Charles De Gaulle

Charles
De Gaulle

22.11.1890
Lille
-
09.11.1970
Colombey-les-deux-Eglises

Stimmungsbild-Charles-De Gaulle-1

Gedenkseite für Charles De Gaulle

1890-1914: Eine traditionelle Erziehung

Charles André Joseph Marie de Gaulle wird am 22. November 1890 in Lille in eine katholische und patriotische Familie hineingeboren. Der Einfluss seines Vaters Henri de Gaulle, Gymnasiallehrer für Literatur und Geschichte, hat ihn stark geprägt. Bei den Jesuiten et Augustinern erhält der junge Charles eine solide humanistische Allgemeinbildung. Er steht auch unter dem Einfluss von Péguy et vor allem Bergson. Mag sich Henri de Gaulle auch als „nachtrauernder Monarchist” bezeichnen und man bei ihm die Action française von Maurras lesen können, so stellen seine Kinder doch nie die Republik in Frage. Anlässlich der Affäre Dreyfus, von dessen Unschuld er überzeugt ist, bezieht Henri de Gaulle zudem für ihn Stellung, was in seinen Kreisen eher selten ist.

1914-1924: Erster Weltkrieg

Kurz nach der Kriegserklärung am 2. August 1914 kämpft Leutnant de Gaulle in der im Nordosten stationierten V. Armee von Lanrezac. Schon am 15. August wird er in Dinant verwundet, abtransportiert und ins Heimatlazarett verbracht und kann erst im Oktober wieder an die Front zurück. Am 10. März wird er beim Kampf um Mesnil-les-Hurlus ein zweites Mal verwundet. Nach Behandlung im Feldlazarett kehrt er zum 33. Infanterieregiment zurück, wo er zunächst eine Kompanie führt und dann Adjutant des Regimentskommandeurs wird. 1916 erleidet er in der Schlacht von Verdun in Douaumont eine dritte Verwundung. Da er als gefallen zurückgelassen wird, erhält er eine posthume ehrenhafte Nennung in der Tagesordnung der Armee. Tatsächlich gerät er jedoch in deutsche Gefangenschaft, wird im Mainzer Lazarett behandelt und anschließend unter anderem in der Festung Ingolstadt gefangen gehalten. Nach fünf vergeblichen Ausbruchsversuchen (von Mai bis September liegt er nacheinander in Osnabrück, Neiße, Sczuczyn, wird im Oktober 1916 in die Festung Ingolstadt, im Juli 1917 ins Lager Rosenberg, im Oktober 1917 ins Militärgefängnis von Passau, im November 1917 wieder nach Ingolstadt, im Mai 1918 ins Lager Wülzburg, im September 1918 in die Gefängnisse von Tassau und Magdeburg verlegt) kommt er erst beim Waffenstillstand frei. Zu seinen Gefangenenkameraden zählen insbesondere Major Catroux, der Journalist Rémy Roure sowie der spätere Marschall der Roten Arme Tuchatschewski, der später den Stalinschen Säuberungen zum Opfer fiel. Die Zeit in der Gefangenschaft nutzt er zur Vertiefung seine Kenntnisse Deutschlands und zur Lektüre deutscher Autoren. Er hält Vorträge strategischen und geopolitischen Inhalts insbesondere über den Kriegsverlauf.

Nach dem Waffenstillstand vom 11. November 1918 wird er entlassen und kehrt im Dezember zu seiner Familie zurück. Von 1919 bis 1921 beteiligt sich de Gaulle in Polen an der Bildung der neuen polnischen Armee, die aus dem Kampf mit der Roten Armee siegreich hervorgeht. Nach seiner Rückkehr heiratet er in Calais am 6. April 1921 Yvonne Vendroux. Am 28. Dezember kommt sein Sohn Philippe zur Welt. Der Hauptmann de Gaulle erhält einen Auftrag als Lektor an der Offiziersschule von Saint-Cyr und wird 1922 zur Höheren Kriegsakademie zugelassen. 1924 wird er nach Trier abkommandiert und ist anschließend beim Stab der französischen Reinarmee in Mainz tätig. Am 15. Mai kommt seine Tochter Elisabeth zur Welt.

1925-1940: Ein Offizier mit eigenen Ideen

1925 wird er zum Stab des Vizepräsidenten des Höheren Kriegsrates, Marschall Pétain, abkommandiert. 1927 wird er erneut nach Trier versetzt, diesmal als Bataillonskommandeur.

Am 1. Januar 1928 wird seine zweite Tochter Anne geboren. De Gaulle wird 1929 in die Levante versetzt und bleibt mit seiner Familie zwei Jahre in Beirut. 1931 wird er ins Generalsekretariat der Nationalen Verteidigung in Paris versetzt. Dieser neue Posten ist insoweit für ihn wichtig, als er ihm Gelegenheit gibt, mit den Staatsangelegenheiten vertraut zu werden.

In dieser Zeit macht er mit zahlreichen von ihm veröffentlichten Artikeln auf sich aufmerksam, insbesondere mit „Doctrine a priori ou doctrine des circonstances”, dessen These vom Establishment als heterodox eingeschätzt wird; entgegen der traditionellen Doktrin, das Vorgehen der Armee habe sich nach im voraus festgelegten Normen zu richten, ist Hauptmann de Gaulle der Meinung, zwar müsse man gewisse Prinzipien beachten, aber zugleich sei es unerlässlich, sich den Umständen zu beugen. In der Höheren Kriegsakademie hält er unter der Oberaufsicht von Marschall Pétain mehrere Vorträge („L’Action du chef de guerre”, „Du caractère”), in denen er sehr eigene Gedanken vertritt und seine Vorstellung vom militärischen Führer entwickelt: De Gaulle macht sich Gedanken über eine Reform der Armee und das Verhältnis zwischen dem Soldaten und dem Politiker. In seinem ersten, 1924 erschienenen Werk "La Discorde chez lennemi" betont er den Vorrang der Politik vor dem Militär. 1932 erinnert er in "Le Fil de lépée" [dt.: "Die Schneide des Schwertes"] an die Bedeutung der Ausbildung der Kommandeure und das Gewicht der jeweiligen Umstände. Erstmalig befasst er sich mit der Theorie der Notwendigkeit einer Panzerstreitmacht, die Feuerkraft mit Beweglichkeit verknüpft und kühne Initiativen und Offensiven ergreifen kann. In seinem 1934 veröffentlichen Werk "Vers lArmée de métier" entwickelt er diesen Grundgedanken weiter, der zusätzlich zur Wehrpflicht eine Berufsarmee verlangt. Diese Vorstellungen finden jedoch kaum Widerhall, sieht man von dem Rechtsabgeordneten Paul Reynaud oder Philippe Serre ab, der sie in seiner Kolumne der Zeitschrift Populaire aufgreift. Léon Blum wendet sich entschieden gegen diese Armee aus Berufssoldaten, die er, wie andere auch, mit den Prätorianern vergleicht. Im Ausland indes findet der Einsatz von Panzern in dem von de Gaulle vorgeschlagenen Sinne größte Aufmerksamkeit (Guderian, Liddel Hart). In Paris frequentiert de Gaulle mehrere Persönlichkeiten im Umkreis des sehr aufgeschlossenen Obersten a.D. Émile Mayer, der sich für eine Strategiereform ausspricht, die sich nicht mit der bloßen Defensive hinter der Maginotlinie zufrieden gibt. Aber niemand hört auf die beiden.

