Trauer und Depression
Der Tod nimmt einem nicht nur einen geliebten Menschen, er verwandelt auch die Zukunft in einen schwarz gähnenden Höllenschlund. Wie soll man das Leben Tag für Tag ohne den verlorenen Menschen durch stehen, wie soll man jemals wieder lachen können, wie gar jemals an eine neue Beziehung denken, wenn man den geliebten Partner verloren hat?
Diese Gefühle sind völlig normal, denn wir brauchen unter Umständen viel Zeit, um einen so schmerzlichen Verlust zu verarbeiten und zu integrieren. Natürlich erleben wir schwarze Tage ohne jeden Hoffnungsschimmer, würden uns am liebsten selbst in die Arme des Todes stürzen, um mit dem verlorenen Menschen wieder vereint zu werden. Aber wir tun es nicht, sondern erwachen nach einer schrecklichen Nacht schweren Herzens, um einen neuen Tag durch zu stehen.
Schwarze Tage und die echte Depression
Eine Serie von schwarzen Tagen ist also völlig normal, solange sie nicht zu lange anhält. Aber wie lange ist zu lange, wann sollte man professionelle Unterstützung suchen? Es gibt ein paar Anzeichen und Symptome, bei denen Sie aufmerksam werden sollten und in der Tat nach Hilfe Ausschau halten sollten.
- Symptome einer echten Depression auf der emotionalen Ebene
Wenn Sie nicht nur schwarze Tage erleben, sondern beginnen, an einer echten Depression zu leiden, so verlieren Sie die Fähigkeit, unterschiedliche Emotionen zu erleben. Auch in der Zeit der Trauer kann man Freude, Wut, Schmerz, Trauer oder Lust empfinden – spüren Sie jedoch dauerhaft nur noch eine stumpfe Leere und ein Gefühl der Sinnlosigkeit, so ist es recht wahrscheinlich, dass Sie eine Depression entwickeln. - Symptome einer echten Depression auf der kognitiven Ebene
Wenn Sie sich kognitiv von den kleinsten Entscheidungen überfordert fühlen, wenn Sie notwendige Handlungen und Entscheidungen aufschieben, obwohl sie gar nicht so schwierig sind, wenn Sie sich nicht mehr konzentrieren können und nicht mehr im Stande sind, sich Alltagsthemen zu stellen, dann rutschen Sie vielleicht gerade in eine echte Depression ab. - Symptome einer echten Depression auf der körperlichen Ebene
Sie leiden immer öfter unter Schlaflosigkeit, Sie verlieren Ihren Appetit und können sich immer seltener zum Essen zwingen, ein Gefühl absoluter Mattigkeit hält Sie tagelang im Bett, da es ja ohnehin keinen Zweck mehr hat, auf zu stehen – wenn Sie unter diesen Symptomen länger als ein paar Tage leiden, dann haben Sie womöglich eine echte Depression.
Keine echte Depression, aber viele schwarze Tage
Auch, wenn man keine echte Depression hat, können die schwarzen Tage im Trauerprozess doch sehr belastend sein. Was aber kann man tun, um sie weniger belastend zu gestalten und sie schneller zu überwinden?
- Professionelle Trauerbegleitung
Ein professioneller und geschulter Trauerbegleiter wird seinen Klienten für die schwarzen Tage praktische Unterstützung anbieten können und mit ihm oder ihr eine spezifisches Maßnahmenprogramm ausarbeiten, wie der Klient mit diesen Tagen umgehen kann. Oft wird der Trauerbegleiter auch eine Hotline anbieten, die man dann im akuten Fall anrufen kann. - Selbsthilfegruppen
Sehr viele Menschen berichten, dass speziell an den schwarzen Tagen der Kontakt mit einer Selbsthilfegruppe sehr hilfreich und unterstützend war und ihnen neue Kraft geschenkt hat. Diese Selbsthilfegruppe kann entweder physikalische Treffen organisieren und so vor Ort reale Unterstützung bieten, oder aber sie ist im Internet vertreten und kann so rund um die Uhr virtuellen Trost spenden.
