Christian
Trox

Von in Liebe 07.06.2017 um 15:59 Uhr | melden

Büchlein unter grünen Weiden

Bächlein unter grünen Weiden
Flieh mir nicht so rasch vorbei —
Ach, Du weißt nicht, daß uns Beiden
Ein Geschick bereitet sei!

Aus dem Frieden meines Gartens
Rinnst Du in den breiten Fluß;
Nach den Tagen stillen Wartens
Kommt Erfüllung und Genuß.

Berge siehst Du, fette Gründe,
Städte, reich an aller Zier;
Daß Dein Glanz ihr Lob verkünde,
Spiegelt sich die Sonn in Dir.

Weiter fühlst Du Dich gezogen
Bis den Strom erreicht Du hast,
Und auf Deinen stolzen Wogen
Schaukelt sich der Schiffe Last.

Ach, es war nicht Dein Verschulden,
Denn es trieb Dich ja hinfort;
Du mußt leiden, Du mußt dulden
Von der Quelle bis zum Port.

Ob der Tag mit Hellem Funkeln
Deine Wogen auch besäumt —
Was da vorgeht tief im Dunkeln,
Wo die Fluth um Klippen schäumt:

Menschenaug kann das nicht ahnen,
Und es nennt kein menschlich Wort;
Doch auf Deinen nächtgen Bahnen
Reißt Dichs unaufhaltsam fort.

Weiht Du noch, wie sanft Dein Rieseln,
Wie melodisch Dein Gesang,
Da der Quell auf glatten Kieseln
In die grüne Wiese sprang?

Damals war so frisch Dein Hoffen,
Aber heut ist es zu spät —
Sieh! vor Deinem Blick schon offen
Liegt des Meeres Majestät.

Und auch da zieht Dichs hinunter,
Widerstreben kannst Du nicht;
Und so gehst Du schweigend unter,
Und die letzte Welle bricht.

Bächlein unter grünen Weiden,
Flieh mir nicht so rasch vorbei —
Ach, Du weißt nicht, daß uns Beiden
Ein Geschick bereitet sei.

Ein Geschick — ein hartes, schweres!
Denn in Schmerzen gehn wir Beid:
Du zur Ewigkeit des Meeres,
Ich ins Meer der Ewigkeit.

Julius Rodenberg

Ich vermisse dich sehr.