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Von Sophia 23.10.2017 um 23:41 Uhr | melden
Meine liebe Elena,
ich war letzte Woche auf einem Poetry Slam und ein Satz geht mir seitdem immer durch den Kopf:
Das Licht der kleinsten Kerze genügt, um die Finsternis zu durchbrechen.
Aber die Finsternis kann niemals im Licht bestehen.
Es ist natürlich wieder einmal einer dieser schönen Sätze, der einem sagen soll, dass man die positiven Dinge auf der Welt sehen soll. Aber wenn die Finsternis so groß ist, wie die, die die Katastrophe am 24. März 2015 über uns brachte, ist er dann wirklich noch wahr?
Genügt eine kleine Kerze wirklich, die Finsternis zu durchbrechen? Ich zünde oft Kerzen an, hier auf den Gedenkseiten und auch in der Kirche. Aber jedes Mal frage ich mich, ob du überhaupt etwas davon hast. Es macht mich so ohnmächtig, nichts für dich tun zu können. Du kannst die Gedenkseiten ja nicht mehr aufrufen oder in unsere Kirche gehen. Ich hoffe so sehr, dass du doch irgendwie mitbekommst, dass wir an dich denken, aber die Vorstellung fällt mir so schwer.
Und deine Eltern, Familie und Freunde, wird die Finsternis in ihren Herzen wirklich weniger davon, wenn andere eine Kerze anzünden? Was nützen Hunderte Menschen, die an dich denken, wenn sie doch einfach nur DICH zurück haben wollen. Niemand kann dich zurückholen, niemand kann sagen, wo du bist. Es gibt keinen Trost. Man kann die Finsternis nur zusammen tragen und dadurch ein wenig erträglicher machen.
Und kann die Finsternis im Licht bestehen?
Nach der Katastrophe kam es mir so vor, als hätte der Copilot, der euch so gewaltsam aus dem Leben gerissen hat, der Welt die ganze Liebe, die ganze Freude, die Energie, die Gerechtigkeit genommen, und das ist natürlich auch so, wenn man darüber nachdenkt, wie viel Glück er zerstört hat. Allen voran das Glück von dir und den anderen Passagieren, die noch so viel vor sich gehabt hätte, aber auch das eurer Lieben, die täglich mit der Trauer leben müssen. Dennoch habe ich gerade im letzten halben Jahr durch den Kontakt mit deiner Mutter, mit Nancy und anderen Menschen, mit denen ich gesprochen habe, auch erfahren, wie viel Mitmenschlichkeit aus der Katastrophe erwachsen ist, wie viel Zuneigung und ehrliches Interesse aneinander es noch gibt. Und jetzt weiß ich, liebe Elena, die Liebe wird der Copilot niemals zerstören, er hat nicht das letzte Wort, sondern IHR habt das letzte Wort, weil die Gedanken an euch uns zusammenschweißen und ihr aus unseren Herzen niemals vertrieben werden könnt. So hat es auch deine liebe Mutter einmal in einem Interview gesagt, das Böse soll nicht das letzte Wort haben. Ich tue mich mit dieser Sichtweise, die ich hier bemühe, auch ein bisschen schwer, denn zugegebenermaßen ist sie ein wenig egoistisch. Was habt ihr jetzt schon noch davon, wenn es wieder etwas Gutes auf der Welt gibt? Ist es dann nicht noch ungerechter, dass ihr in dieser Welt nicht mehr leben dürft? Selbstverständlich wäre es mir lieber, ich hätte diese Erfahrungen, von denen ich spreche, nicht gemacht, denn das ist es natürlich nicht wert, dass dafür Menschen sterben mussten. Schön bleibt aber der Gedanke, dass ihr dadurch immer noch positiv auf die Welt einwirkt, auch wenn ihr sie hier nicht mehr aktiv mitgestalten kommt. Und ich hoffe, wenn du und die anderen vom Himmel zu uns runterschaut, seid ihr stolz darauf, wie wichtig es war und immer noch ist, dass ihr mal hier bei uns wart.
Liebe Elena, das waren meine Gedanken zu diesem Satz und ich hoffe, es war nicht zu kompliziert, nicht dass du noch genervt bist von mir :) Ich zünde dir dieses Licht an in der Hoffnung, dass es ein kleiner leuchtender Punkt in der Finsternis ist, und wünsche dir und allen, die dich gerade vermissen, eine gute Nacht.
Das Licht der kleinsten Kerze genügt, um die Finsternis zu durchbrechen.
Aber die Finsternis kann niemals im Licht bestehen.
In Liebe deine Sophia