1937 zum Oberst befördert, übernimmt de Gaulle das Kommando über das 507. Panzerregiment in Metz. Als Frankreich und England am 3. September 1939 Deutschland den Krieg erklären, erhält Oberst de Gaulle das Kommando über die Panzerstreitkräfte der V. Armee.

Im Januar 1940 verschickt de Gaulle an achtzig Persönlichkeiten, darunter Léon Blum, Paul Reynaud sowie die Generäle Gamelin und Weygand, ein Memorandum über seine bei den Operationen in Polen gewonnenen Erkenntnisse; es trägt den Titel LAvènement de la force mécanique und unterstreicht die Notwendigkeit eines Zusammenwirkens von Panzern und Luftwaffe. Als Befehlshaber der 4. Kürassierdivision zeichnet sich de Gaulle in Montcornet und Laon aus und bringt in Abbeville die vorrückenden deutschen Truppen zum Stehen (27. – 30. Mai 1940).

Der mit Wirkung vom 1. Juni zum Brigadegeneral auf Probe ernannte de Gaulle wird von Ministerpräsident Paul Reynaud am 5. Juni als Unterstaatssekretär ins Ministerium für Nationale Verteidigung und Krieg berufen. Er soll das Vorgehen mit England im Hinblick auf die Fortsetzung des Kampfes koordinieren. Am 9. kommt er mit Churchill zusammen, den er vergeblich zum Einsatz zusätzlicher Kräfte, auch der Luftwaffe, in den Kämpfen zu bewegen versucht. Am 10 Juni verlässt de Gaulle das zur offenen Stadt erklärte Paris und geht nach Orleans, Briare und Tours. In Bordeaux erfährt der eben aus England zurückgekehrte de Gaulle am 16. Juni, dass Paul Reynaud als Ministerpräsident zurückgetreten ist, durch Marschall Pétain ersetzt wurde und dieser um den Waffenstillstand nachgesucht hat. Damit endet die Tätigkeit von General de Gaulle in dieser Regierung.

1940-1946: Der Mann des 18. Juni

18. Juni 1940: Der Aufruf

Schon am folgenden Tag, dem 17. Juni, fliegt de Gaulle mit seinem Adjutanten Geoffroy de Courcel nach London zurück, von wo aus er den Krieg fortzusetzen gedenkt. Nachdem Marschall Pétain den Waffenstillstand verkündet hat, ruft der General am 18. Juni mit Billigung Churchills über die Wellen der BBC zum Widerstand auf. Der nicht auf Band aufgenommene Aufruf selbst wird nur von wenigen gehört, aber tags darauf steht er in den Zeitungen und wird von den Rundfunksprechern wiederholt. In den folgenden Tagen greift er, wiederum über BBC, erneut den von der Regierung ausgerufenen Waffenstillstand an und wiederholt seinen Aufruf zum Widerstand, insbesondere in seiner Ansprache vom 22. Juni: „Die Ehre, der gesunde Menschenverstand, das Interesse des Vaterlandes gebieten allen freien Franzosen, den Kampf dort fortzusetzen, wo sie sind, und so, wie sie es können.“ Der ungehorsame General wird von der Regierung Marschall Pétains degradiert und in den Ruhestand versetzt und im August in Abwesenheit zum Tode verurteilt.


1940-1944: Das Freie Frankreich und das Kämpfende Frankreich

Churchill erkennt ihn am 28 Juni als Chef der Freien Franzosen an. Die von de Gaulle aufgestellten Streitkräfte erhalten den Namen Freie Französische Streitkräfte. Kraft eines von dem namhaften Juristen René Cassin ausgearbeiteten und von den Briten am 7. August gebilligten Abkommens sind die Freien Französischen Streitkräfte keine Fremdenlegion im Rahmen der britischen Truppen, sondern behalten ihre Nationalität und ihre Unabhängigkeit. Die französischen Streitkräfte sind zwar noch wenig zahlreich, besitzen aber einen Status, und nun beginnt der Zulauf zu ihnen sowohl aus England als auch aus dem Weltreich. Wegen der unseligen Beschießung unserer vor Mers el-Kébir ankernden Flotte durch die Engländer am 4. Juli 1941 lässt dieser Zustrom jedoch vorübergehend nach.

In Brazzaville ruft General de Gaulle am 27. Oktober 1940 zwar ein politisches Organ, den Verteidigungsrat des Weltreichs, ins Leben, betont aber stets, dass dieser bei Kriegsende über seine Handlungen Frankreich Rechenschaft ablegen müsse. Am 22. Juni 1941 überfällt die Wehrmacht Sowjetrussland, und am 7. Dezember greift die japanische Luftwaffe den amerikanischen Stützpunkt Pearl Harbor an: der Krieg wird zum Weltkrieg. Im September 1941 gibt de Gaulle Frankreich als Vorläufer einer Exilregierung ein Französisches Nationalkomitee, das am 3. Juni 1943 nach seinem Eintreffen in Algier in Französisches Befreiungskomitee umbenannt wird, dem er gemeinsam mit General Giraud vorsteht. Dieser war zunächst Marschall Pétain treu geblieben, aber später schlossen sich seine Truppen den Freien Französischen Streitkräften an. Von Algier aus stellt General de Gaulle dem alliierten Oberkommando eine Armee zur Verfügung, die im weiteren Verlauf an den Feldzügen in Nordafrika und Italien teilnimmt und schließlich einen bedeutenden Beitrag zur Befreiung Frankreichs und anschließend zur Niederlage Deutschlands leistet. General de Gaulle wird Präsident der ein Jahr später, am 3. Juni 1944, gebildeten Provisorischen Regierung der Französischen Republik.

Schon ab 1942 waren die Beziehungen zwischen dem Freien Frankreich und dem Inlandswiderstand enger geworden. De Gaulle beauftragt Jean Moulin mit der Bildung des Nationalen Widerstandsrates in Frankreich, in dem sämtliche Tendenzen der politischen Parteien, der Gewerkschaften und des Widerstandsbewegungen vertreten sein sollen und der den Kampf gegen den Besatzer und gegen Vichy im Hinblick auf die Befreiung des nationalen Territoriums koordinieren soll. Hier geht es auch um die Vertretung der nationalen Einheit gegenüber den Alliierten bei der Befreiung. Es kommt zu Zusammenstößen zwischen de Gaulle und den Alliierten, die ihn trotz aller seiner Versicherungen und denen seiner Umgebung nicht als legitimen Vertreter Frankreichs anerkennen wollen, weil seine Vollmachten nicht aus demokratischen Wahlen hervorgegangen sind. Erst am 23. Oktober 1944, drei Monate nach der Befreiung von Paris, wird die Provisorische Regierung von den drei Großmächten USA, Sowjetunion und Großbritannien anerkannt. Seit jeher hatte der General bekräftigt, dass die Franzosen nach der Befreiung des Nationalgebiets frei und demokratisch wählen würden; mehrere im Jahre 1944 vorbereitete Verordnungen über die Organisation der Regierungsgewalt und die Wiederherstellung der republikanischen Legalität waren die demokratische Legitimierung der Vollmachten des Chefs der Freien Franzosen.

