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Von in Liebe 05.05.2014 um 11:23 Uhr | melden
Ein kleines Blau-Veilchen
Stand eben erst ein Weilchen
Unten im Thal am Bach.
Da dacht es einmal nach
Und sprach:
"Daß ich hier unten blüh,
Lohnt sich kaum der Müh,
Muß mich überall bücken
Und drücken,
Bin so ins Niedre gestellt,
Sehe gar nichts von der Welt.
Drum wär es ganz gescheit gethan,
Ich stieg ein bißchen höher hinan."
Und wie gesagt, so gethan,
Aus dem Wiesenland
Mit eigner Hand
Zieht es ein Beinchen nach dem andern
Und begiebt sich aufs Wandern.
"Drüben der Hügel wär mir schon recht;
Wenn ich den erreichen möcht,
Könnt ich ein Stückchen weiter sehn;
Dahin will ich gehn!"
Und so im behenden Lauf
Steigt das Veilchen den Hügel hinauf,
Pflanzt sich dort oben ein
Im schönsten Sonnenschein.
Kaum aber hat es hier einen Tag gestanden,
Meint es: "Von allen Landen
Sieht man hier oben kein großes Stück,
Man hat keinen freien Blick;
Aber auf jenem Berge dort,
Das wär ein Ort,
Wo ich wohl möchte stehn,
Um in die weite Welt zu sehn!
Drum wär es noch gescheiter gethan,
Ich stieg ein bißchen höher hinan!"
Und wie gedacht, so gethan.
Aus dem Hügel, wo es stand,
Zieht es mit eigner Hand
Ein Beinchen nach dem andern
Und begiebt sich aufs Wandern.
Doch den Berg hinauf
Geht es nicht in so raschem Lauf,
Es muß sich verpusten, muß öfter ruhn.
Endlich mit niedergetretenen Schuhn
Auf beschwerlicher Bahn
Kommts Veilchen oben an,
Pflanzt sich dort wieder ein
Im hellen Sonnenschein.
"Ei", spricht es, "hier ists schön!
Aber alles kann man doch nicht sehn,
So ein Berg
Ist doch nur ein Zwerg.
Auf der Alp da droben,
Das wär eher zu loben,
Da möcht ich wohl sein!
Da guckt ich bis in den Himmel hinein,
Hörte die Engelein musicieren,
Säh unsern Herrgott die Welt regieren!"
Und aus dem Berge, wo es stand,
Zieht es wieder mit eigner Hand
Ein Beinchen nach dem andern,
Begiebt sich noch einmal aufs Wandern.
Die Reise macht diesmal viel Beschwer,
Kein Weg, kein Steg war rings umher,
Dem Veilchen flimmerts vor dem Blick,
Es schwindelt, es kann nicht wieder zurück.
Da setzt es die letzte Kraft noch daran,
Zum Tode ermattet kommts oben noch an.
Ach! da war der Boden von Stein,
Kann mit den Füßchen nicht hinein,
Der Wind, der bläst so hart,
Das Veilchen vor Frost erstarrt.
Es zappelt mit allen Würzlein,
Bedeckt sie mit dem grünen Schürzlein,
Friert sehr an Händen und Beinen,
Da fängts bitterlich an zu weinen.
Die blauen Bäckchen werden weiß,
Die Thränen gefrieren darauf zu Eis.
"Ach, wär ich geblieben im Thale dort!"
Das war Blau-Veilchens letztes Wort.
Drauf sank es um
Und blieb stumm.
"Hast du im Thal ein sichres Haus,
Dann wolle nie zu hoch hinaus.
Ich vermisse dich.