Gedenkseite versuche: Meine Gedanken mit dir zu teilen, dich an meinem Leben teilhaben zu lassen und dir so zu zeigen, dass du im Herzen immer mit dabei bist.
Liebe Elena, wenn es eine feste Brücke mit Stufen in den Himmel geben würde, würde ich sie heute gerne hinaufgehen und dir eine dicke Geburtstagsumarmung geben. So kann ich aber nur meine Gedanken auf eine unsichtbare Brücke schicken und hoffe, sie kommen bei dir an.
Alles Liebe, Elena, das wünsche ich dir von ganzem Herzen.
Deine Sophia