1944-1946: Die Befreiung

Die Festigkeit und Schnelligkeit, mit denen General de Gaulle die Autorität einer nationalen Regierung wiederherstellte, machten es möglich, die Einsetzung von AMGOT (Allied Military Government for Occupied Territories) zu unterlaufen, die von den Amerikanern zunächst vorgesehen war, die aus dem befreiten Frankreich einen von den Siegern verwalteten und besetzten Staat machen wollten. Nach der Landung in der Normandie am 6. Juni 1944 besteht de Gaulle beim Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte, General Eisenhower, unbedingt darauf, Paris schnellstens zu befreien, im Gegensatz zu dessen Strategie, ohne Berührung der französischen Hauptstadt unmittelbar weiter nach Osten vorzudringen.

Die 2. Panzerdivision unter General Leclerc befreit am 25. August Paris; Leclerc nimmt die Kapitulation des deutschen Stadtkommandanten von Choltitz entgegen. Am selben Tag richtet sich General de Gaulle, der am 14. Juni 1944 in der Normandie am Strand von Courseulles an Land gegangen war, wieder im Kriegsministerium in der rue Saint-Dominique in Paris im selben Büro ein, das er bis zum 10. Juni 1940 innegehabt hatte, und versinnbildlichte damit, Vichy sei nur eine Klammererscheinung der Geschichte gewesen und die Republik habe niemals zu bestehen aufgehört. Anschließend begibt er sich ins Rathaus der Stadt und hält eine Rede, in der er die wesentliche Rolle der Franzosen bei ihrer Selbstbefreiung hervorhebt. Am folgenden Tag, dem 26. August, schreitet er im Triumphzug die Champs-Élysées hinunter. Die Begeisterung des „Volkes in seiner Tiefe“ kennt keine Grenzen. Am 9. September wird eine Regierung der nationalen Eintracht unter seiner Präsidentschaft konstituiert. Im Oktober 1945, sechs Monate nach Kriegsende, wird eine Konstituierende Versammlung gewählt.

Der Präsident der Provisorischen Regierung ist mit der Konstituierenden Versammlung in der Staatskonzeption und der Frage der Rolle der Parteien uneins; deshalb reicht de Gaulle anlässlich der Abstimmung über die Mittelausstattung der Armee am 20. Januar 1946 beim Präsidenten der Nationalversammlung, Felix Gouin, seinen Rücktritt ein. Den Auftrag, den er sich am 18. Juni 1940 gegeben hatte, hatte er erfüllt: das Territorium befreien, die Republik wiedereinsetzen, freie und demokratische Wahlen organisieren, die wirtschaftliche und soziale Modernisierung in Gang setzen. Doch de Gaulle hofft, man werde ihn schnell wieder rufen.

Der Politiker

1947-1953: Die Sammlungsbewegung des Französischen Volkes

Am 16. Juni 1946 bricht der General sein Schweigen und hält in Bayeux eine Rede. Darin skizziert er einen Verfassungsentwurf mit starker Exekutive und klarer Trennung der Gewalten, der im Keim bereits die künftige Verfassung der V. Republik enthält. Diese Ideen greift er in Bar-le-Duc und noch einmal am 29. September in Épinal wieder auf, nachdem die Konstituierende Nationalversammlung ihren Verfassungsentwurf verabschiedet hat, aber die Wähler hören nicht auf ihn, sondern und billigen am 13. Oktober den Entwurf. In dieser Abstimmung kommt allerdings eher Verdrossenheit als wirkliche Zustimmung zum Ausdruck, denn ein Drittel der Wähler hat sich enthalten und ein Drittel mit Nein gestimmt, so dass im Grunde nur ein Drittel der Wähler die Verfassung der IV. Republik überhaupt billigte.

Von jetzt an steht de Gaulle in der Opposition. Am 14. April 1947 bringt er eine politische Bewegung auf den Weg: die Sammlungsbewegung des Französischen Volkes (RPF), die schnell großen Zulauf findet und bei den Gemeindewahlen im Herbst einen großen Erfolg erringt. Ihr Ziel ist der Kampf gegen das „Exklusivregiment“ der Parteien, für eine Verfassungsreform und schließlich gegen die „Separatisten“, sprich: die Kommunisten. De Gaulle wünscht sich diese politische Bewegung nicht als Partei, sondern als Sammlungsbewegung. Deswegen schlägt er die Möglichkeit der doppelten Zugehörigkeit vor, wonach alle Mitglieder aller politischen Parteien mit Ausnahme der KPF gleichzeitig Mitglied der RPF sein können. Dieser Versuch schlägt fehl, denn die traditionellen Parteien verweigern sich der Doppelzugehörigkeit.

Während dieser ganzen Zeit bleibt General de Gaulle, immerhin Führer einer politischen Bewegung, der Zugang zu Rundfunk und Fernsehen verwehrt. Um seine Vorstellungen bekannt zu machen, muss er daher quer durch Frankreich reisen, von Bruneval bis Straßburg. Auf diese Weise kann er seine Kenntnis des Landes vertiefen und sich auf eine spätere politische Tätigkeit vorbereiten. Bei den Parlamentswahlen von 1951 bleibt der RPF indes der durchschlagende Erfolg versagt: Ihre Abgeordneten sind nicht zahlreich genug, um eine Wende in der Sozialpolitik noch auch bei den Institutionen herbeizuführen. Infolgedessen beschließt de Gaulle, die Sammlungsbewegung des Französischen Volkes zwischen 1953 und 1955 nach und nach auf Sparflamme zu setzen. Diese Erfahrung erlaubt es jedoch, kämpferisch Gesinnte heranzubilden und zu mobilisieren und einen Kader zu schaffen, der sich 1958 als wichtig und wirksam erweisen sollte.

1953-1958: Die „Durchquerung der Wüste“

Die Jahre zwischen 1955 und 1958 sind für de Gaulle, was man die „Durchquerung der Wüste“ genannt hat (oder auch „Durststrecke“ nennen könnte). Er zieht sich völlig nach Colombey-les-Deux-Églises zurück, verfasst seine "Mémoires de guerre" [dt.: "Memoiren"], reist ein wenig (insbesondere in die Union française) und empfängt hin und wieder Gesprächspartner am ehemaligen Sitz der RPF in der Rue de Solférino in Paris. Sein öffentliches Leben ist deutlich verlangsamt, aber er verfolgt weiterhin aufmerksam die Ereignisse.

