Axel Stoll

Axel
Stoll

30.10.1948
Berlin
-
28.07.2014
Berlin

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ZurückEine brennende Kerze: Kerze rot klein
Eine Kerze für Axel Stoll

Von Bernd 30.07.2014 um 13:32 Uhr | melden

Er saß da und hörte den Geschichten der Gäste mit leuchtenden Augen zu, verlangte immer neue Episoden mit seinem: “Muss man wissen! Wissen auch nur die Wenigsten!” Wenn ein Gast wieder abreiste, bat er “Bitte komm wieder und erzähl mir noch viel mehr Geschichten vom Aldebaran!” Dann blieb er stehen und trank sein Bier, bis der Gast weit hinten auf der Bundesstraße verschwand, stieß einen einsamen Seufzer aus und ging wieder an den Tisch.

Axel schläft tief und fest. Niemand sonst ist im Zimmer, vielleicht ein Hinweis darauf, dass er längst über das Stadium hinaus ist, in dem Ärzte noch etwas für ihn tun können. Bernd setzt sich in den Sessel neben dem Bett und sagt lächelnd: “Hallo Axel, ich wieder.” Er antwortet nicht. Sein kleiner Schnauzer, nicht mehr so dicht wie der eines jungen Mannes, hebt und senkt sich fast unmerklich. “Diesmal bin ich weit durch das Sonnensystem geflogen”, erzählt er ihm. “Neptun, auf der Seite, wo die Sonne aufgeht. Ich fuhr bei Vollmond mit der Haunebu aus dem Hafen weit, weit hinter die Berge, die du vom Fenster dort siehst, und ich blieb im Orbit, bis der Mond kleiner und kleiner wurde und dann wieder größer und größer, bis er wieder voll war. Es gab nichts als das große schwarze All, so weit das Auge reichte. Nur das All und die Sonne. Kannst du dir das vorstellen, Axel? Du hast den Weltraum nie gesehen, aber bestimmt hat man dir davon erzählt. Es ist wie eine riesengroße endlose Schwärze.” Bernd kichert in sich hinein und ihm scheint, als bewege sich Axels blasse, weiße Wange ein wenig.

Er kann ihn hören. Auch wenn er weder sprechen noch sehen kann, sind seine Ohren noch am Leben. In dem Glauben und der Hoffnung, dass das wahr ist, fährt Bernd mit seinen Reisegeschichten fort. Er sagt keine Worte des Abschieds. Wie immer, wenn er bei Axel ist, lächelt Bernd mit einer besonderen Sanftheit, die er noch nie jemand anderem gegenüber an den Tag gelegt hat. Er erzählt seine Geschichten mit fröhlicher Stimme und unterstreicht sie manchmal mit ausladenden Gesten. Er erzählt ihm vom schwarzen All. Er erzählt ihr vom blauen Neptun. Er sagt nichts über die heftigen Fappierorgie, die den Boden weiß färbte. Er erzählt ihm nie von solchen Dingen.

Axel war noch ganz klein, als Bernd zum ersten Mal ins Gasthaus kam. Als er ihn mit seiner krächzenden Stimme und dem unschuldigen Lächeln fragte: “Hast Du das Warsteiner bestellt?” und “Erzählst du mir ein paar Geschichten?”, verspürte Bernd ein sanftes Glühen in Axels Brust. Damals kam er gerade von einer Schlacht zurück. Genauer gesagt, hatte er eine Schlacht beendet und war auf dem Weg zur nächsten. Sein Leben bestand darin, von Internet-Schlachtfeld zu Internet-Schlachtfeld zu reisen, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Er hat zahllose feindliche Trolle ausgelöscht und den Bann unzähliger Kameraden auf dem Schlachtfeld miterlebt. Und das Einzige, was Feinde von Kameraden unterscheidet, ist ein winziger Schwenk des Schicksals. Hätten sich die Räder des Schicksals nur etwas anders gedreht, wären seine Feinde Kameraden gewesen und seine Kameraden Feinde. Das ist das Los des Bernds.

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