Der Austausch mit anderen Menschen, die derzeit das Gleiche bewältigen müssen, kann sehr viel Kraft und Trost spenden und Anregungen geben, wie man die eigenen schwarzen Tage besser bewältigen kann. - Selbstdisziplin und Commitment
Zur Überwindung der schwarzen Tage sind auch ein wenig Selbstdisziplin und Commitment hilfreich. Man verspricht sich selbst, dass man jeden Tag aufsteht und sich ordentlich und gepflegt ankleidet, man übernimmt die Verantwortung für Hund oder Katze, man zwingt sich, sich täglich eine ordentliche Mahlzeit zuzubereiten.
Wenn man diese Absichten auch noch anderen Menschen gegenüber dokumentiert, hilft so ein Gerüst enorm, aus der Inaktivität der schwarzen Tage heraus zu finden. Manchen Menschen hilft auch ein Commitment gegenüber dem verstorbenen Menschen – der Gedanke, dass der Tote dies oder jenes auf keinen Fall gewollt hätte, kann genug Energien mobilisieren, um aktiv zu werden. - Struktur und Aktivität
Gerade zu Beginn der Trauerarbeit ist es sehr hilfreich, sich auf die Wirkung von Struktur und Ritualen zu stützen. Wenn man regelmäßig wiederkehrende Aktivitäten in seinen Alltag eingebaut hat, so kann der Sog der Gewohnheit dabei helfen, der Antriebslosigkeit an den schwarzen Tagen entgegen zu wirken. Dabei sollte man auch Aktivitäten und Rituale einbauen, die andere betreffen und von diesen benötigt werden – so kann man dem Anfall von Sinnlosigkeit die Verantwortung gegenüber anderen erfolgreich entgegen setzen. - Inspiration durch positive Gedanken
Die schwarzen Tage sind auch durch schwarze Gedanken geprägt. Nie wieder, nie wieder, so kreist es durch den Kopf und verstellt die Möglichkeit zur Wahrnehmung anderer Perspektiven. Diese existieren aber, sie sind nur momentan nicht wahrnehmbar.
Um seinen Horizont wieder zu erweitern, können die Gedanken anderer Menschen sehr hilfreich sein. Ob man dazu ein Buch liest, in dem jemand anders seinen persönlichen Weg aus dem tiefen Loch zurück ins Leben beschreibt, ob man dazu auf philosophische oder religiöse Texte zurück greift oder sich durch Aphorismen und Zitate beflügeln lässt – der Mensch denkt seit Jahrtausenden über den Tod nach und hat dabei sehr viele Gedanken und Erkenntnisse entwickelt, die auch an schwarzen Tagen ihre positive Wirkung nicht verfehlen. - Bewusste Ablenkung
An den schwarzen Tagen kann es auch sehr hilfreich sein, sich bewusst von den schmerzenden Gefühlen und Gedanken abzulenken. Was hat einem immer Spaß gemacht, was nimmt einen so in Anspruch, dass für nichts anderes mehr Platz bleibt, was könnte neu und interessant sein?
Auch wenn man an diesen Tagen eigentlich keine Lust darauf verspürt, sollte man sich trotzdem mit diesen Dingen beschäftigen. So wie ja die Lust beim Essen kommt, so kann auch die Freude oder zumindest die Erleichterung bei der Aktivität kommen, hat man sich erst einmal darauf eingelassen.
All diese Maßnahmen können dabei helfen, die völlig normalen schwarzen Tage zu überwinden. Nichtsdestotrotz sollten Sie eine professionelle Diagnose einholen, wenn Sie sich nicht sicher sind, ob diese Phasen sich noch im Rahmen der normalen Trauer bewegen oder eher auf eine echte Depression hinweisen. Sie machen eine sehr schwere Zeit durch, und da kann die Hilfe von professionell geschulten Kräften unschätzbar sein.
Verzeichnis von Selbsthilfegruppen
- • Adressen von Gruppen für Betroffene und Angehörige
- • Adressen von Gruppen für Kinder und Jugendliche
- • Selbsthilfegruppen im Ausland
Sollten Sie in unserem Verzeichnis in der von Ihnen gewünschten Region noch keine Selbsthilfegruppe finden, fragen Sie bitte auch bei den örtlichen Kliniken für Psychiatrie sowie den regionalen Kontaktstellen für Selbsthilfe. Oftmals bestehen dort Gruppen, die jedoch keine Öffentlichkeitsarbeit betreiben.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V. (www.dgbs.de)
Artikel geschrieben von Irene Becker
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