3. Mai-Dezember 1958: De Gaulle als einzige Zuflucht

Die Labilität der Regierungen und die Ohnmacht der IV. Republik in der durch einen am 1. November begonnenen Aufstand ausgelösten Algerienfrage stürzen das Regime in eine schwere Krise. Nicht wenige politisch Verantwortliche aller Lager wünschen zunehmend die Rückkehr des Generals.

Am 13. Mai 1958 ruft ein Wachsamkeitsausschuss in Algier zu einer Demonstration gegen die algerische Rebellenorganisation FLN auf. Ein Ausschuss des öffentlichen Wohls wird gebildet, an dessen Spitze General Salan steht. Er appelliert am 15. Mai an General de Gaulle. Der Aufstand greift um sich und läuft Gefahr, in einen Bürgerkrieg auszuarten. Am 19. erklärt der General, er sei „bereit, die Vollmachten der Republik zu übernehmen”. Manche Kreise erblicken in dieser Erklärung eine Unterstützung der Armee und werden unruhig. De Gaulle beruhigt sie und unterstreicht die Notwendigkeit der nationalen Einheit; bietet er sich auch erneut als Zuflucht an, so verschreibt er sich dennoch weder der Armee noch sonst irgendwem.

Am 29. Mai ruft Staatspräsident René Coty „den hervorragendsten aller Franzosen“ zu sich. Charles de Gaulle erklärt sich bereit, eine Regierung zu bilden, die am 1. Juni mit 329 von insgesamt 553 abgegebenen Stimmen das Vertrauen der Nationalversammlung erhält. Damit wird General de Gaulle zum letzten Ministerpräsidenten der IV. Republik. Die Abgeordneten räumen ihm die Möglichkeit ein, sechs Monate lang mit Verordnungen zu regieren, und ermächtigen ihn zur Vollendung der Verfassungsreform des Landes. Die im Verlauf des Sommers 1958 ausgearbeitete neue Verfassung kommt den in Bayeux skizzierten Vorschlägen sehr nahe und sieht eine starke Exekutive vor. General de Gaulle lässt sich indessen zu einem Parlament herbei, das mehr Gewicht besitzt, als er im Grunde wünschte.

Die Verfassung wird am 28. September 1958 auf dem Referendumswege mit 79,2% Ja-Stimmen angenommen. Auch die Gebiete des Weltreiches stimmen ihr zu, ausgenommen Guinea, das damit als erstes afrikanisches Land zur Unabhängigkeit gelangt. Am 21. Dezember wird Charles de Gaulle von einem umfangreichen Wahlmännergremium zum Präsidenten der Französischen Republik und der Afrikanischen und Madagassischen Gemeinschaft gewählt. Er tritt das Amt am 8. Januar 1959 an.

In der Zeit zwischen der Übernahme der Funktion des Ministerpräsidenten und seiner Wahl zum Präsidenten der Republik hat Charles de Gaulle bereits weitgehend die Politik in die Wege geleitet, die seine Rückkehr an die Macht prägen wird: Neben dem Willen, Frankreich eine neue Verfassung zu geben, geht es dem General vor allem um die französische Europapolitik (Begegnung mit Bundeskanzler Adenauer am 14. September), die Unabhängigkeit des Landes gegenüber den Vereinigten Staaten (Memorandum vom 17. September an Präsident Eisenhower), die Sanierung der öffentlichen Finanzen (Maßnahmen vom 27. Dezember) und das Schicksal Algeriens (er verwirft die Vorstellungen der Ausschüsse des öffentlichen Wohls und ruft im Oktober zum „Frieden der Tapferen“ auf).

Der Staatsmann

1959-1962: Die Anfänge der V. Republik

Das drängendste Anliegen ist Algerien. De Gaulle vervielfacht seine Reisen dorthin (die erste findet schon am 3. Juni 1958 statt) und bewegt sich auf die Unabhängigkeit als Lösung zu; 1959 schlägt er den Algeriern die Selbstbestimmung vor. Das Referendum vom 8. Januar 1961 über den Grundsatz der Selbstbestimmung bringt dem Staatschef eine massive Unterstützung ein, denn 75% stimmen mit Ja. Aber die Verhandlungen sind zäh und werden zudem durch die Anhänger eines französischen Algerien sowie durch die Uneinsichtigkeit der algerischen Einheitspartei FLN und schließlich den Putsch der französischen Generäle vom 22. April 1961 erschwert, der indes sofort fehlschlägt. Nach ersten halbamtlichen Verhandlungen von Georges Pompidou mit Vertretern der FLN kommt es zu offiziellen Verhandlungen, die Algerienminister Louis Joxe führt. Sie münden in den Abkommen von Evian, die am 22. März 1962 unterzeichnet und in einem Referendum in Frankreich am 8. April sowie in Algerien am 1. Juli gebilligt werden. Algerien erlangt seine Unabhängigkeit, aber beide Staaten bekunden den Willen zur Zusammenarbeit.

Gleichzeitig besteht der Staatschef darauf, das von Frankreich bei Unterzeichnung der Römischen Verträge von 1957 gegebene Wort einzulösen. Damit Frankreich schon am 1. Januar 1959 in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mitmachen kann, unternimmt Antoine Pinay eine Finanzreform (zu diesem Zeitpunkt wird der Neue France geschaffen); die Zollschranken fallen, womit die französischen Produkte der europäischen Konkurrenz ausgesetzt sind. Frankreich wird zur Modernisierung gedrängt.

1962-1968: Konsolidierung des Regimes

Das Jahr 1962 markiert eine große Wende, zunächst im institutionellen Bereich: Nach dem von der OAS am 22. August 1962 unternommenen Attentat in Petit-Clamart schlägt der General die allgemeine Direktwahl des Staatschefs vor. Mit dieser Reform will er seinem Nachfolger die notwendige demokratische Legitimierung gegenüber den Parlamentariern verschaffen, die an die Stelle der historischen Legitimität treten soll, die nur er allein verkörpern konnte. Dies stößt auf eine starke Opposition derer, die der parlamentarischen Tradition verhaftet sind und ein Abgleiten in persönliche Machtausübung befürchten. Ein Tadelsantrag wird eingebracht und die Regierung Pompidou wird gestürzt. De Gaulle löst die Nationalversammlung auf, wozu ihm die Verfassung das Recht gibt, und wartet mit der Abhaltung neuer Parlamentswahlen, bis am 28 Oktober 1962 das Referendum über die Direktwahl des Staatspräsidenten stattgefunden hat.

Der Präsident der Republik zögert nicht, wenn es um wichtige Fragen geht, sich auf dem Referendumswege der Unterstützung durch das Volk zu versichern: Die Verfassungsrevision von 1962, die mit 62,2 % Ja-Stimmen ein durchschlagender Erfolg ist, liefert dafür ebenso den Beweis, wie die Selbstbestimmung der Algerier (Referendum vom 8. Januar 1961), die Abkommen von Evian (8. April 1962), und schließlich die Regionalisierung und die Reform des Senats (27. April 1969) – jedes Mal ruft er die Bürger an die Urnen.

Die Folgen des Algerienkrieges dauern zwar noch fort (Heimführung der Franzosen, Attentate der OAS), aber der Staatschef ist dennoch das Algerienproblem als solches los und kann sich fortan einer Politik der nationalen Unabhängigkeit widmen, die den Rang Frankreichs verstärkt.

Er setzt die unter der IV. Republik begonnene Atompolitik konsequent fort. Im Februar 1960 wird in Reggane in der Sahara die erste französische Atombombe gezündet. Des Weiteren verweigert sich de Gaulle der Vormundschaft der USA und zieht Frankreich nach und nach aus dem integrierten militärischen NATO-System zurück. 1966 ist dies vollends erreicht, wobei Frankreich jedoch sehr wohl Mitglied des Atlantischen Bündnisses bleibt.

Im Übrigen strebt General de Gaulle die Schaffung eines wahrhaft europäischen Europa an und nähert sich sehr bald der Bundesrepublik Deutschland an. Schon 1958 hat er Bundeskanzler Adenauer in seinem Privathaus in Colombey empfangen, und am 22. Januar 1963 wird der Deutsch-Französische Vertrag unterzeichnet, der eine von den europäischen Strukturen unabhängige deutsch-französische Achse einrichtet. Wenn er den Eintritt Großbritanniens in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ablehnt, so weil er in ihm das „trojanische Pferd“ der Vereinigten Staaten erblickt und nicht will, dass sich auf dem Festland zwei europäische Mächte gegenüberstehen.

Mit der gemeinsamen Agrarpolitik stärkt er 1963 zwar die EWG, lehnt aber den Gedanken der Supranationalität generell ab, ohne indes den Vertrag von Rom in Frage zu stellen. Mit der Krise des „leeren Stuhls“ von Juli 1965 bis Januar 1966 soll erreicht werden, dass die Europäische Kommission ihre Vollmachten nicht auf Kosten der Staaten ausbauen und sich die Agrarpolitik nicht zu Lasten Frankreichs entwickeln kann.

Seine „Politik der freien Hand“ bedeutet die Absage an die Blockpolitik, wobei de Gaulle jedoch anlässlich der Berlinkrise (August 1961) und der Kubakrise (1962) die USA unterstützt. Sie bedeutet zudem eine stärkere Präsenz Frankreichs in der Welt, nicht nur in den aus der ehemaligen Afrikanischen und Madagassischen Gemeinschaft hervorgegangenen und seit 1961 unabhängigen Staaten, sondern auch in Asien und Lateinamerika. 1964 erkennt de Gaulle die Volksrepublik China an und besucht auch die Staaten Lateinamerikas. 1966 hält er in Phnom-Penh eine Rede, in der er die amerikanische Vietnampolitik anprangert. Im Juli 1967 verdeutlicht der General mit dem Ruf „Es lebe das freie Quebec“ seine Ablehnung des Imperialismus und verteidigt gleichzeitig die historische Anwesenheit Frankreichs in Nordamerika. Diese Episode ist zugleich beredter Ausdruck der Treue des Generals zum Selbstbestimmungsrecht der Völker.

Im Hinblick auf ein „Europa vom Atlantik bis zum Ural“ nähert sich de Gaulle aber auch der Sowjetunion und ihren Satelliten an. Mit einer Reise in die UdSSR im Juni 1966 wird die Politik der „Entspannung, Verständigung und Zusammenarbeit“ in Gang gesetzt und 1967 durch eine Polenreise sowie im Jahr darauf durch eine Reise nach Rumänien bekräftigt. Dennoch hat es General de Gaulle nie an Treue zum westlichen Block mangeln lassen und war beispielsweise bei der Kubakrise von 1962 der erste, der Kennedy gegen Chruschtschow unterstützte.

1965 wird erstmals der Staatspräsident in allgemeiner Direktwahl gewählt. Nach seiner ersten siebenjährigen Amtszeit zögert de Gaulle, ob er sich zur Wahl stellen soll. Er erklärt erst sehr spät seine Kandidatur und führt auch keinerlei Wahlkampf, im Gegensatz zu den anderen Kandidaten, die sehr aktiv sind (insbesondere François Mitterrand und Jean Lecanuet). Als er (mit 43,7% der Stimmen) in die Stichwahl muss, denkt er wieder an Rücktritt, stellt sich aber dann doch. Vor dem zweiten Wahlgang kommt er in drei Fernsehgesprächen den Sorgen der Franzosen ausgeprägter entgegen. Er wird mit 54,8% gegen seinen Gegner Mitterrand gewählt.

3. Mai 1968—1970

Neben den Auswirkungen der Finanzreform von 1958 kommt Frankreich auch in der Genuss der „dreißig glorreichen Jahre“ und des schon unter der IV. Republik begonnenen Wachstums. Die Wirtschaftsstrukturen werden modernisiert, der Lebensstandard steigt. Angesichts der Starre des Gesellschaftssystems macht sich eine gewisse Enttäuschung breit, die sich in den Ereignissen vom Mai 1968 kundtut. Ab März 1968 entwickelt sich wie in vielen anderen Ländern die Protestbewegung der Studenten. Die Gewerkschaften und die politischen Linksparteien machen sich die Studentendemonstrationen zunutze und rufen einen Generalstreik aus, der von den Arbeitern befolgt wird. Dieser Generalstreik lähmt die öffentliche Gewalt während des Monats Mai und führt zu einer Krise, die die Regierung in ihren Grundfesten erschüttert.

Am 24. Mai lässt der General wissen, der Staat müsse die Ordnung wiederherstellen und die Republik verteidigen; die Straße sei nichts als „Mummenschanz“, Unordnung, Drohung des Totalitarismus. Die Abkommen von Grenelle zwischen Regierung, Gewerkschafts- und Arbeitgebervertretern führen zu einer Reihe klassischer Maßnahmen. Das plötzliche und unerklärte Verschwinden des Staatschefs, der am 29. per Hubschrauber mit unbekanntem Ziel abfliegt, ruft Bestürzung hervor und öffnet den Spekulationen Tür und Tor. Er ist nach Baden-Baden geflogen und dort mit General Massu zusammengetroffen. Dachte er an Rücktritt? Wollte er sich der Armee versichern, oder wollte er lediglich Abstand gewinnen? Wie dem auch sei: Schon am folgenden Tag wieder in Paris, atmet seine Rundfunkansprache ungebrochene Festigkeit. Ihr schließt sich eine riesige, von den Gaullisten veranstaltete Kundgebung auf den Champs-Élysées an. De Gaulle löst die Nationalversammlung auf. Die politischen Kräfte sind mit dem Wahlkampf für die Parlamentswahlen beschäftigt, und nach und nach wird auch die Arbeit wieder aufgenommen.

Die Parlamentswahlen bringen für die Regierung indes nicht genügend neue Dynamik ein. Die stärker nach rechts gerückte Nationalversammlung steht den doch so notwendigen Reformen ziemlich kühl gegenüber. Das Palais de l’Elysée scheint sich von den Franzosen entfernt zu haben, das Vertrauen ist nicht wirklich wiederhergestellt.

Entgegen zahlreicher Stellungnahmen beschließt der Staatschef die Abhaltung eines Referendums über die Regionalisierung und die Reform des Senats. Dieser Vorschlag wird am 27. April 1969 mit 52,4% der Stimmen verworfen. Getreu seinem Versprechen und in Achtung vor dem souveränen Volk tritt de Gaulle zurück; um 0.10 Uhr lässt er in einem Kommuniqué mitteilen: „Ich beende die Ausübung meiner Amtsgeschäfte als Präsident der Republik. Diese Entscheidung tritt heute zur Mittagsstunde in Kraft.”

Rückzug ins Privatleben

Er zieht sich nach Colombey-les-Deux-Églises zurück, enthält sich jeder öffentlichen Äußerung, empfängt lediglich einige wenige Getreue und schreibt seine Memoiren weiter. Die "Mémoires de guerre" [dt.: "Memoiren"] waren ab 1954 veröffentlicht worden; von den "Mémoires d’espoir" [dt.: "Memoiren der Hoffnung"] ist nur der erste Band druckreif, als Charles de Gaulle am 9. November 1970 stirbt.

1952 hatte er ein Testament verfasst, in dem er ein Nationalbegräbnis ablehnte. In Colombey-les-Deux-Eglises werden seine sterblichen Überreste auf einem Aufklärungspanzer in die kleine Dorfkirche zum Trauergottesdienst gefahren, an dem nur seine Familie, die Weggefährten der Befreiung und die Dorfbewohner teilnehmen. Anschließend wird er auf dem Dorffriedhof neben seiner Tochter Anne beigesetzt. Das Grab trägt lediglich die Inschrift: „Charles de Gaulle 1890—1970”. Am 12. November findet in der Kathedrale Notre-Dame in Paris eine offizielle Trauerfeier statt, an der die Staatsbehörden und ausländische Gäste teilnehmen.

Der Privatmann

"Wer nicht gesehen hat, wie er seine kranke Tochter auf den Knien wiegte und ihr Lieder vorsang, der kennt den wahren Charles de Gaulle nicht."
(Alain de Boissieu , Schwiegersohn von Charles de Gaulle)

„Meiner Frau, ohne die nichts, was je geschah, möglich gewesen wäre“ schrieb der General in das Exemplar von Band I seiner Memoiren der Hoffnung, das er seiner Frau schenkte.

Yvonne Vendroux, Industriellentochter aus Calais, ehelicht am 7. April 1921 den Hauptmann de Gaulle und schenkt ihm drei Kinder: Philippe, geboren am 28. Dezember 1921; Elisabeth, geboren am 15. Mai 1924, und die am 1. Januar 1928 geborene Anne, deren schwere Behinderung wenige Monate später erkennbar wird. Madame de Gaulle trennt sich nie von ihr, wie schwer die Umstände auch sein mögen.

Die beispielhafte Hausfrau und Mutter Yvonne de Gaulle folgt ihrem Mann überall hin, von Paris nach Trier (1927/28), in den Libanon (1929—1931) und nach Metz (1937—1939). Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs taucht sie mit ihm in die bewegten Wogen der Geschichte ein: Am 17. Juni 1940 geht sie an Bord des letzten Schiffes, das aus Brest ausläuft, mit ihren drei Kindern nach London. Das Boot, das sie ursprünglich nehmen sollte, wird zwischen Bretagne und England versenkt. Mehrere Stunden lang redet man sogar bis in die Umgebung von Churchill hinein von diesem Untergang. In London erlebt Yvonne de Gaulle alle Bombardierungen und Sorgen mit. Im Juni 1943 gesellt sie sich in Algier ihrem Mann zu, der inzwischen zum Chef des Kämpfenden Frankreich geworden ist, lässt dabei ihren Sohn zum Kampf in England und dann bei der Landung in der Normandie zurück.

Nach den Ruhmestagen der Befreiung begleitet die von einem unerschütterlichen Glauben beseelte Madame de Gaulle ihren Mann geduldig nach Marly und anschließend ins selbstgewählte innere Exil der Jahre 1946—1958 in der Maison de la Boisserie in Colombey. Dort findet das Ehepaar mit der Heirat der Tochter Elisabeth mit Major Alain de Boissieu und später des Sohnes Philippe mit Henriette de Montalembert, die Freuden des Familienlebens wieder, erfährt aber auch untröstlichen Kummer, als Anne am 6. Februar 1948 stirbt.

Yvonne de Gaulle, die ihrem Mann in allen schweren Prüfungen die Treue hält, bleibt auch in der Stunde des Sieges stets wachsam. Als ihr Mann im Juni 1958 wieder an die Spitze der Regierung berufen wird, zieht sie mit ihm ins Hotel Matignon, den Amtssitz des Ministerpräsidenten. Gewissenhaft spielt sie ihre Rolle als aufmerksame und diskrete Dame des Hauses, auch wenn sie die Stille der Boisserie vermisst. Als sie im Dezember 1958 Frankreichs „First Lady“ wird, wahrt sie ihre stille Einfachheit, geht den Journalisten aus dem Weg und beschränkt sich aufs strengste auf ihre offiziellen Verpflichtungen; sie begleitet ihren Mann auf seinen Reisen, widmet sich unauffällig karitativen Anliegen und beantwortet sorgfältig die umfangreiche Korrespondenz, die sie erhält. In den Wohnräumen des Palais de l’Elysée, dem sie wenig Geschmack abgewinnen kann, überwacht sie die Vorbereitung der Mahlzeiten, zu denen die engen Mitarbeiter ihres Mannes, die Regierungs- und Familienmitglieder sowie die Oberhäupter der in die Unabhängigkeit entlassenen Staaten geladen werden.

Auch in schwersten Augenblicken ist Yvonne de Gaulle an der Seite von Charles de Gaulle, so beim Attentat von Petit-Clamart. Sie entgeht unverletzt den MG-Salven, und ihr Mann beglückwünscht sie zu ihrer Tapferkeit. Aber die Last der Macht – endlose Reisen in die Provinz und ins Ausland, Unterhaltungen mit den Botschaftersfrauen – ermüden sie; sie sähe es am liebsten, wenn ihr Mann zur Ruhe fände und sich 1965 nicht wieder zur Wahl stellte. Dennoch steht sie ihm in den Prüfungen der zweiten siebenjährigen Amtszeit beispielhaft zur Seite, vertraut indes darauf, dass er mit 80 Jahren die Präsidentschaft aufgibt und damit „alle Welt überrascht“.

Nach dem Tod ihres Mannes zieht sich die zurückhaltende und streng gläubige Frau in eine religiöse Einrichtung zurück. Sie stirbt im Val-de-Grâce am 8. November 1979, dem Vorabend des neunten Todestages des geliebten Mannes, dem sie in seiner nationalen Aufgabe mehr beigestanden hat, als die Franzosen gemeinhin wussten, denn stets verstand sie es, zu beobachten, zu urteilen und zuzuhören. Nichts, was ihre Familie und was Frankreich betraf, war ihr je gleichgültig

(Quelle: Fondation Charles de Gaulle)

“Die Männer, die seit vielen Jahren an der Spitze der französischen Armeen stehen, haben eine Regierung gebildet. Diese Regierung hat sich unter dem Vorwand der Niederlage unserer Armeen mit dem Feind in Verbindung gesetzt, um den Kampf einzustellen. Gewiss waren und sind wir überschwemmt von der mechanischen Übermacht des Feindes zu Lande und in der Luft. Unendlich viel mehr noch als ihre Zahl haben uns die Panzer, die Flugzeuge, die Taktik der Deutschen zurückweichen lassen. Die Panzer, die Flugzeuge, die Taktik der Deutschen haben unsere Heerführer so überrascht, dass sie nicht mehr ein noch aus wissen.
Aber ist das letzte Wort gesprochen? Muss die Hoffnung weichen? Ist die Niederlage endgültig? Nein!
Glaubt mir, denn ich weiß, wovon ich rede und sage euch, dass für Frankreich nichts verloren ist. Dieselben Mittel, die uns überwältigt haben, können eines Tages den Sieg herbeiführen. Denn Frankreich ist nicht allein! Es ist nicht allein! Es ist nicht allein! Es hat ein großes Weltreich hinter sich. Es kann zusammengehen mit dem britischen Weltreich, das die Meere beherrscht und weiterkämpft. Wie England kann es von der unermesslichen Industrie der Vereinigten Staaten uneingeschränkten Gebrauch machen.
Dieser Krieg ist nicht auf unser unglückliches Mutterland beschränkt. Dieser Krieg ist durch die Schlacht von Frankreich nicht entschieden. Dieser Krieg ist ein Weltkrieg.
Allen Fehlern, allem Nachhinken, allen Leiden zum Trotz gibt es in der weiten Welt doch die Mittel, eines Tages unsere Feinde zu vernichten. Wie uns heute die mechanische Übermacht zu Boden warf, können wir morgen durch überlegene technische Macht siegen. Hierin ist das Schicksal der Welt umschlossen.
Ich, General de Gaulle, zur Zeit in London, fordere die französischen Offiziere und Soldaten, die sich bewaffnet oder unbewaffnet in England befinden oder dorthin kommen, ich fordere die Ingenieure und Facharbeiter der Rüstungsindustrie, die sich auf britischem Boden befinden oder befinden werden, auf, sich mit mir in Verbindung zu setzen.
Was auch geschieht: Die Flamme des französischen Widerstandes darf und wird nicht erlöschen.”
(Appell von Charles de Gaulle über Radio London vom 18.06.1940)

"Das ganze Leben über habe ich mir eine bestimmte Vorstellung von Frankreich gemacht. Mein Gefühl vermittelt sie mir ebenso wie die Vernunft. Was ich an Empfindungen besitze, läßt mir Frankreich wie die Prinzessin der Märchen oder die Madonna der Wandfresken erscheinen,
bestimmmt zu einem großen und ungewöhnlichen Geschick."
(Eingangsworte der "Memoirs de Guerre" 1954)

"Es ist mir eine Freude and eine Ehre, in Ihrem Lande empfangen zu werden. Zunächst weil ich es begrüsse, als Staatsoberhaupt Frankreichs, mit den leitenden Männern Deutschlands unmittelbar in Berührung zu kommen ; denn in der Welt von heute haben unsere beiden Völker ein umfassendes and bedeutsames Werk gemeinsam zu vollbringen. Nichts jedoch kann mich besser dazu ermutigen, als der glänzende Empfang, den Sie mir alle bereiten. Wenn ich Sie so um mich herum versammelt sehe and Ihre Kundgebungen höre, empfinde ich noch stärker als zuvor die Würdigung and das Vertrauen, die ich für ihr grosses Volk, jawohl für das grosse deutsche Volk, hege.
Sie können versichert sein, dass in ganz Frankreich, wo man beobachtet and verfolgt was jetzt in Bonn geschieht, eine Welle der Freundschaft in den Geistern und in den Herzen aufsteigt.
Es lebe Bonn! Es lebe Deutschland! Es lebe die deutsch-französische Freundschaft!"
(5. September 1962 - Ansprache in Bonn)

“Meine Herren! Ich wollte es nicht versäumen auf Ihren Arbeitsplatz zu kommen, um Ihnen den freundschaftlichen Gruss der Franzosen zu entbieten. Die Tatsache dass Charles de Gaulle hier ist und von Ihnen so herzlich empfangen wird, beweist wie sehr unsere beiden Völker schon einander vertrauen.
Wahrhaftig ! Was heute an der Ruhr und in diesen Werken erzeugt wird, erweckt nunmehr in meinem Lande nur noch Sympathie und Befriedigung. Was mich angeht, so habe ich nicht nur mit Interesse, sondern auch mit Freude, die ausgezeichnete Organisation, die modernen Anlagen und blühende Technik des grossen Unternehmens, dem sie angehören, beobachtet. Denn heute sind unsere beiden Länder solidarisch geworden. Wenn Sie in Deutschland und wir in Frankreich wirken, streben wir beide einem und demselben Ziele, zu - nämlich den freien Menschen Frieden, Würde und Glück zu gewähren. Welch eine Revolution, im Vergleich zur Vergangenheit!
Ich wünsche einem jeden von Ihnen den besten Erfolg in seinem Leben. In Ihnen begrüsse ich das ganze schaffende deutsche Volk. Sie alle fordere ich auf. zusammen mit mir ein neues Ereignis zu feiern, das grösste unseres modernen Zeitalters, die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich.”
(6. September 1962 - Ansprache an die Arbeiter der Thyssen-Werke Duisburg)

“Sie alle beglückwünsche ich! Ich beglückwünsche Sie zunächst jung zu sein. Man braucht ja nur die Flamme in Ihren Augen zu beobachten, die Kraft Ihrer Kundgebungen zu hören, und bei einem jeden von Ihnen die Leidenschaftlichkeit und in Ihrer Gruppe den gesamten Umsprung mitzuerleben, um überzeugt zu sein, dass diese Begeisterung Sie zu den Meistern des Lebens und der Zukunft auserkoren hat..
Ich beglückwünsche Sie ferner, junge Deutsche zu sein, das heißt, Kinder eines großen Volkes, jawohl, eines großen Volkes, das manchmal, im Laufe seiner Geschichte große Fehler begangen hat. Ein Volk, das aber auch der Welt geistige, wissenschaftliche, künstlerische, philosophische Wellen gespendet hat, ein Volk, das im friedlichen Werk wie auch in den Leiden des Krieges wahre Schätze an Mut, Disziplin und Organisation entfaltet hat.
Das französische Volk weiß es voll zu würdigen, weil es auch weiß, was heißt, schaffensfreudig zu sein, zu geben und zu leiden.
Schließlich beglückwünsche ich Sie, die Jugend von heute zu sein. Das Leben in dieser Welt ist jedoch voller Gefahren. Diese sind um so größer als, wie stets, der Einsatz ethisch und sozial ist. Es geht darum zu wissen, ob der Mensch in den Umwälzungen ein zu einem Sklaven in der Kollektivität werden wird, oder nicht; ob sein Los ist, von dem ungeheuren Ameisenhaufen angetrieben zu werden, oder nicht; oder ob er die materiellen Fortschritte beherrschen kann und will, um damit würdiger, freier und besser zu werden.
Diese jetzt dann ganz natürliche Solidarität zwischen unseren beiden Völkern müssen wir selbstverständlich organisieren. Das ist die Aufgabe der Regierung. Vor allem müssen wir aber ihr einen lebenden Inhalt zu geben, und das ist insbesondere die Aufgabe der Jugend.
Während unsere beiden Staaten die wirtschaftliche, politische, und kulturelle Zusammenarbeit fördern werden, sollte es Ihnen und der französischen Jugend obliegen, alle Kreise, bei Ihnen und bei uns dazu zu bestreben, engere Bande zu knüpfen, einander immer näher zu kommen, und besser, sich besser kennen zu lernen.
Die Zukunft, die Zukunft unserer beiden Völker, der Grundstein auf welchem die Einheit Europas gebaut kann und muss, die höchste Trumpf für die freie Welt, bleiben die gegenseitige Achtung, das Vertrauen und die Freundschaft zwischen dem französischen und dem deutschen Volk."
(Rede im Hof des Ludwigsburger Schlosses am 9. September 1962)

Frankreich und Deutschland waren Erbfeinde. Drei große bewaffnete Konflikte innerhalb einer im historischem Maßstab knapp bemessenen Zeitspanne (1870/1871, 1914/1918 und 1940/1945) hatten Berge von Hass zwischen den Nachbarn angehäuft.

Doch ein Mann, der von Deutschen sowohl ganz privat als auch im nationalen Maßstab viel zu erleiden hatte, beschritt einen völlig neuen Weg.

Charles de Gaulle hatte als junger Hauptmann bei Verdun an opferreichen Kämpfen teilgenommen und geriet schwer verwundet in deutsche Kriegsgefangenschaft, in der er trotz fünf vergeblicher Fluchtversuche mehr als zwei Jahre zubringen mußte.

1940 verteidigte Charles de Gaulle - zunächst als Oberst, später wird er zum Brigadegeneral befördert - erneut sein Vaterland gegen deutsche Aggressoren. Sein Schwager Alfred Cailliau wurde im Konzentrationslager Buchenwald, seine Nichte Genieve Anthonioz wurde im Konzentrationslager Ravensbrück interniert.
Mit einem flammenden Appell wendete sich Charles de Gaulle am 18.06.1940 - einen Tag nach der offiziellen Kapitulation Frankreichs durch Marschall Petain - über den englischen Rundfunk an die Franzosen und forderte sie auf, den Kampf bis zur endgültigen Befreiung ihres Landes fortzusetzen.
Damit stellte sich Charles de Gaulle an die Spitze des französischen Widerstandes gegen die deutsche Okkupation.
Als Charles de Gaulle am 26.08.1944 in das befreite Paris einzog und unter dem Jubel seiner Landsleute die Champs Elysees hinunterschritt, hatte sich jedes seiner am 18.06.1940 prophezeiten Worte erfüllt.

Am 14.09.1958 - seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren noch keine fünfzehn Jahre vergangen - empfängt Charles de Gaulle, inzwischen Ministerpräsident der Vierten Republik (im folgendenden Jahr wird er die Fünfte Republik initiieren und deren erster Staatspräsident werden) den deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer in seinem Landhaus “La Boisserie” in Colombey-les-deux-Eglises. Niemals zuvor oder danach hat Charles de Gaulle wieder einen Staatsmann in sein Privathaus eingeladen.
Konrad Adenauer war mit einiger Besorgnis zu diesem Besuch aufgebrochen, war ihm doch von allen Seiten Charles de Gaulle als ein Nationalist und Feind Deutschlands geschildert worden.
Doch Charles de Gaulle und Konrad Adenauer entwickelten sofort ein tiefes Verständnis und eine ebensolche Sympathie für einander. Viele Biographen sprechen von "Zuneigung auf den ersten Blick”.
Charles de Gaulle und Konrad Adenauer gingen offen und ehrlich mit einander um, und der eine war von der - nach außen vielleicht nicht sogleich zu erkennenden, im privaten Umgang jedoch umso deutlicher zutage tretenden - Herzlichkeit des anderen berührt. Beide Staatsmänner waren überdies Katholiken und zwar autoritäre, aber dennoch gütige Familienväter.
Dass Charles de Gaulle in Konrad Adenauer einen Rheinländer und keinen Preußen vor sich hatte, der zudem niemals in einem Krieg gegen Frankreich gekämpft hatte, spielte sicher auch eine große Rolle.
Das Weltbild der beiden Staatsmänner traf sich darin, dass die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich die eigentliche Bedingung für einen dauerhaften Frieden in Europa war.

Nach diesem ersten gemeinsamen Treffen gab es viele weitere Begegnungen und einen regen Briefwechsel zwischen Charles de Gaulle und Konrad Adenauer, immer getragen von der tiefen gegenseitigen Sympathie der beiden Politiker.
Bei Adenauers Staatsbesuch in Frankreich 1962 bezeugten die beiden Staatsmänner in der - von deutschem Artilleriebeschuss noch immer gezeichneten - Kathedrale von Reims bei einem gemeinsamen Gottesdienst ihren Willen zur Aussöhnung zwischen ihren beiden Völkern.

Charles de Gaulle als Symbolfigur der nationalen Selbstbehauptung Frankreichs in deren dunkelster Stunde besuchte im Jahre 1962 das Land des ehemaligen Kriegsgegners und schaffte mit seinen triumphal gefeierten Ansprachen in deutscher Sprache (der 72jährige hatte sämtliche Reden selbst entworfen, mit den Dolmetschern daran gefeilt und sie anschließend auswendig gelernt) ein Wunder: Deutsche und Franzosen versöhnen sich. Nie wieder werden sie in blutigen, opferreichen Kriegen gegen einander die Waffen erheben.

Am 22.01.1963 wird das epochale Aussöhnungswerk mit dem “Elysee-Vertrag” gekrönt.



Geschenk Am 25.08.2016 von Oliver Schmid angelegt.
Geschenk Am 13.12.2015 von Oliver Schmid angelegt.
Geschenk Am 12.07.2015 von Oliver Schmid angelegt.
Geschenk Am 16.12.2014 von Oliver Schmid angelegt.
Geschenk Am 08.09.2014 von Oliver Schmid angelegt.
Geschenk Am 13.01.2014 angelegt.
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Geschenk Am 26.10.2013 von Gedenkseiten.de angelegt.
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